Wie künstliche Intelligenz Fluglotsen unterstützen kann
Die Hälfte aller Flugpassagiere weltweit soll im Jahr 2030 in Südostasien unterwegs sein. Der Flugverkehr in der Region wächst dramatisch. Jährliche Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich verlangen nach neuen Lösungen für die Flugverkehrskontrolle. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen, ist Vu N. Duong überzeugt. Der Wissenschaftler von der Nanyang Technological University in Singapur hat mit einem Team mit den ersten Vorarbeiten zu einem KI-Einsatz in der Flugverkehrskontrolle begonnen. Am Mittwoch stellte er sein Projekt beim Symposium on Artificial Intelligence, Machine Learning and Robotics des Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien vor.
Mustererkennung
Ziel des Projektes in Singapur ist es, Fluglotsen (Air Traffic Controller) in ihrer Arbeit zu unterstützen. "In der Luftfahrt passiert sehr viel Geplantes in der Realität nicht", meint Duong. "Fluglotsen sind dafür da, diese Lücke zwischen Planung und realen Ereignissen zu schließen." Ihre wichtige Rolle sollen sie weiterhin wahrnehmen, künstliche Intelligenz soll ihnen aber dabei helfen. Duong und Kollegen haben deshalb eine KI programmiert, die aus dem Verhalten von Fluglotsen lernt.
"Wenn man den Flugverkehr analysiert, erkennt man Muster und Ähnlichkeiten. Daten, etwa Flugbewegungen oder die Kommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten, eröffnen dir Strategien", meint Duong. Eine datenbasierte Vorhersage von Flugbewegungen in einem vierdimensionalen Raum sei möglich, das hätten erste Ergebnisse des Forschungsprojekts gezeigt. Beim Eintritt in einen Luftraumsektor kann der Pfad eines Flugzeuges nach nur einmonatiger Datensammlung zu 70 Prozent korrekt vorhergesagt werden.
Hirnstrommessung
Um aus dem Verhalten von Fluglotsen zu lernen, wurden echte Fluglotsen am Computer mit simulierten Problemstellungen beim Luftraum-Management konfrontiert. Dabei wurden nicht nur ihre Problemlösungsstrategien am Computer untersucht, ihnen wurden auch EEG-Hauben aufgesetzt, um Hirnsignale zu messen, während sie Aufgaben bewältigten. Die KI soll dadurch nicht nur lernen, wie die Steuerung des Luftraumes üblicherweise funktioniert, sondern auch, wie Menschen Entscheidungen treffen. Dadurch soll die KI später in der Lage sein, mit den menschlichen Fluglotsen besser zu interagieren und sie genau so zu unterstützen, wie es für sie am effektivsten ist.
Individuelles Verhalten
Bisher hätte sich gezeigt, dass die Entscheidungen, die die KI beim Luftraum-Management treffen würde, mit jenen der menschlichen Fluglotsen zu 65 Prozent übereinstimmen, meint Duong. Auf die Frage, warum der Prozentsatz nicht höher sei, liefert der Forscher folgende Erklärung: Konflikte bei der Flugverkehrskontrolle werden von Fluglotsen unterschiedlich gelöst.
Manchmal wird ein Konfliktherd abgearbeitet, bevor der Fluglotse sich einem anderen widmet. Andere Fluglotsen wiederum greifen abwechselnd in unterschiedliche Konflikte ein, um sie möglichst parallel zu lösen. "Die KI kann die individuellen Strategien von Fluglotsen nicht vorhersagen", sagt Duong. Im Interview mit der futurezone führt Duong aus, das seit weniger als einem Jahr laufende Projekt befinde in diesem Punkt erst in der Lernphase. Noch gelte es, mehr aus unterschiedlichen Strategien zu lernen.
Anpassung
Am Ende soll die KI jedoch in der Lage sein, sich an jeden Fluglotsen individuell anzupassen. Duong könnte sich vorstellen, dass die KI in der Praxis sowohl visuell als auch mittels Sprachsteuerung mit Fluglotsen kommunizieren soll. Der Forscher ist jedenfalls überzeugt davon, dass der KI-Einsatz die Arbeitsbelastung von Fluglotsen senken und gleichzeitig die Bewältigung von mehr Flugverkehr ermöglichen könnte.
Die Frage, ob die Flugverkehrskontrolle angesichts der intensiven Weiterentwicklung von Drohnen und autonomen Flugtaxis irgendwann komplett automatisiert werden könnte, will Duong nicht beantworten: "Dazu gibt es andere Forschungsprojekte. Wir gehen von menschlichen Fluglotsen aus."
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und AIT.