Science

Wie Steine mehr Kohlendioxid aus der Luft holen können

Man stelle sich vor, es gäbe einen relativ einfachen Weg, um große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Luft und in den Boden zu befördern und dabei gleichzeitig Äcker fruchtbarer zu machen und der Übersäuerung der Meere entgegenzuwirken. Mit der so genannten "beschleunigten Verwitterung" (Enhanced Rock Weathering) scheint genau solch eine Methode gefunden zu sein. Es gibt aber auch Zweifel daran.

Mehrfache Wirkung

Die Idee ist, Gestein zu zermahlen und dieses Gesteinsmehl auf Feldern aufzubringen. Durch Verwitterungsprozesse nimmt der Staub CO2 aus der Luft auf und wird durch Regen ausgeschwemmt. Der Boden nimmt dadurch wertvolle Mineralstoffe auf, wodurch die Fruchtbarkeit erhöht wird. Über den Wasserkreislauf gelangt der Staub samt CO2 schließlich ins Meer. Die basische Substanz wird von Meeresorganismen verdaut und in Kalk umgewandelt, aus dem Schalen und Skelette entstehen. Außerdem wird Kohlensäure im Wasser neutralisiert, die vielen Meereslebewesen schwer zu schaffen macht.

Kompensation

Durch das Zermahlen und gezielte Aufbringen von Gesteinsmehl wird der natürliche Prozess der Verwitterung verstärkt, wodurch noch mehr CO2 als ohnehin schon aufgenommen werden soll. Dadurch könnte ein Teil der menschgemachten Emissionen ausgeglichen werden. Die Methode ist eine von mehreren möglichen "Carbon Capture"-Techniken, die dabei helfen sollen, die Klimaziele zu erreichen.

Viele Forscher sind vom Potenzial der beschleunigten Verwitterung überzeugt. Sie rechnen damit, dass man die Menge an entferntem CO2 durch natürliche Verwitterung von rund 1,1 Milliarden Tonnen pro Jahr damit auf bis zu 4,9 Milliarden Tonnen steigern könnte. Das würde einen signifikanten Teil der jährlich ausgestoßenen CO2-Menge von rund 40 Milliarden Tonnen kompensieren.

Verhältnis 1:3

Um das Potenzial auszuschöpfen, müsste Gestein in großem Stil abgebaut werden. Um eine Milliarde Tonne CO2 zu binden, müssten etwa drei Milliarden Tonnen Basalt ausgebracht werden. Finanziert werden könnte so ein riesiges Vorhaben durch CO2-Bepreisung. Bei einem Preis von 200 Dollar pro Tonne CO2 würde sich die Basalt-Verarbeitung auszahlen, besagt eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Im englischen Sheffield wurde 2016 mit dem Leverhulme Centre for Climate Change Mitigation gleich ein ganzes Forschungsinstitut gegründet, das sich nur dem Thema beschleunigte Verwitterung widmet.

Unabsehbare Folgen

Andere Forscher sind weniger überzeugt, dass die Methode funktionieren könnte. "Man kann nicht ein kleines chemisches Detail hernehmen und einfach in große Zahlen umrechnen", meint etwa Markus Fiebig von der Universität für Bodenkultur. "Das ist, wie wenn ich sage, ein Stück Zucker hilft mir, fünf Meter höher auf einen Berg zu klettern. Dann esse ich so und so viel Zucker und steige auf den Mount Everest. Das funktioniert so einfach nicht."

Beschleunigte Verwitterung sei für viele eine attraktive Idee, weil es etwa von Basalt gigantische Vorkommen auf der Erde gebe und sich diese zu Geld machen ließen. Ein massenhaftes Ausbringen von Gesteinsstaub hätte jedoch Auswirkungen auf Gesteins-, Wasser- und Kohlenstoffkreisläufe, auf die Bodenbildung und verschiedene Ökosysteme. "Die Folgen der Veränderungen, die sich dadurch ergeben könnten, liegen möglicherweise über den Auswirkungen der bisherigen Klimakrise. Man will quasi den Teufel mit dem Beelzebub austreiben."

Die Menschheit unterliege laut Fiebig einer Grundpositivität, dass sie zur Verbesserung unserer Lage simple Eingriffe in die globale Umwelt durchführen kann, aber solche Eingriffe hätten in den Ökosystemen der Erde gravierende Nebenwirkungen. Bei der beschleunigten Verwitterung sei das Erreichen von Milliarden Tonnen eingespartem CO2 "nicht nur wackelig, sondern irrwitzig".

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen