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Clubhouse im Test: Exklusiv, interessant, aber nicht divers

Clubhouse ist aktuell nur per Einladung eines bestehenden Mitgliedes nutzbar. Diese künstliche Verknappung ist maßgeblich am Hype rund um die App mitverantwortlich.

Seit einigen Tagen gibt es im deutschsprachigen Raum einen regelrechten Hype um eine neue Social-Media-App. Sie heißt „Clubhouse“ und ist derzeit nur für iOS-Geräte verfügbar. In der App können Nutzer Gesprächen zu bestimmten Themen zuhören oder sich aktiv an Diskussionen beteiligen. Die App ist rein audiobasiert, und daher ein wenig wie ein Podcast, nur mit der Möglichkeit, sich selbst aktiv zu beteiligen.

Im Gegensatz zu sozialen Netzwerken wie Twitter kann man Beiträge nicht schriftlich kommentieren oder Likes vergeben. Die eigene Profil-Oberfläche sieht ein wenig aus wie bei Instagram, man kann Hashtags setzen, um sich in der Suche sichtbarer für andere zu machen.

Diese Woche trafen im deutschsprachigen Raum etwa Podcasterin Juliane Wieler, Internet-Erklärer Sascha Lobo und die Schauspielerin Sophia Thomalla in einem Raum aufeinander, was sofort über 1500 Nutzerinnen und Nutzer anzog. Bei der ersten Session von „Was heute wichtig war“ war TV-Moderator Thomas Gottschalk dabei. Mitreden kann man bei dieser Runde allerdings nicht, sondern nur zuhören.

Invite-Prinzip

Der Clou an Clubhouse: Man kann die App zwar aus dem App Store runterladen, aber man kann nicht einfach beitreten, sondern man muss von einem Nutzer eingeladen werden. Dieses „Invite“-Prinzip kennen Early-Adopter bereits zum Beispiel von Facebook. Auch dieses soziale Netzwerk war ganz zu Beginn nur mit Einladung nutzbar, ebenso wie Google Wave. Zwei Beispiele, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Während Facebook populär geworden ist, konnte sich Google Wave am Markt auf Dauer nicht durchsetzen.

Der Marketing-Trick von Clubhouse, das Angebot künstlich zu verknappen, in dem Nutzer nur via Einladung reinkommen, führt sogar soweit, dass man im Netzwerk bei jedem Teilnehmer sieht, von wem er reingeholt wurde. Die zwei Personen bleiben somit für ewig miteinander verbunden. Dies soll dafür sorgen, dass Nutzer nur Menschen einladen, mit denen sie auch in Verbindung gebracht werden möchten. Das verstärkt wiederum das „Exklusivitätsgefühl“ und verleiht der ganzen App einen elitären Charakter.

Dazu gehören ist nicht nur für Jugendliche wichtig. Die bekannte österreichische Influencerin Daria Daria sieht in dem Prinzip allerdings etwas Anderes: Diskriminierung. Sie wird die App deshalb nicht nutzen, obwohl schon viele Influencerinnen und Influencer „drin“ sind. Wer sich kein iPhone leisten kann, ist nicht dabei. Ebenso fehlen jene, die keine „Early Adopter“ in ihrem engen Freundeskreis haben. Somit sind sehr viele Menschen schlichtweg von der Nutzung derzeit ausgeschlossen. Plus: Wenn sich Männer vorwiegend gegenseitig einladen, entsteht natürlich auch ein Geschlechterungleichgewicht. Bei den Talk-Runden, an denen ich teilgenommen habe, war die Gender-Balance allerdings ausgeglichen.

Start-ups und Podcaster

Die App verbreitet sich durch ihren eingeschränkten Zugang derzeit allerdings nur in gewissen Kreisen. In Österreich ist das vor allem die Start-up-Szene. Während der Sendung „2 Minuten, 2 Millionen“ werden etwa die Start-up-Pitches live besprochen. Jeden Abend finden zudem Talkrunden mit Gründern, Venture Capitalists und Investoren statt. Zwischendrin gibt es dann Runden, in denen Unternehmen Fragen rund um SEO stellen können, die von Marketing-Spezialisten beantwortet werden. Die Talk-Runden haben Namen wie „Entrepreneur Mindset vs. Employee Mindset“, „Recruiting Circle“ oder „Building High-Growth Product Teams in Startups“.

Ergo: Wer etwas mit Start-ups zu tun hat, ist in der App derzeit gut aufgehoben. Noch nie war es so einfach, direkt mit bekannten Investoren ins Gespräch zu kommen, ihnen Fragen zu stellen und in Kontakt zu treten, vorausgesetzt die Moderatoren sehen, wenn Nutzer ihre Hand erhoben haben und lassen die Frage auch tatsächlich zu. Denn bei den Diskussionsrunden kann zwar jeder zuhören, aber die Moderatorinnen und Moderatoren bestimmen, ob sie jemanden das Wort erteilen, oder lieber nicht.

Trotz der starken Ausrichtung der Themen auf Berufliches fällt Clubhouse für viele in ihre Freizeitgestaltung. Unter Tags finden kaum spannende Talkrunden statt, alles spielt sich in den frühen Morgen-, oder nach 17 Uhr, also Richtung Feierabend statt - und geht bis tief in die Nacht hinein.

Neben der Start-up-Szene sind, wenig verwunderlich, derzeit auch viele Podcasterinnen und Podcaster mit an Bord. Audio ist schließlich seit jeher ihr Mittel, um Inhalte zu transportieren. So gibt es auch zahlreiche Runden rund um Podcasts - von klassischen Stammtischen, bis zu Gruppen, in denen sich Podcaster darüber austauschen, wie sie mehr Reichweite generieren können.

Polit-Talks

In Deutschland scheint Clubhouse auch bei Politikern und politiknahen Vereinigungen beliebt zu sein und sich in diesem Umfeld besonders stark verbreitet zu haben. Neben „Mittags im Regierungsviertel“ gibt es zahlreiche Räume, die sich politischen Fragestellungen und Themengebieten widmen. Diesen Bereich habe ich mir bisher allerdings noch nicht näher angesehen. Zumindest in dem Talk zum Thema „Corona-Krise und Digitalisierung“ wurde ähnlich viel gejammert, wie wir es in Österreich bei diesem Thema gewohnt sind.

Es fällt auf, dass es zwar viele Digitalexpertinnen und -experten in der App gibt, sich aber nur wenige davon mit Themen befassen, bei denen es darum geht, dass Menschen Technologien mitgestalten, oder dass diese zumindest so gestaltet sind, dass sie der Gesellschaft nutzen. Stattdessen finden in Clubhouse Gesprächsrunden statt, die sich darum drehen, Datenschutz abzuschaffen. Auch als „Interesse“ können derartige Themen wie Datenschutz, Netzpolitik, Privatsphäre, uva. nicht explizit ausgewählt werden. Wer sich für Technologie interessiert, so wird vorausgesetzt, muss sich bei der Auswahl mit Schlagworten wie Marketing, Venture Capital, Crypto, Angel Investing oder Engineering begnügen.

Man wird von der App mehrfach dazu aufgefordert, seine Kontakte zu autorisieren.

Datenschutzprobleme

Was mich zum letzten Punkt bringt: Mangelnder Datenschutz - auch bei der App selbst. Nach Anmeldung bei Clubhouse werden Nutzerinnen und Nutzer dazu aufgefordert, ihre Kontakte zu autorisieren. Dies kann man erst einmal ablehnen, aber will man sich später mit Leuten, die man kennt, vernetzen, oder will man selbst jemanden in das Netzwerk einladen, zwingt einen die App dazu, all seine Kontakte zu autorisieren. Diese haben dem freilich weder zugestimmt, noch werden sie darüber informiert. Etwas, das datenschutzrechtlich zumindest heikel ist.

Die App wird bereits vielerorts kritisiert, das Thema Datenschutz nicht ausreichend auf dem Radar zu haben. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist in den Bestimmungen nicht mit einem Wort erwähnt. „Die gesamte Datenschutzarchitektur der App Clubhouse zeigt, dass der Dienst offenbar zu schnell gewachsen ist und den Anforderungen der DSGVO nicht Rechnung trägt“, sagt dazu etwa der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar dazu. So zeichnet die App etwa jedes Gespräch, das geführt wird, vorübergehend auf - und zwar so lange, bis ein Raum beendet wird. Wird bis dahin kein „Einspruch“ erhoben, wird das Gespräch gelöscht.

Da die App aus dem Silicon Valley (USA) und dem dortigen Start-up-Umfeld stammt, kann man davon ausgehen, dass sich bisher keiner so richtig Gedanken darüber gemacht hat, was die Öffnung für den europäischen Markt und den geltenden Gesetzen eigentlich genau bedeutet. Kann sein, dass sich das noch ändern wird.

Audio wird bleiben, aber wird es Clubhouse sein?

Neben Android-Nutzerinnen und -Nutzern fehlt eine Gruppe der „Early Adopter“ in der Clubhouse-App großteils: Jene, die sich kritisch mit neuen Technologien auseinander setzen. Es ist damit vorerst „nur“ eine weitere Social-Media-App, die die Zeit der Nutzer zu fressen droht. Allerdings ist es eine App, die etwas Neues abdeckt: Audio. Dies hat bisher gefehlt und wird sicher bleiben. An ähnlichen Produkten arbeiten allerdings auch Facebook und Twitter bereits im Hintergrund und es wird sich noch weisen, ob Clubhouse hier wirklich Vorreiter bleiben kann. Ich persönliche vermisse etwa den Button, wo man seine Zustimmung ausdrücken kann für etwas, das jemand auf der Stage gerade gesagt hat. Eine Funktion, die Facebook oder Twitter auf jeden Fall von Anfang an dabei hätten.

Wird sich Clubhouse also durchsetzen? Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen. Die App kommt jedenfalls mitten in einer Zeit, in der man derzeit aufgrund der Corona-Krise wenige persönliche Treffen hat und eine digitale Lösung, bei der man anderen Menschen zuhören kann und mit diesen sprechen, auf jeden Fall das Potential hat, neue Userinnen und User zu erreichen. Es ist allerdings fraglich, ob diese auch bleiben, wenn man abends irgendwann wieder vermehrt raus gehen kann. Ich persönlich hätte mir zudem eine neue Social-Media-App gewünscht, die aus Europa kommt, anstatt ein weiteres Produkt aus dem Silicon Valley.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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