Wunderkind-App: Klavierspielen lernen ohne Notenlesen
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Mit seinem früheren Unternehmen Alpha Pianos hat Mario Aiwasian elektronische Klaviere entwickelt, die unter anderem vom Liedermacher Konstantin Wecker, dem US-Musiker Lenny Kravitz oder den deutschen Pyro-Rockern Rammstein gespielt werden. Jetzt arbeitet der Niederösterreicher an einer App, die spielerisch an das Klavierspielen heranführen soll.
Noten spielen bei der "Wunderkind" genannten App keine Rolle. Auch sonstiges Vorwissen ist nicht vonnöten, erzählt Aiwasian. Stattdessen fliegen auf dem Bildschirm untermalt von Hintergrundmusik bunte Ballone über eine Landschaft mit Kakteen. Mit einem Tastendruck zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Stärke können sie vor dem Zerplatzen gerettet werden. Oder sie verschwinden im Nebel und können nur noch akustisch wahrgenommen werden. "Computerspiele werden mit Controllern und Joysticks gesteuert, unsere Hardware ist die Klaviatur", sagt Aiwasian.
"Musik funktioniert über das Gehör"
Kleinkinder könnten zwar nicht lesen oder schreiben, Sprache sprechen oder verstehen könnten sie aber trotzdem. Das gelte auch für Musik. Viele Lernapps oder Lernmethoden würden nur das Finden der richtigen Note belohnen, mit Musik habe das aber wenig zu tun, meint der Klavierexperte: "Musik funktioniert über das Gehör und nicht über die Augen."
Das Notenlesen sei auch ein Grund, warum viele Leute, die mit dem Klavierunterricht beginnen, rasch wieder damit aufhören: "Es stresst sie."
Habe man verschiedene Levels auf der App durchlaufen, münde es darin, dass man ein Stück spielen könne", sagt Aiwasian. "Die Ballons ergeben die Melodie, man kann sie dann auswendig."
Für Kinder ab 3 Jahren
Konzipiert wurde die Anwendung im Gegensatz zu vielen anderen Klavierlern-Apps, die erst für Jugendliche empfohlen werden, bereits für Kinder ab 3 Jahren.
An der Entwicklung haben Expert*innen vom Mozarteum in Salzburg ebenso mitgearbeitet wie Neurowissenschaftler*innen der Universität Heidelberg. Auch der chinesische Starpianist Lang Lang hat sich mit seiner International Music Foundation eingebracht.
Die Idee zu der App hatte Aiwasian bereits 2013. Als er zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 zu Hause festsaß, beschloss er sie schließlich umzusetzen. Er schrieb innerhalb von wenigen Monaten ein Konzept und einen Businessplan.
Unterstützer*innen über Kickstarter gesucht
Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter sucht Aiwasian jetzt Unterstützer*innen, um die Entwicklung der Anwendung abzuschließen.
In der ersten Version wird die App nur mit elektronischen Klavieren funktionieren. Die Geräte werden dabei über ein Kabel mit den Keyboards verbunden. Die Anwendung läuft über den MIDI-Controller der Geräte.
Erweiterte Realität
In einer Folgeversion ist auch der Einsatz von Augmented-Reality-Technologie geplant. Damit soll die App dann auch mit akustischen Klavieren genutzt werden können.
Dabei soll etwa die Tastatur des Klaviers über Augmented-Reality-Brillen mit farbigen Signalen oder Symbolen versehen werden. Über das Mikro des Geräts, auf dem das Spiel läuft, wird die Tonhöhe und die Anschlagstärke erkannt. Die Kamera der AR-Brille ermögliche dann auch, zu sehen, ob die Tasten mit dem richtigen Finger gedrückt werden, erläutert Aiwasian.
Sobald die Finanzierung sichergestellt sei, werde die Entwicklung einer ersten App-Version noch etwa ein halbes Jahr dauern, kündigt er an.
Abo-Modell
Angeboten werden soll die App im Abomodell, zu monatlichen Kosten ab 5 Euro. Musikschulen wolle man mit der Anwendung nicht ausbremsen, sagt Aiwasian. Über die App sollen etwa Lehrer*innen auch eigene Spielinhalte frei gestalten können, mit denen ihre Schüler*innen dann zu Hause üben könnten. "Wir sehen sie auch als Ergänzung zum Unterricht."
Elektronische Pianos
Einen Namen in der Musikwelt hat sich Aiwasian bereits mit dem von ihm gegründeten Unternehmen Alpha Pianos gemacht. Sogar der US-Musiker Prince bestellte kurz vor seinem Tod im Jahr 2016 eines der elektronischen Klaviere aus dem niederösterreichischen St. Andrä/Wördern für eine geplante Welttournee.
Weil es nicht gelang, die Serienfertigung der Instrumente zu finanzieren, schlitterte die Firma Anfang 2019 in die Insolvenz. Heute wird sie in Norwegen von Investoren weitergeführt. Aiwasian, der noch eine Zeit lang als Berater für das Unternehmen tätig war, hat seine Verbindungen zu Alpha Pianos mittlerweile gekappt.
Instrumente lassen den Niederösterreicher, der auch jahrelang für den Klavierhersteller Bösendorfer in der Produktentwicklung und im Vertrieb tätig war, bis heute nicht los.
Auch für die Wunderkind-App kann er sich die Entwicklung eines eigenen Klaviers vorstellen. Dabei sollen auf einem Display, das sich auf der gesamten Länge der Tastatur oberhalb der 88 Tasten befindet, die Klänge spielerisch dargestellt werden.
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