Das bedeutet der Rückzug von Microsoft, Apple und Samsung aus Russland
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Über 450 Firmen haben, als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine, ihre Lieferungen nach Russland gestoppt. Besonders prominent kündigten das Microsoft und Apple an, aber auch Samsung und der Chiphersteller Intel wollen nichts mehr nach Russland verkaufen. Zudem haben die Flugzeugbauer Airbus und Boeing ihre Lieferungen eingestellt. Doch was bedeuten diese Schritte?
Für die Unternehmen gibt es mehrere Gründe, sich aus dem russischen Markt zurückzuziehen. Einer davon ist Marketing: “Für die Unternehmen wäre es schwierig, dort weiter wie bisher Geschäft zu machen, ohne schlechte Publicity zu erhalten. Vor allem Softwarelösungen und Technik kann auch für die Kriegsführung eingesetzt werden und das ist reputationsschädigend”, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Harald Oberhofer von der WU Wien im Gespräch mit der futurezone.
Firmen können Rechnungen nicht bezahlen
Ein weiterer Punkt ist der Ausschluss einiger russischer Banken aus dem Swift-System. Wenn die russischen Abnehmer ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können, werde es für Unternehmen schwer, vernünftige wirtschaftliche Beziehungen zu führen, sagt Oberhofer.
Russlands Digitalministerium hat sich bereits zu den Sanktionen geäußert. Demnach sind heimische Technologie-Firmen hart getroffen. Russland will sich daher stärker auf die heimische Produktion konzentrieren, wie es auf der Website des Ministeriums heißt. Dabei sollen Tech-Firmen subventioniert werden, etwa mit einer 0-Prozent-Steuer.
China springt ein
Zudem könnte Russland versuchen, durch einen Wechsel zum chinesischen Kreditkarten-System UnionPay und zu chinesischen Banken die Sanktionen zu umgehen. Viele russische Unternehmen haben daher laut Reuters Konten im Nachbarland eröffnen wollen.
Der Rückzug Microsofts könnte für Russland schwierig werden. Bereits gekaufte Produkte werden wohl weiter benutzt werden können, aber wer sich Windows, Office oder den Cloudservice Azure neu zulegen will, hat aktuell keine Chance. Mit einem Marktanteil für Windows von 55 Prozent laut statcounter kann das schnell problematisch werden, würde Microsoft etwa die Lieferung von Updates an Geräte in Russland aussetzen.
Nach langem Zögern hat auch SAP den Rückzug seiner Cloud-Dienste aus Russland bekanntgegeben. Der deutsche Softwaregigant hatte bereits Verkäufe nach Russland gestoppt, nun wird es auch keinen Support mehr geben, berichtet Reuters.
Marktführerwechsel bei Smartphones
Bei Smartphones könnte der Markt einen Umschwung erleben. Laut Statista war Samsung im 3. Quartal 2021 mit einem Marktanteil von 34 Prozent deutlich vor Xiaomi (26 Prozent) und Apple (15 Prozent). Danach folgt Realme (8 Prozent) und Poco (3 Prozent). Eine Statistik von Statecounter für das Jahr 2021 zeigt, dass Samsung insgesamt mit 26,6 Prozent die Nase vorn hatte, gefolgt von Apple (23 Prozent), Xiaomi (19,9 Prozent) und Huawei (16,17 Prozent). Insgesamt war Samsung 2021 laut einer Umfrage mit über 30 Prozent die beliebteste Smartphone-Marke in Russland.
Langfristig könnten hier chinesische Firmen eine wichtigere Rolle spielen. Das zeigte sich bereits 2014, als westliche Länder Russland bei der Annexion der Krim sanktionierten und China dem Nachbarland aushalf. “China stellt Anspruch auf Technologieführerschaft. Die Lage ist gerade ein gefundenes Fressen, um in Russland westliche Technologie mit ihrer zu ersetzen”, sagt Oberhofer.
Steigende Preise für Importe
Doch selbst wenn die Sanktionen umgangen werden können stellt sich die Frage, wer die Importware dann noch bezahlen soll. Mit dem Sturz des Rubels von vormals 85 pro Euro auf zwischenzeitlich knapp 150 (derzeit 110), haben sich auch die Preise fast verdoppelt. Selbst wenn also Geräte und Bauteile aus dem Westen importiert werden können, werden sich viele die Geräte ohnehin nicht mehr leisten können.
Auch hier könnte sich wieder eine gute Möglichkeit für chinesische Firmen auftun, die stärker das Niedrigpreissegment bedienen, wie etwa Xiaomi und seine Submarken. Die antworteten laut Reuters am 2. März auf dem russischen Instagram-Account der Firma auf die Frage, ob die Preise in Russland steigen würden mit "die Preise auf unserer offiziellen Webseite haben sich nicht geändert".
Fehlende Ersatzteile für Flugzeuge
Boeing und Airbus haben im Rahmen des ersten Sanktionspaketes ihre Zusammenarbeit mit russischen Airlines beendet. Dieser Einschnitt ist massiv für Russland, denn er könnte das Land langfristig vom internationalen Flugverkehr abschneiden. Viele Airlines müssen geleaste Maschinen zurückgeben und es werden keine Ersatzteile für die Wartung mehr geliefert. Da für eine internationale Flugerlaubnis eine regelmäßige Wartung verpflichtend ist, könnten die meisten zivilen Flugzeuge bald stillstehen.
Aber auch hier könnten Ersatzteile theoretisch über China ihren Weg nach Russland finden, China lehnt das aber noch ab. Oder die Maschinen, die eigentlich zurückgegeben werden sollten, werden ausgeschlachtet. Wie Reuters berichtet, könnte Russland dafür die Flugzeuge aufkaufen. Da die Rückgabe durch die Flugraumsperre ohnehin schwierig wird, wäre das für Boeing und Airbus möglicherweise die einzige Lösung.
China zögert bei Russland-Hilfe
Kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine hatte Russland ein Partnerschaftsabkommen mit China unterzeichnet. Allerdings hält sich China mit der Rückendeckung für Russland offiziell noch zurück. Der chinesische Außenminister Wang Yi hat zwar angeboten, man könne als Vermittler auftreten. Die Invasion wurde von offizieller Seite bisher nicht verurteilt.
Langfristig könnte das China in eine schwierige finanzielle Lage bringen. Sobald etwa Smartphone- oder PC-Hersteller einen gewissen Prozentsatz an Komponenten aus US-Technologie verwenden, dürfen sie aktuell nicht mehr nach Russland geliefert werden (Foreign Direct Product Rule). Es ist also gut möglich, dass chinesische Firmen erst evaluieren müssen, wie ein Geschäft mit Russland möglich wird.
Drohende Sanktionen für chinesische Firmen
Zudem könnte ihnen der westliche Markt wegbrechen, wenn sich Firmen aus politischen und ideologischen Gründen von China abwenden. Im Vergleich zu der EU und den USA ist der russische Markt für China nur sehr klein. Der Anteil an den Ausgaben im Technologiesektor liegt für Russland und die Ukraine bei 5,5 Prozent in Europa und nur ein Prozent weltweit, heißt es in einem Bericht der IDC. Trotzdem bleiben chinesische Firmen wie Huawei und Lenovo in Russland.
Entscheidet sich China, stärker in Russland zu investieren, müsste es mit Sanktionen aus dem Westen rechnen. Seit Wochen befinden sich die Aktienkurse chinesischer Tech-Firmen auf einer Talfahrt, berichtet Bloomberg. Zudem warnte die USA China und jedes andere Land, Russland nicht dabei zu helfen, die Sanktionen zu umgehen. Sollten Lieferungen, insbesondere von Halbleitern, von US-Produkten über China nach Russland erfolgen, will die USA betroffene Händler vom Markt abschneiden, indem sie ihnen den Zugriff auf notwendige Software entziehen.
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