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Instant Messaging

WhatsApp: Facebooks größte Sorge seit Instagram

Während sich die Facebook-Tochter Instagram einen

mit dem Kurznachrichten-Dienst Twitter liefert, dürfte Mark Zuckerberg hinter den Kulissen ganz andere Sorgen plagen. Zwar hat Instagram mehr als 100 Millionen Nutzer, doch die Instant-Messaging-Software hat allein auf Android mehr als 100 Millionen Downloads. Und nicht nur das: "Der Erfolg ist ein Wahnsinn, die App ist in mehr als 50 Ländern seit vielen Monaten auf Platz Eins der kostenpflichtigen Apps in Apples App Store”, sagt Martin Pansy, dessen Grazer FirmaUp To Eleven(ehemals sms.at) mitmysmseinen kleinen WhatsApp-Rivalen betreibt. Bis zu 300 Millionen Nutzer könnte WhatsApp verschiedenen Schätzungen zufolge bereits haben.

Wachstum über Freundeskreise
Keine Werbung, keine Partnerschaften, keine Interviews: WhatsApp wächst offensichtlich ohne großes Zutun und unaufhörlich - dank viraler Verbreitung, würden Social-Media-Experten sagen. 20 Prozent der österreichischen Smartphone-Nutzer haben WhatsApp bereits installiert, schätzt Pansy. Freundeskreis nach Freundeskreis verfällt der Anwendung - allen Sicherheitslücken zum Trotz und wohl auch dank sozialem Druck. “Der Gruppen-Chat ist in der Zielgruppe unter 25 Jahren sehr wesentlich”, sagt Pansy. Wer mitchatten will, gibt WhatsApp Zugriff auf die eigene Telefonnummer und sein Adressbuch, findet so seine Kontakte und kann Text, Fotos, Videos, Tonaufnahmen und Positionsangaben an diese schicken.

Genau hier wird WhatsApp Facebook gefährlich: Denn mobiles Chatten verlagert sich von SMS und dem Online-Netzwerk zunehmend Richtung WhatsApp und anderen mobilen IM-Diensten. “WhatsApp ist Facebook sicher ein Dorn im Auge”, sagt Pansy. “Es ist eine Gefahr für sie und Facebook kann es sich nicht erlauben, so einen zentralen Punkt, also direkte private Kommunikation am Smartphone, einem Rivalen zu überlassen.” Wenig überraschend kursierten kürzlich Gerüchte im Silicon Valley, denen zufolge Facebook Kaufinteresse an WhatsApp bekundete. Das von zwei ehemaligen Yahoo!-Ingenieuren gegründete Start-up aus Mountain View dementierte umgehend.

Facebook holt zum Gegenschlag aus
Wenig später startete Facebook seinen Angriff auf WhatsApp: Vergangene Woche wurde eine neue Version der Facebook Messenger-App für Android-Handys vorgestellt, die ohne Facebook-Account nutzbar ist und die Registrierung mit Name und Telefonnummer erlaubt. “Als Ergebnis unseres Fokus auf den Mobilbereich haben wir in den letzten anderthalb Jahren viel in Mobile Messaging investiert. Wir haben festgestellt, dass die Leute mehr wollen, als SMS bieten kann. Wir möchten es den Menschen ermöglichen, sich zu vernetzen und sich dabei zu fühlen, als stünden sie in ständiger Kommunikation miteinander”, sagte Peter Deng, Director of Product bei Facebook, auf der Konferenz Le Web in Paris.

Aber nehmen die Nutzer Facebooks WhatsApp-Rivalen auch an? In den Charts der App Stores liegt WhatsApp weiter vor der Konkurrenz. Aber: “So ein riesiger Markt bietet Nischen”, sagt Pansy. Sein Dienst mysms hätte aktuell mehr als 650.000 Nutzer - unter anderem deshalb, weil man sich durch andere Funktionen differenzieren könne. mysms ist an den herkömmlichen SMS-Standard angebunden (man kann klassisch eine SMS aus der App an eine Nummer schicken) und unterliegt strengen EU-Datenschutzstandards. “Bis dato gab es bei uns keine Sicherheitslücke, das wird von der Zielgruppe honoriert”, sagt Pansy.

Facebooks Messenger war bis zur Übernahme wohl der schärfste Konkurrent von WhatsApp und steht ihm in puncto Funktionen um nichts nach. Vor allem das Chat-Heads-Feature unter Android, bei dem eine Konversation an der Seite des Bildschirms angezeigt werden kann, sticht hervor. Die App ist kostenlos für Android und iOS verfügbar.

Bezahl-Schiene statt personalisierte Werbung
Bei der Konfrontation WhatsApp vs. Facebook prallen auch Geschäftsmodelle aufeinander. Der IM-Dienst mit dem grünen Logo wirtschaftet eigenen Angaben zufolge positiv, ohne den Nutzern jemals eine einzige Werbung gezeigt zu haben. WhatsApp sei eben nicht an den Daten der Nutzer interessiert, und deswegen würde es Gebühren geben (89 Cent für die iPhone-App, 99 Cent/Jahr auf Android nach einer Einführungsphase).

“Heute wissen Firmen buchstäblich alles über dich, deine Freunde und deine Interessen”, schreiben die WhatsApp-Macher in einem Blog-Eintrag. Werbung würde nicht nur die Intelligenz der Nutzer beleidigen und ihre Gedankengänge stören, sondern hätte auch für die eigenen Entwickler Konsequenzen. “In jeder Firma, die Werbung verkauft, verbringen viele Ingenieure viel Zeit damit, das Datamining zu verbessern, besseren Code zum Datensammeln zu schreiben und die Server für die Datenspeicherung aufzurüsten - und das alles dafür, dass am Ende des Tages ein bisschen anders aussehender Werbebanner auf deinem Handy-Display aufpoppt”, heißt es seitens WhatsApp.

Ob Facebook mit Werbung in seinen Messenger-Apps künftig Geld verdienen kann, ist ohnehin anzuzweifeln. “Der Bereich ist zu persönlich, um dort Werbung zu schalten”, sagt Pansy. Für seinen Dienst mysms plant er kostenpflichtige Tablet-Apps. “Messaging-Apps werden intensiv genutzt, oft mehr als zehn Mal pro Tag”, so der mysms-Chef, weswegen die Nutzer gewillt seien, für den Dienst zu zahlen.  2013 rechnet er mit einer Million Nutzer. “Wenn zehn Prozent für eine Tablet-App zahlen, verschafft uns das gute Einnahmen.”

Und die gute alte SMS?
Während sich am noch sehr fragmentierten Instant-Messaging-Markt mit WhatsApp langsam aber sicher ein Gewinner herauskristallisiert, wollen auch die Mobilfunker in das Geschäft mit der multimedialen Mobilkommunikation vordringen. Der SMS-Nachfolger “Joyn”, in Deutschland bei der Telekom und Vodafone gegen Gebühr verfügbar, soll das wegbrechende SMS-Geschäft kompensieren. Sicher schicken Mobilfunkkunden nach wie vor Milliarden SMS an ihre Kontakte, doch die Handy-Betreiber können es sich kaum mehr erlauben, extra Geld zu verlangen - 1000 SMS im Tarif sind längst Standard. Nur: Die ersten Tester, etwa von Chip.de, sind von dem neuen Joyn-Standard wenig begeistert. Pansy: “Die Mobilfunker waren noch nie gut in der Schaffung eines gemeinsamen Konsumentenprodukts.”

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Jakob Steinschaden

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