Eine australische F-35A

Eine australische F-35A

© APA/AFP/PAUL CROCK / PAUL CROCK

Militärtechnik

Spektakulärer Tiefflug von Stealth-Fighter sorgt für Wirbel

Denkt man an die Pilotenausbildung oder Trainingsmissionen, schießen einen vermutlich schnell Bilder aus Top Gun und anderen Filmen in den Kopf. Im rasenden Tempo sind die Kampfjets dicht über dem Boden oder gar zwischen Felsschluchten unterwegs.

Ein Video, das aktuell durch die australischen Medien und sozialen Netzwerke geht, hat starke Ähnlichkeiten zu den Actionszenen:

Aufgenommen wurde es bereits im Februar 2023. Es zeigt eine F-35A der australischen Luftwaffe über dem Nationalpark Kosciuszko. Der Stealth-Jet macht eine Aileron Roll – eine Form der Querruderrolle. Er zieht dann nach unten und folgt dem Gefälle der Berge.

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Das sieht spektakulär aus, ist aber mit der Geschwindigkeit, im bergigen Gelände und in der niedrigen Flughöhe nicht ungefährlich. Abgesehen vom Leben des Piloten wäre auch der Verlust der F-35A tragisch. Der Stealth-Fighter kostet in den USA etwa 70 Millionen US-Dollar pro Stück. Mit Exportkosten und den verbunden Service- und Wartungsverträgen, soll Australien über 158 Millionen US-Dollar pro Stück für seine 72 F-35A gezahlt haben.

In den sozialen Netzwerken hat das Video jedenfalls für Aufsehen gesorgt. So ein riskantes Manöver durchzuführen, „um vor Zuschauern anzugeben“, wie einige User schreiben, sei verantwortungslos. Zudem kommt ein Bericht von ABC News hinzu, wonach der Bordcomputer der F-35A automatisch das „Recovery-System“ ausgelöst hat, das verhindert, dass die Maschine auf den Boden aufschlägt. Demnach hätte das Manöver sehr schief gehen können. Australische User fordern in den sozialen Netzwerken Konsequenzen und eine Bestrafung des Piloten.

Ridge-Crossing-Manöver

Laut ABC News ist das Video schon auch in Militärkreisen kursiert und hat dort für Aufregen gesorgt. Offiziell war es ein Flug, um die Wahrnehmung bei niedrigen Flughöhen zu trainieren, an dem 2 Piloten beteiligt waren. Das gehört zur Standardausbildung bei vielen Luftstreitkräften.

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Konkret wird das Manöver „Ridge Crossing“ genannt. Dabei geht es darum, möglichst tief zu fliegen, um nicht vom feindlichen Radar aufgespürt zu werden. Kommt ein Berg oder Kamm, muss dieser überquert (crossing) werden. Die Rolle ermöglicht den Piloten das Terrain unter sich zu sehen – er muss sich also nicht bloß auf die Instrumente verlassen. So kann er besser abschätzen, wie stark das Gelände auf der anderen Seite des Kamms abfällt, um die richtige Flughöhe zu wählen.

Schutzmaßnahme war angeblich aktiv

Gegenüber ABC News äußerste sich ein Mitglied der australischen Luftstreitkräfte, das anonym bleiben will. Demnach wurde bei dem Manöver das automatische „Recovery-System“ ausgelöst. Damit ist vermutlich das Automatic Ground Collision Avoidance System (AGCAS) der F-35A gemeint.

AGCAS wurde ab 2014 in F-16-Kampfflieger integriert. Ab 2019 wurde die F-35 mit dem System nachgerüstet. Es nutzt eine Mischung aus Terrain-Datenbanken, Sensoren und die Kontrolleingaben des Piloten, um vorherzusagen, ob eine Kollision unmittelbar bevorsteht. Berechnet das System, dass ein Crash droht und macht der Pilot keine kurskorrigierenden Eingaben, übernimmt AGCAS das Steuer. Fliegt das Flugzeug wieder in eine sichere Richtung, wird dem Piloten die Kontrolle zurückgegeben.

AGCAS wird ua. aktiv, wenn der Pilot durch zu rasche Richtungswechsel die Orientierung verloren hat. Außerdem greift es ein, wenn der Pilot bewusstlos ist, etwa nach Manövern mit starken G-Kräften. Das System hat bereits mehreren Piloten das Leben gerettet.

Nicht klar erkennbar, ob AGCAS aktiv war

Laut ABC News hat sich das australische Verteidigungsministerium geweigert, einen Kommentar abzugeben, ob AGCAS aktiv wurde. Rein vom Video her ist, aufgrund der niedrigen Qualität und des Mitschwenkens, nicht erkennbar, ob AGCAS ausgelöst wurde. Ausschließen kann man es allerdings auch nicht. Denkbar wäre, dass die Quelle von ABC News die Anflughöhe im Video als zu tief deutet bzw. die Ausbildung der australischen Piloten vorsieht, weniger tief an einen Kamm heranzufliegen. Daraus könnte man mutmaßen, dass AGCAS bei Sekunde 1 oder 2 die F-35A hochgezogen hat. Zumindest scheint es laut dem Video so, als würde der Kampfjet hier schnell an Höhe gewinnen.

Möglicherweise war es aber bei Sekunde 5 oder 6 im Video aktiv und hat verhindert, dass der Pilot schon früher tiefer fliegt. Nach einem (möglichen) kurzen Hüpfer geht die F-35A nämlich sehr stark in den Tiefflug, eventuell, um für die verlorene Zeit in zu hoher Höhe aufzuholen. Allerdings ist genau das der Sinn von Ridge Crossing: Tief fliegen, schnell hochziehen und möglichst schnell nach dem Berggipfel wieder tief fliegen, um unter dem Radar zu bleiben.

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Keine Konsequenzen für den Piloten

Laut einer anderen Quelle soll der damalige Chef der Luftstreitkräfte „nicht glücklich“ mit dem Manöver gewesen sein. Allerdings sei dieses Manöver Teil der australischen Pilotenausbildung und werde in Vorträgen und Briefings unterrichtet und im Simulator und bei Trainingsflügen geübt. Vermutlich war der Chef also unglücklich, dass dieses Video veröffentlicht wurde und nicht darüber, was im Video zu sehen ist.

Aus einer anderen Quelle will ABC News erfahren haben, dass der Pilot lediglich „einen Klapps auf die Hand“ bekommen hat. Trotz der Diskussionen dürfte es demnach keine ernsthaften Konsequenzen für den Pilot gegeben haben. Auch dazu wollte sich das Verteidigungsministerium nicht äußern.

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Das australische Top Gun

Der Pilot soll in der Zwischenzeit den Air Warfare Instructor’s Course (AWI) abgeschlossen haben, in dessen Rahmen der Trainingsflug durchgeführt wurde. AWI ist das australische Gegenstück zu Top Gun – dem Ausbildungsprogramm der US Navy, das den gleichnamigen Film inspirierte.

In beiden Fällen werden Piloten mit dem größten Potenzial ausgewählt, die nach Abschluss des Programms die Qualifikation als Flugausbilder haben. Um an AWI teilnehmen zu können, müssen die Piloten fast 2 Jahre lang lernen, bevor das 6-monatige Training beginnt. Alle 2 Jahre schließen etwa 30 Piloten das AWI ab, verteilt auf 6 verschiedene Sparten. Neben der F-35A wird AWI unter anderem für die EA-18G Growler, C-130J Hercules und E-7A Wedgetail durchgeführt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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