“Wir müssen über Forschung in einer Sprache sprechen, die alle verstehen”
Am 12. und 13. September gehen erstmals die neuen Technology Talks Austria des AIT Austrian Institute of Technology in Wien über die Bühne. Die futurezone sprach im Vorfeld mit Brigitte Bach, einer der 3 Managing Directors und Sprecherin der Geschäftsführung des AIT, über Forschung in Österreich, wohin sich das AIT künftig entwickeln soll und warum das Thema Künstliche Intelligenz so zentral ist.
futurezone: Sie sind beim AIT maßgeblich für die strategische Ausrichtung zuständig. Welche Schwerpunkte wollen Sie in Zukunft setzen?
Brigitte Bach: Zwei Schwerpunkte wollen wir beibehalten: Das ist einerseits die resiliente, nachhaltige Infrastruktur (Mobilität, Energie, Bereiche im Gesundheitssystem, etc.) und andererseits die digitale Transformation von Industrie und Gesellschaft. Hier sprechen wir von Themen wie Cybersecurity, Robotik und Künstliche Intelligenz. Basierend auf diesen Kernkompetenzen haben wir uns als neue Geschäftsführung vorgenommen, neue Themen, querliegende Themen herauszugreifen und besonders zu stärken.
Was kann man sich hier in etwa vorstellen?
Zum Beispiel Industrieprozesse der Zukunft. Das sind einerseits Prozesse, die sehr stark auf Dekarbonisierung abzielen, aber auch auf Resilienz, auch im Hinblick auf zum Beispiel Materialien und Materialeinsatz. Es geht um Effizienz in der Produktion, Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit und um Qualitätssicherung, Kosteneffizienz und vieles mehr. Wir arbeiten da schon mit sehr vielen Unternehmen zusammen und möchten jetzt interdisziplinär im Haus die Kompetenzen zusammenführen, um noch mal einen großen Schritt nach vorne zu kommen. Und ein weiteres wichtiges Thema ist, Künstliche Intelligenz für die Forschung einzusetzen.
Bleiben wir gleich einmal beim Thema Künstliche Intelligenz, damit befasst sich das AIT ja auch jetzt schon. Was soll da künftig weiter ausgebaut werden?
Künstliche Intelligenz ist eine wesentliche Technologie, die wir verwenden müssen, um auch in der Anwendung und der Technologieentwicklung entsprechend vorne zu sein. Wir haben uns vorgenommen, hier besondere Expertise aufzubauen – eine Expertengruppe, die dann in alle Themenbereiche hineinstrahlen soll. Zum Beispiel möchten wir eine Plattform aufbauen, die im Bereich der Materialforschung ganz wesentlich sein wird, wo es darum geht, dass neue Materialkombinationen vorgeschlagen werden. Aber auch beim Testen kann man Künstliche Intelligenz einsetzen.
Forschung ohne KI ist also gar nicht mehr denkbar?
Es ist eine Basistechnologie. Auch in Bereichen wie Robotik, Automatisierung und Qualitätssicherung - an vielen, vielen Stellen ist das relevant. Auch in der Mikrobiomforschung werden wir mit Künstlicher Intelligenz die Abläufe beschleunigen. KI hilft aber auch, Anwendungen zu entwickeln, die für die Bevölkerung sehr relevant sind. Zum Beispiel haben wir einen Fake-Shop-Detektor entwickelt, der mittels künstlicher Intelligenz in Echtzeit Tausende Merkmale abfragen kann. Man kann ihn per Link kostenlos in seinen Browser integrieren und dann bei jedem neuen Shop, den man ausprobiert, schauen, ob es sich um einen Fake-Shop handelt.
Künstliche Intelligenz ist als Technologie per se nichts Neues, hat mit ChatGPT aber einen besonderen Durchbruch in der öffentlichen Aufmerksamkeit erfahren. Würden Sie sagen, dass wir hier gerade auch sehr viel Hype erleben?
Wir erleben gerade natürlich auch viel Marketing. Aber tatsächlich gibt es bei KI eine unglaublich rasche technologische Entwicklung. Es ist richtig, dass es schon lange Expertensysteme, Datenbanksysteme usw. gab, die viel konnten. Aber jetzt ist mit Generative AI noch einmal ein großer Sprung gelungen. Wir müssen uns in Forschung, Technologie und Industrie massiv damit auseinandersetzen und KI nutzen, um in unterschiedlichen Bereichen tatsächlich vorne mitspielen zu können.
Sie haben unter anderem im Bereich der Quantenverschlüsselung und Batterieforschung eine besondere Expertise. Was sind hier die wichtigsten Entwicklungen, die man in den kommenden Jahren erwarten kann?
Zunächst einmal haben wir die Lithium-Ionen-Batterie – die ist momentan das Arbeitspferd, die Technologie, die hauptsächlich zum Einsatz kommt. Doch das Problem dabei ist, abgesehen davon, dass es natürlich immer Leistungssteigerungen oder anders geben könnte: Wie kommt man von bestimmten Materialien, eben auch von Lithium weg? Da gibt es bereits Alternativen, etwa mit Natrium- oder Magnesiumtechnologien. Dann stellt sich die Frage: Wie können wir diese Batterietechnologien verbessern? Ein zweiter wesentlicher Schritt ist, wie wir Produktionsprozesse von Batterien umweltfreundlicher gestalten können, zum Beispiel ohne Lösungsmittel. Und ein dritter Schritt ist – das könnte dann für Europa auch der Sprung nach vorne sein – eine Entwicklung in Richtung Feststoffbatterien. Hier käme man ohne flüssige Elektrolyte aus und das Feld könnte ganz neu aufgerollt werden. Europa sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
Stichwort Vorreiterrolle: Denken Sie, dass Forschung und Wissenschaft in Österreich mehr öffentliche Bühne brauchen?
Ja. Danke für diese Frage. Wir reden zu wenig über Forschung, müssen viel mehr über Forschung sprechen. Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Um diese Position zu halten, müssen wir unseren Wirtschaftsstandort stärken und entsprechend weiterentwickeln, so wie das die anderen auch tun. Die Konkurrenz ist in Südostasien, in den USA. Es geht um die Frage: Wo werden die großen Wirtschaftsinvestitionen getätigt und wer hat die Technologien, die mit der höchsten Wertschöpfung verkauft werden können? Um hier auf den Stockerlplatz zu kommen, braucht man Forschung und Entwicklung. Und um das stärken zu können, ist es ein ganz wichtiger Punkt, dass nicht nur die Politik mitgeht, sondern auch die Bevölkerung diesen Bereich entsprechend unterstützt.
Wie kann das gelingen?
Wir müssen mehr über Forschung in einer Sprache sprechen, die alle verstehen. Und wir müssen beginnen, Kinder, etwa in Schulen, insbesondere auch Mädchen, insgesamt mehr Menschen für diese Themen zu begeistern. Naturwissenschaften, Technologiefragen und so weiter: Hier muss man den Leuten zeigen, dass das nicht irgendetwas Unverständliches, Hochkompliziertes oder Langweiliges ist, sondern dass man damit die Zukunft mitgestalten kann.
Sehen Sie da auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst in der Pflicht? Im Journalismus macht man z.B. auch immer wieder mal die Erfahrung, dass manche gar nicht so gerne in die mediale Öffentlichkeit, also mit uns reden wollen.
Da braucht es eine beiderseitige Annäherung. Forscher und Forscherinnen sollten Spaß haben, über ihre Arbeit zu sprechen – vor allen Dingen auch in einer barrierefreien Sprache. Das ist das Um und Auf. Umgekehrt sollte seitens Medien sichergestellt sein, dass, wenn man etwas vereinfacht ausdrückt, es trotzdem faktisch richtig ist.
Forschung ist auch eine internationale Angelegenheit. Mit welchen Institutionen pflegt das AIT da einen regelmäßigen Austausch?
Wissenschaft ist international und lebt von Kooperation. Wir stehen, ich nenne nur einige Beispiele, etwa mit der TU München oder der Gustave Eiffel Universität in Paris sowie der Tufts Universität in Boston in regelmäßigem Austausch. Wir kooperieren natürlich auch mit den sogenannten RTOs, also unseren Schwesterorganisationen, den außeruniversitären Research- und Technologieorganisationen in Europa.
Neben Ihnen gibt es noch zwei Managing Directors im AIT. Beides Männer. Sie sind jetzt die erste Frau. Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen auf ihrem Karriereweg anders begegnet wurde als männlichen Kollegen oder gibt es da heute keine Unterschiede mehr?
Der Weg an die Spitze ist für Frauen allgemein noch immer schwieriger als für Männer. Davon darf man sich aber nicht abbringen lassen. Es ist mir ein Anliegen, mehr Frauen ins AIT reinzuholen, insbesondere in Führungspositionen. Wir brauchen das auch, weil wir mehr Arbeitskräfte, Fachkräfte, Spitzenforscherinnen brauchen. Auch die Kultur in einem Unternehmen ist wesentlich offener, innovativer und dem Output zuträglicher, wenn mehr Frauen beschäftigt sind. Persönlich in meiner Position habe ich nicht den Eindruck, dass ich benachteiligt wäre oder man mir anders begegnet. Ich denke, wir sind ein tolles Team, arbeiten mit Shared Leadership und sehr gut zusammen. Da gibt es keine Unterschiede.
Ein kurzer Blick auf die anstehenden neuen Technology Talks Austria. Was darf man sich hier erwarten?
Die große, aktuelle Frage weltweit ist, wie wir als Menschheit die Herausforderung, dem Klimawandel zu begegnen, bewältigen. Außerdem geht es um die Frage, wie gelingt die digitale Transformation und wie nutzen wir sie positiv für die Menschen? Und die dritte Komponente: Wie schaffen wir diese großen Herausforderungen auch menschengerecht und sozial? Damit beschäftigen wir uns bei den Technologiegesprächen mit über 80 international anerkannten Top-Experten und -Expertinnen.
Wenn Sie ein paar Jahre in die Zukunft schauen, was würden Sie als persönlichen Erfolg in Ihrer jetzigen Rolle verbuchen?
Dass der Impact des AIT in Wirtschaft und Gesellschaft noch spürbarer ist und dass wir alle mehr über Forschung sprechen.
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