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Wie das Internet der Dinge Landwirtschaft, Industrie und Städte verändert

Pepper ist ein humanoider Roboter, der seine Gäste in Shops, auf Veranstaltungen oder in Hotels mit freundlichen Worten begrüßt, ihnen zuwinkt oder sogar Gespräche mit ihnen führt. Der Roboter selbst mag High-Tech sein – doch es ist vergleichsweise einfach, ihm ein entsprechendes Verhalten anzutrainieren, wie Bernhard Löwenstein, Inhaber von Lion Enterprise, im Rahmen des 2. IoT-Fachkongress von Austrian Standards in Wien zeigt. Der Entwickler nutzt dabei eine PC-Software, in der er die Befehle zur Pepper-Steuerung via Drag&Drop positioniert. Die Dialoge werden in einen Texteditor eingegeben, die Konversation mit dem menschlichen Gegenüber wird über Speech-to-Text- und Text-to-Speech-Konverter ermöglicht. „Dabei ist es besser, wenn der Roboter Gegenfragen stellt und so die Diskussion in die Hand nimmt“, sagt Löwenstein: Denn freie Dialoge können sich zum Albtraum entwickeln, wenn Pepper nicht wie erwartet auf die menschlichen Inputs reagiert.

Pepper ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie immer mehr Dinge mit dem Web verbunden sind und Informationen miteinander austauschen. Laut Franz Fidler, Studiengangsleiter für Digitale Medientechnologien und Smart Engineering an der Fachhochschule St. Pölten, wird es im Jahr 2020 über 50 Milliarden vernetzte Geräte geben. „Schon jetzt gibt es weltweit fünf Mal mehr IoT-Devices als Menschen“, sagt der Experte. Treibend dafür soll auch der neue Mobilfunkstandard 5G sein – dieser ist laut Matthias Baldermann, CTO von Hutchison Drei Austria, ab 2020 in österreichischen Ballungszentren verfügbar.

Dass diese und andere moderne Technologien die Geschäftswelt in immer rasanterem Tempo verändern, beobachtet unter anderem Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich: Laut dem aktuellen Digitalisierungsindex der EU liege Österreich am Ende der Top 10 – das ist per se nicht schlecht, aber es gibt noch Luft nach oben. Unter anderem sieht er Möglichkeiten bei Industrie 4.0 – also dem IoT der produzierenden Wirtschaft, bei dem Produktionsanlagen miteinander vernetzt sind.

Smarte Städte und Farmen

Derart smartes Unternehmertum wird aber auch in der Landwirtschaft praktiziert. Laut Gabriela Hinterberger vom Maschinenring Österreich ernährte im Jahr 1950 ein Landwirt vier Menschen und bewirtschaftete im Durchschnitt 18,8 Hektar – im Jahr 2017 ernähren die österreichischen Landwirte durchschnittlich 77 Menschen und bewirtschafteten 45,7 Hektar. Diese Steigerung ist nur durch die entsprechende Vernetzung der Maschinen möglich. Im Rahmen von „Precision Farming“ erfassen Traktoren bei jedem Arbeitsschritt Unmengen an Daten und können somit ein Feld mit einer Abweichung von nur 2,5 Zentimetern bearbeiten, bei der Tierhaltung übernehmen Roboter die Fütterung, die Stallreinigung und das Melken. Das österreichische Start-up Smartbow ermöglicht über eine smarte Ohrmarke für Kühe die Überwachung ihrer Gesundheit und die Ortung der Tiere in Echtzeit. In Zukunft könnten auch Traktoren den Weg auf die Felder finden, die gänzlich autonom agieren. „Smart Farming hat das Potenzial, im kommenden Jahrzehnt eine Milliarde mehr Menschen mit Nahrung zu versorgen“, sagt Hinterberger.

In der Stadt wiederum wird das Internet der Dinge ganz anders eingesetzt. So soll im Jahr 2025 die neue Ubahn-Linie U5 eröffnet werden, deren Züge autonom fahren werden. Und in Simmering zeigt ein Smart City-Projekt, wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte. Hier gibt es unter anderem E-Carsharing für die Bewohner, eine Schule mit Null-Energie-Turnsälen und die Möglichkeit, E-Bikes zu mieten. Projektleiterin Julia Giradi-Hoog berichtet in ihren Talk von den Lerneffekten im Rahmen des Projekts: Unter anderem musste den Bürgern in mehreren Informationsveranstaltungen vermittelt werden, dass die E-Autos in der Garage ihnen zur Verfügung stehen. „Die Bewohner glaubten lange, dass fremde Menschen ihre E-autos in ihrer Garage parken“, sagt sie: Die Skepsis der Menschen sei generell recht groß.

Weitere Anwendungsbereiche sieht Felix Piazolo, Senior Researcher am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck, auch speziell für Senioren. In einer Studie testeten die Forscher, wie 73 Testpersonen auf moderne Technologien reagieren, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – zum Beispiel Fotos von Verwandten, die mit einem NFC-Chip ausgestattet sind: Ein Handy wählt automatisch die Nummer des Verwandten, wenn der Pensionist das Gerät an das Foto hält. Die Reaktionen auf die Lösungen waren meist positiv, sagt Piazolo: Nun werden weitere Studien mit mehr Teilnehmern durchgeführt.

Standards als Basis

Allerdings ist nicht nur die technologische Entwicklung, sondern auch die Schaffung entsprechender Normen wichtig, wie Kopf ausführt: „Gerade für die Industrie 4.0 ist es unerlässlich, eine gemeinsame Sprache zu finden und beteiligten Unternehmen einzubinden“, sagt er: Von einheitlichen Standards würden alle Beteiligten profitieren.

Ähnliche Anforderungen gibt es auch in der Landwirtschaft, wie Hinterberger ausführt: Derzeit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Farmmanagement-Systemen, die Daten sind derzeit noch vielfach herstellergebunden und landen auf deren Servern, wo sie von den Landwirten nicht genutzt werden. Die EU-Datenschutzgrundverordnung schränkt die Nutzung dieser Daten durch die Hersteller selbst ohne Freigabe mittlerweile aber stark ein.

Maschinen als Sicherheitsrisiko

Ein weiteres Hindernis für den Siegeszug der IoT-Technologien ist das Thema Sicherheit, wie Derk Fischer, Partner im Bereich „Cyber Security & Privacy“ bei PwC, an einem plastischen Beispiel schildert. Eine Keksfabrik in den USA sorgte sich, dass ihr Rezept geleaked wird und richtete alle Security-Bemühungen auf die Absicherung des Rezepts aus. Ein paar Wochen später wurde die Fabrik tatsächlich attackiert – allerdings wurde nicht das Rezept gestohlen, sondern die Maschinen standen still und der Teig wurde steinhart. Es entstand ein Totalschaden. „Dieses Risiko hatten sie gar nicht auf dem Radar“, sagt Fischer: Das Management muss Verantwortlichkeiten klar definieren, Tests müssen signifikante Risiken und Schwachstellen ermitteln.

Ein weiteres spezifisches IoT-Sicherheitsrisiko schildert Christian Sageder, Produktmanager bei ÖWD Security Systems: Drohnen. „Eine Drohne für 300 Euro kann bereits die Sicherheitsindustrie herausfordern“, sagt er. So infiltrierten Drohnen etwa die Auftritte von Politikern, können heikle Waren transportieren und spionierten bereits auf Firmengeländen und FKK-Stränden.  „Ohne Detektion keine Erkennung, ohne Erkennung keine Maßnahmen“, lautet dazu Sageders Credo. Die Sicherheitsexperten können mittlerweile durch die Analyse von Funkfrequenz, Video und Akustik automatisch eine Drohne von einem Flugzeug oder einem Vogel unterscheiden – und laut Sageder auch den Standort des Drohnenpiloten ausfindig machen. Anschließend ist es möglich, zum Beispiel mit einem EMP die Protokolle der Drohne zu stören, so dass diese abstürzt.

Offene Fragen im Datenschutz

Obwohl die verbundenen Geräte große Datenmengen kreieren, sorgt das Thema in punkto DSGVO noch nicht für viel Aufsehen, wie Georg Lechner von der Österreichischen Datenschutzbehörde schildert: Bisher gebe es zwar Beschwerden gegen internationale Konzerne, kaum aber gegen Hersteller von IoT-Lösungen. Auch hier sei es aber für Hersteller unter anderem sinnvoll, gegenüber dem User transparent zu kommunizieren und nach Möglichkeit „Datenminimierung“ zu betreiben – also so wenig Daten wie möglich zu speichern.

Dass manche Geräte verpflichtend Daten an die Server der Hersteller übertragen, weil sie ansonsten nicht funktionieren würden, ist zulässig, sofern der User zuvor angemessen darüber informiert wurden. Auch gibt es in anderen Gesetzen Vorgaben zum Umgang mit IoT- Geräten – zum Beispiel die Nutzung von Überwachungskameras am Arbeitsplatz. In vielen Punkten ist die Diskussion rund um die rechtliche Behandlung von IoT-Geräten aber noch am Anfang, wie Ziga Skorjanc, Universitätsassistent am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien, sagt: „Es gibt derzeit viele Vorschläge, aber wenig Lösungen.“

Es geht um Menschen

Dass aber schließlich auch nicht jedem Hype gefolgt werden muss, zeigt Reinhard Lanner, Chief Digital Officer der Österreich Werbung, in seinem Talk. Seine Branche wurde durch booking.com aufgemischt, wo Tausende Mitarbeiter sich mit Datenanalyse und der Optimierung der Customer Journey beschäftigen. Und damit ist noch lange nicht Schluss: Ein Unternehmen namens Travelmate Robotics verkauft selbstfahrende Koffer, die Google-Tochter Touring Bird stellt dem User online Städtetrips zusammen und Perfect Price hilft Reiseunternehmen, auf dynamische Preisänderungen zu reagieren. Die Österreich Werbung selbst nimmt an einem Pilotprojekt teil, das Online-Werbung basierend auf Blockchain-Technologie testet.

„Tourismus ist aber immer ein People-Business“, sagt Lanner: Der Erfolg basiere auf der direkten Interaktion des Anbieters mit dem Kunden. Dementsprechend wird auch jede noch so smarte Technologie den Koch in der Küche nicht ersetzen – sondern ihn unterstützen, damit er sich den spannenderen Aufgaben widmen kann.

Disclaimer: Die futurezone ist Medienpartner der Veranstaltung.

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Stefan Mey

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