China: Wer sich schlecht verhält, darf nicht mehr reisen
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Hin und wieder hat es den Anschein, die Realität überholt Science-Fiction in Rekordzeit. So wird in China derzeit an einem System gearbeitet, das einer „Black Mirror“-Folge entsprungen scheint. Basierend auf Offline- und Online-Verhalten der Bürger werden diese mit einer Zahl bewertet. Bislang wurde dieses „Social Credit“-Verfahren nur erprobt, ab 1. Mai drohen nun erstmals schwere Strafen. Bürger mit besonders niedrigen Bewertungen dürfen künftig nicht mehr per Zug oder Flugzeug reisen, kündigte die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform an. Diese Strafen können bis zu ein Jahr lang aufrecht bleiben.
Als Verstöße gelten bereits Kleinigkeiten, beispielsweise wenn man im Zug geraucht, abgelaufene Tickets wiederverwendet oder „Ärger im Flugzeug“ bereitet habe. Um welchen Ärger es sich genau handelt, wird nicht beschrieben. Auch das Verbreiten von falschen Informationen über Terrorismus führt zu einem Reiseverbot. Zudem werden Verstöße im Zusammenhang mit Geld geahndet, beispielsweise wenn Arbeitgeber die Sozialversicherung nicht bezahlen oder Geldstrafen nicht beglichen wurden.
Bereits länger in Betrieb
Obwohl das System laut den chinesischen Behörden erst ab 1. Mai in Kraft tritt, könnte es bereits seit 2016 im Einsatz sein. Darauf weist unter anderem eine Aussage des Obersten Volksgerichtshofes hin, wonach bereits 2017 6,15 Millionen Chinesen wegen „sozialer Verstöße“ keine Flugzeuge nutzen dürfen. Und auch die NGO Human Rights Watch hat ähnliche Fälle dokumentiert. Beispielsweise durfte ein chinesischer Anwalt kein Zugticket mehr kaufen, weil er eine ein Jahr alte gerichtliche Vorladung versäumt hatte.
Er hatte einen Mann verteidigt, der der Vergewaltigung beschuldigt wurde. Nachdem er der Familie des Beschuldigten gerichtliche Dokumente übergab, veröffentlichten sie diese online. Der Anwalt wurde daraufhin wegen Verleumdung verklagt und musste eine Entschuldigung an seinen Klienten abgeben. Eigentlich wäre damit alles erledigt gewesen, doch das Gericht sah seine Entschuldigung als „unehrlich“ an, weil er sie am 1. April abgab. Die dazugehörige Vorladung übersah er, weswegen er vorübergehend auf der schwarzen Liste landete.
Vergleich mit "1984"
China will das System weiter ausbauen und 2020 auf alle Einwohner ausrollen. Die lückenlose Überwachung ist ein Eckpfeiler der Amtszeit von Präsident Xi Jinping, der kürzlich „auf Lebenszeit“ in sein Amt gewählt wurde. Möglich wurde das durch eine Änderung der chinesischen Verfassung. Das System wurde bereits mit George Orwells „1984“ verglichen und soll eine „neue Form des Totalitarismus“ ermöglichen. Die chinesische Polizei testet zudem seit kurzer Zeit auch Datenbrillen mit Gesichtserkennung, die automatisch Personen und Fahrzeuge auf „schwarzen Listen“ ausfindig machen sollen.
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