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Ein Maßanzug für die Hundeschnauze

Wer in Wien mit seinem Hund unterwegs ist, sollte Maulkorb und Leine nicht vergessen. Denn seit Mitte Februar gilt ein neues Tierhaltegesetz, das rigorose Strafen vorsieht. Sogenannte Listenhunde dürfen nur mehr mit Maulkorb und Leine in die Öffentlichkeit, bei allen anderen Hunderassen muss zumindest einer der beiden Gegenstände vorhanden sein. Andernfalls drohen pro Verstoß bis zu 500 Euro Strafe. Eine Maßnahme, die sowohl von Tierschützern als auch Hundehaltern scharf kritisiert wird. Nun führt für viele Hundehalter an einem Maulkorb kein Weg mehr vorbei.

„Man glaubt kaum, wie schwierig es sein kann, einen passenden Maulkorb zu finden“, sagt Werner Leitmüller, Besitzer eines englischen Windhundes und Experte für 3D-Druck. Ein 3D-Drucker ist eine Maschine, die Bauteile durch das schichtweise Auftragen von Material produziert. „Eine Freundin hatte über Facebook angefragt, ob man einen Maulkorb mit dem 3D-Drucker herstellen kann. Ich habe am Anfang nicht verstanden, was daran eine Herausforderung sein soll.“

Nach weiteren Gesprächen mit mehreren Hundebesitzern erkannte er aber rasch das Problem: Jeder Hundekopf ist individuell. Leitmüller begann daraufhin gemeinsam mit Christoph Schimmel vom Institut für Polymer Product Engineering der Johannes Kepler Universität Linz eine Software zu entwickeln. „Wir haben hunderte Hunderassen ausgemessen, deren Köpfe eingescannt und nach Parallelen zwischen den Hunderassen gesucht“, erklärt Leitmüller. Zudem habe man sich auch von Tierärzten und Hundeexperten beraten lassen. Das Ergebnis ist LiMuzz, kurz für „Light Muzzle“ (leichter Maulkorb).

Dahinter steht eine Software, die den Maulkorb individuell an die Kopfform des Hundes anpasst. Dazu muss der Hundehalter lediglich drei Maße aufnehmen und in den Online-Konfigurator eingeben. Das von der Software erstellte 3D-Modell wird dann an einen 3D-Drucker geschickt, der den personalisierten Maulkorb produziert. Damit ist das von der Forschungsfördergesellschaft (FFG) unterstützte Start-up ein Vorreiter im Bereich der personalisierten Produktion.

Im Vorjahr sorgten beispielsweise Adidas und Nike mit Schuhen aus dem 3D-Drucker für Aufsehen. Während Adidas beispielsweise die 3D-gedruckte Mittelsohle individuell an den Fuß anpasst, setzt Nike auf Obermaterial aus dem 3D-Drucker. Auch die Konkurrenz, wie Reebok und Asics, forscht in diesem Bereich. Der Traum aller Hersteller: Der Kunde muss nur mehr in die Filiale spazieren, kurz auf einem Laufband gehen und der personalisierte Schuh wird währenddessen vor seinen Augen produziert. Auch für andere Produkte, beispielsweise Hörgeräte und Zahnspangen, kommt ebenfalls 3D-Druck zur Personalisierung zum Einsatz.

Das Ende der Massenproduktion dürfte aber trotzdem noch etwas auf sich warten lassen. Die Verkaufszahlen von LiMuzz sind mit knapp 350 Stück vorerst überschaubar, auch da man bisher ausschließlich online verfügbar war und kaum die Werbetrommel rührte. Das soll sich jedoch nun ändern. Künftig werde man auch in vielen Fachgeschäften für Hunde vertreten sein. Vor großen Einzelhandelsketten schreckt man noch zurück: „Unser Produkt erfordert relativ viel Beratung.“ Dennoch gibt 3D-Druck auch kleinen Unternehmen wie LiMuzz die Möglichkeit, mit geringem Risiko einzusteigen und rasch zu skalieren.

LiMuzz besitzt selbst keine 3D-Drucker, sondern beauftragt einen lokalen Zulieferer mit der Produktion. Dabei setzt man auf sogenanntes selektives Lasersintern (SLS). Dabei wird pulverförmiges Material in die Maschine gefüllt. Ein leistungsstarker Laserstrahl verdichtet das Material Schicht für Schicht, sodass schlussendlich ein Bauteil daraus entsteht. Derartige Profi-Maschinen kosten weit mehr als 500.000 Euro und bieten eine deutlich bessere Qualität als Einsteiger-Modelle, die bereits ab 100 Euro erhältlich sind.

Das für diese Modelle gängige Schmelzschichten-Verfahren (Fused Deposition Modeling, FDM) sei keine Alternative. Dabei wird ein Kunststoffdraht, sogenanntes Filament, in einer Düse erhitzt und als dünner Faden auf einer beweglichen Baufläche aufgetragen. „Wir hätten zu viel Aufwand, weil man bei diesem Verfahren immer Unterstützungsmaterial mitdrucken muss, das wir dann mühsam entfernen müssten.“ Um komplexe Bauteile zu drucken, die beispielsweise über hervorstehende Elemente verfügen, benötigt man beim FDM-Druck derartige Stützstrukturen.

Als Material setzt man auf Thermoplastisches Polyurethan (TPU), einen besonders elastischen und zugleich widerstandsfähigen Kunststoff. „Das Material ist vergleichbar mit einem Kauknochen für den Hund. Es ist zugleich aber flexibel genug, dass man es zusammenknüllen und einstecken kann.“

Statt dem fertigen Produkt das personalisierte 3D-Modell zu verkaufen, das der Kunde zuhause drucken kann, sei nicht geplant. „Wir könnten dann nicht kontrollieren, was der Kunde mit der Datei macht“, so Leitmüller. Bislang gab es dazu auch noch keine Anfragen. Man denke aber über ein Lizenzmodell nach, bei dem man die Software Drittanbietern bereitstelle, die den Maulkorb lokal produzieren und verkaufen könnten. Um eine derartige Lösung umsetzen zu können, mangle es aber noch an der Infrastruktur. „Es bräuchte mehr Dienstleister, die 3D-Druck zu vernünftigen Preis und Qualität anbieten könnten“, kritisiert Leitmüller.

 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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