David Gezzele, Erste Bank

David Gezzele, Erste Bank

© Erste Bank

Digital Life

Erste Bank trainiert mit Virtual Reality für heikle Situationen

Der erste Hype um Virtual Reality ist vorbei. Die Zahl der professionellen Anwendungen steigt aber weiterhin, besonders im Unternehmensumfeld. Das niederländische Start-up Warp VR etwa hat sich auf die Schulung von Beschäftigten mittels VR-Szenarien spezialisiert. Über immersive Handlungsstränge kann die Belegschaft einer Firma im Umgang mit der eigenen Kundschaft geschult werden oder auch lernen, welche Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Notfall am Arbeitsplatz eingeleitet werden müssen.

Auch die Erste Bank setzt die Technologie seit kurzem in Trainingsprogrammen ein. Der Fokus liegt dabei auf den Filialen. Die Beschäftigten können mittels VR-Brille diverse Szenarien durchspielen, wie man in schwierigen Situationen deeskalieren kann oder auch bei Bedrohungsszenarien richtig reagiert. Ein weiteres Szenario sieht die sichere Benutzung der bankeigenen Safes und andere bargeldrelevante Tätigkeiten vor.

Erste Bank schult Belegschaft mit VR-Brillen

„Durch die VR-Brille und die 360-Grad-Ansicht taucht man viel leichter in ein Szenario ein, das im Vergleich zu Lernvideos oder Rollenspielen zudem deutlich realistischer wirkt“, erklärt David Gezzele, Head of Learning&Development bei der Erste Bank, im futurezone-Gespräch. Gerade wenn es um Eskalationen und echte Bedrohungssituationen gehe, sei dies in herkömmlichen Workshops mit den eigenen Kolleg*innen nur schwer simulierbar.

Das Feedback aus der Pilotphase habe gezeigt, dass das Durchspielen solcher Szenarien in der VR-Umgebung einen deutlichen Mehrwert biete. „Die emotionale Beteiligung ist wesentlich höher. Jede Entscheidung, die ich im VR-Szenario treffe, hat Auswirkungen auf den weiteren Handlungsstrang. In diesem Sinne gibt es keinen starren linearen Ablauf wie in einem Schulungsvideo. Und es gibt auch keinen richtigen oder falschen Weg, sondern bessere und schlechtere Reaktionen, wie man auf eine Situation reagiert“, sagt Gezzele.

Erstellt wird das Trainingsszenario von den Schulungsverantwortlichen der Erste Bank gemeinsam mit Warp VR. Ist das Szenario einmal definiert, wird die Storyline mit den verschiedenen Optionen festgelegt und dann mittels 360-Grad-Kamera gefilmt. Neben Schauspieler*innen wirken auch Erste-Bank-Beschäftigte bei der Produktion mit. Damit alles möglichst realistisch aussieht, wird in Räumlichkeiten der Bank – etwa in einer Filiale oder am Erste Campus in Wien – gedreht.

Smartphone vs Oculus als VR-Lösung

Experimentiert wurde in der fast zwei Jahre dauernden Testphase sowohl mit teureren VR-Brillen wie der Oculus Go und Quest sowie einfacheren Lösungen, bei denen das eigene Smartphone als Bildschirm des Headsets fungiert. Aufgrund des Kostenfaktors aber auch wegen Sicherheitsbedenken – jede Oculus muss aufwändig ins Firmennetzwerk der Bank integriert werden – werde künftig die niederschwelligere Lösung mit den Smartphone-basierten Headsets zum Einsatz kommen.

Nach der bereits abgeschlossenen Testphase, in der das Feedback von etwa 100 Mitarbeiter*innen gesammelt wurde, sollen die VR-Trainings nun auf alle 1200 in den Filialen Beschäftigte ausgeweitet werden. In einem weiteren Schritt könnte die Schulungsmethode auch von den 16.000 Angestellten in den Sparkassen-Filialen genutzt werden. Auch die Verwendung in anderen Erste-Group-Ländern biete sich an, erklärt Gezzele.

Auch für Erste-Hilfe-Schulung einsetzbar

Neben den bereits erwähnten Sicherheitsthemen in der Filiale will die Erste Bank künftig auch das Erste-Hilfe-Szenario in der VR-Umgebung umsetzen. Ebenfalls vorstellbar seien gezielte Schulungen, um physische Phishing- und Malwareattacken an der IT-Infrastruktur zu verhindern. Kein Thema für Virtual Reality ist laut Gezzele hingegen, klassische Beratungsgespräche in Filialen zu simulieren.

„Es mag zwar verlockend klingen, tatsächlich stößt man da bei der Komplexität aber sehr schnell an Grenzen. In der Praxis nimmt so ein Gespräch so viele individuelle Wendungen, da läuft man mit vorproduzierten Szenarien unweigerlich Gefahr, dass es steif und künstlich aufgesetzt wirkt. VR funktioniert besser, wenn das Szenario ganz klar definiert und in 2 bis 3 Minuten durchgespielt werden kann“, sagt der Schulungsverantwortliche der Erste Bank.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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