Erste Bank: „Apple interessiert das Cent-Geschäft nicht“
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Die Bargeldnutzung nimmt seit Jahren ab. Bereits 2019 wurde laut der Europäischen Zentralbank (EZB) mehr als die Hälfte aller europäischen Zahlungen bargeldlos abgewickelt. Neben dem Boom von Kartenanbietern wie Visa und Mastercard sorgen Anbieter wie PayPal, aber auch große Techkonzerne wie Apple, Google, Amazon und Alibaba dafür, dass digitale Bezahlmöglichkeiten das Hantieren mit Scheinen und Münzen langsam aber sicher ablösen.
Traditionelle Banken bringt die Marktdominanz der Techkonzerne in die Bredouille. Die Entwicklung europäischer Zahlungsstandards, wie die noch immer nicht lückenlos in Europa umgesetzte Echtzeit-Überweisung, suggeriert mehr Freiheit für eigene Lösungen. Gleichzeitig laufen sie Gefahr, durch langwierige Standardisierungprozesse auf europäischer Ebene den Wettlauf mit den schneller agierenden Technologiefirmen und damit die Schnittstelle zu ihren Kunden zu verlieren.
Am iPhone kommt niemand vorbei
„Natürlich kann man in seinem Geschäft nur Schuhe der Eigenmarke anbieten. Viele Kunden wollen aber trotzdem einen Nike-Schuh. Und so ist es auch mit den Lösungen von Apple und anderen Techfirmen“, sagte Ertan Piskin, Leiter des Kartengeschäfts bei Erste Bank und Sparkassen, auf dem virtuell abgehaltenen Payment Festival. Dazu komme, dass man an den Endgeräten von Apple, Samsung und Google, über die viele Zahlungen abgewickelt werden, heute als Bank einfach nicht mehr vorbei komme.
Das sei zwar einerseits problematisch, weil man von davon abhängig sei, ob die Techfirmen eigene Services wie Apps auf ihren Endgeräten oder Plattformen zulassen. Gleichzeitig biete das auch ein enormes Potenzial, wie der Erfolg der eigenen Banking-Plattform George zeige. „Wir haben - nicht zuletzt durch die App für iOS und Android - 1,8 Millionen User, die George im Schnitt bis zu vier Mal am Tag nutzen. Das hilft uns enorm, unsere Kundenschnittstelle zu halten“, erklärt Piskin.
Amazon als Warnung
Holger Neuhaus von der EZB wies auf die Gefahr hin, dass die Technologiekonzerne derzeit zwar mit Banken und Finanzdienstleister bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs kooperieren, ihnen am Ende aber auch dieses Geschäft streitig machen könnten. „Amazon hat das beim Paketversand bereits vorgemacht. Zunächst haben sie auf etablierte Partner zurückgegriffen, nun liefern sie ihre Pakete großteils einfach selber aus“, sagte Neuhaus. Er drängt nicht zuletzt deshalb auf europäische Lösungen beim Zahlungsverkehr, die den Anforderungen der digitalen Gesellschaft gerecht werden können.
Die Angst, dass Apple und Co den Banken das ohnehin wenig lukrative Geschäft des Zahlungsverkehrs streitig machen will, hegt man bei der Erste Bank, aber auch anderen Marktteilnehmern, nicht. „Apple interessiert das Cent-Geschäft nicht. Denn das sind die Erträge, um die es bei Überweisungen geht. Es ist auch schwer vorstellbar, dass Apple ein Call Center mit 250 Mitarbeiter abstellt, um in einem Land oder einer Region alle damit verbundenen Probleme zu bewerkstelligen“, sagt Piskin.
"Mut zur Veränderung"
Auch Bluecode-CEO Christian Pirkner sieht das ähnlich. Apple gehe es nicht um die Prozesse, die dahinter stattfinden, sondern darum, ob sie das User Interface und somit das Gesicht für Transaktionen und Bezahlvorgänge seien. „Und darauf setzt dann die Wertschöpfung auf“, ist Pirkner überzeugt. Auch Christian Renk von Six Payment Services glaubt nicht, dass es im Zahlungsverkehr viel für Techkonzerne zu holen gibt. „Alles, was der Kunde bezahlt, landet am Ende immer bei der Bank. Das ist eine große Chance für die europäischen Banken, die aber nicht verschlafen werden darf“, sagte Renk.
Für Max Jürschick, Mitbegründer des Payment Festivals, wird in Europa generell zu viel geredet und zu wenig bzw. zu langsam umgesetzt. Dass mittlerweile praktisch alle Smartphones und Endgeräte von US- oder asiatischen Herstellern stammen, spreche für sich: „Mir fehlt auch der Mut zur Veränderung. Wenn Apple sagt, es braucht keine Klinkenstecker mehr, geben sie Konsumenten die Norm vor. Und vier Jahre später rennen alle mit Drahtloskopfhörer herum und können es sich anders gar nicht mehr vorstellen. Unsere Branche hält hingegen noch an Schecks fest, um ein Beispiel zu nennen.“
Gesamtsicht auf Kunden
Mehr Geschwindigkeit wünscht sich auch Piskin von der Erste Bank: „Natürlich muss eine Überweisung in Echtzeit gehen und wünschen wir uns europäische Lösungen. Es sollte aber nicht so sein, dass wir jahrelang auf die Umsetzung von Standards warten, um am Ende dann etwa mit einem asiatischen Anbieter konfrontiert zu sein, der in der Zwischenzeit seine Lösung bereitgestellt hat.“
In der ganzen Diskussion um den Zahlungsverkehr und die zukünftige Rolle von Banken und Techfirmen kommt für Piskin zudem die Gesamtsicht auf den Kunden zu kurz: „Beim ersten Lockdown hatten wir im Donauzentrum 200 Meter Schlange vor unserer Filiale. Die Beziehung zum Kunden ist ja nicht auf Kontozahlungen beschränkt. Da spielen auch andere Themen wie Zukunftsvorsorge oder finanzielle Sicherheiten für Unternehmen mit rein. Und genau deshalb haben wir keine Angst vor den großen Techfirmen.“
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen. Die redaktionelle Verantwortung obliegt der futurezone-Redaktion.
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