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Vorsicht bei FinanzOnline: Assistent kann Bürger hunderte Euro kosten

Es ist wieder die Zeit, in der Menschen ihre Arbeitnehmerveranlagung machen. Der Steuerausgleich lässt sich relativ bequem über FinanzOnline erledigen. Noch bequemer wird es mit dem Assistenten, der dort zur Verfügung steht. Wer dem allerdings blind vertraut, verliert womöglich Geld.

Den Assistenten gibt es seit 2020. „Das Design führt intuitiv durch die Arbeitnehmerveranlagung, der neue Steuerassistent leitet mit Hilfe von Fragen durch jene Bereiche des Steuerausgleichs, die für die Anwenderin bzw. den Anwender auch tatsächlich relevant sind“, versprach das Finanzamt bei der Einführung.

Nur 123 Euro statt 635 Euro Rückzahlung

Eine futurezone-Leserin hat bisher ihren Steuerausgleich regulär gemacht. 2022 hat sie erstmals den Assistenten genutzt. Nach ein paar Fragen kam ein Guthaben von 123 Euro heraus – gut 500 Euro weniger als im Vorjahr. Füllt sie das Formular hingegen regulär aus, also ohne Assistenten, beträgt das Guthaben 635 Euro. Die futurezone hat diese Angaben in FinanzOnline überprüft und kam zum selben Ergebnis: Der Assistent kostet über 500 Euro Steuerrückzahlung.

Das liegt daran, dass der Assistent „dumm“ ist und nicht die Bereiche des Steuerausgleichs abdeckt, „die für Anwenderinnen auch tatsächlich relevant sind.“ So gibt es etwa mehrere Fragen zu „Pendlerpauschale/-euro, Werbungskosten“. Was hier nicht gefragt wird, sind etwa die Ausgaben für „Fachliteratur“ – obwohl die futurezone-Leserin solche im Jahr 2021 hatte. Ein kluger Assistent würde die Frage danach wohl stellen, wenn es schon Ausgaben dafür im Vorjahr gegeben hat. Die Daten sind jedenfalls vorhanden. Denn nutzt man das reguläre Formular ohne Assistenten, wird unter dem entsprechenden Eingabefeld der für 2021 ausgefüllte Wert angezeigt.

Selbst, wer seit Jahren in einem Betrieb mit Betriebsrat arbeitet und entsprechend zuvor die Betriebsratsumlage angegeben hat, bekommt vom Assistenten nicht das entsprechende Feld angezeigt

Assistent ignoriert Krankheit, trotz Eingabe der Behinderung

Dasselbe passiert mit der Betriebsratsumlage. 2021 ausgefüllt, trotzdem vom Assistenten nicht abgefragt. Weiter geht es bei den „Außergewöhnlichen Belastungen bei Behinderungen“. Die futurezone-Leserin hat Diabetes – und das nicht erst seit 2022. Deshalb hat sie einen festgestellten Grad der Behinderung mit 40 Prozent, was üblich für Typ-1-Diabetes ist. Der Assistent fragt zuerst, ob es eine Belastung gibt und danach nach dem Wert der Behinderung. Danach kommt aber keine Folgefrage für den „pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung“, der Patient*innen von Diabetes, Zöliakie, Leber-, Magen-, Nierenkrankheit und anderen Krankheiten zusteht. Auch hier hat die Leserin in den Jahren zuvor diese Angabe korrekt gemacht – die der Assistent aber trotzdem nicht als „tatsächlich relevant“ betrachtet.

Der Assistent fragt zwar nach dem Grad der Behinderung, lässt es danach aber gut sein. Der Freibetrag für Diätverpflegung wird nicht abgefragt, selbst wenn die User*innen diesen in den Jahren davor in Anspruch genommen hat

Assistent ist nicht personalisiert

Der Assistent hat das wesentliche Problem, dass er nicht personalisiert ist. Er spult für alle Anwender*innen dasselbe Programm ab und greift nicht auf Informationen aus dem Vorjahr zu. Das Versprechen des Finanzamts, dass der Assistent „für die Anwender*in tatsächlich relevante Bereiche des Steuerausgleichs“ abfragt, wird nicht gehalten. Es sei denn es ist für Anwender*innen nicht relevant, ob man 100 oder 600 Euro Steuerrückzahlung bekommt.

Man sollte den Assistenten also nur mit Vorsicht genießen. Nachdem alle Eingaben gemacht wurden, kann man die Arbeitnehmerveranlagung nochmal ansehen und oben auf „Alle Eingabefelder anzeigen“ anklicken. Das sollte man unbedingt machen, unabhängig davon, ob man Diabetes hat oder kerngesund ist. Die Fragen, die der Assistent nicht gestellt hat, werden ausgegraut angezeigt. Hier bekommt man dann auch angezeigt, was im Vorjahr angegeben wurde. Alternativ nutzt man gleich das Assistenz-lose Online-Formular.

Klickt man im Entwurf der Arbeitnehmerveranlagung auf "Alle Eingabefelder anzeigen", wird ausgegraut angezeigt, was der Assistent ignoriert hat. Ebenfalls zu sehen sind die Angaben, die im Vorjahr gemacht wurden

Hat man bereits den Assistenten genutzt und jetzt gemerkt, dass man vergessen hat Ansprüche geltend zu machen, kann man Beschwerde einlegen. Das ist innerhalb eines Monats nach Erhalt des Einkommenssteuerbescheids möglich. Einen Musterbrief dafür findet man auf der Website der Arbeiterkammer.

Stellungnahme des Finanzamts

Die futurezone hat das Finanzamt um eine Stellungnahme gegeben. In der schriftlichen Beantwortung heißt es: "Das Ziel des Assistenten war und ist es, mind. 80 % aller Steuererklärungen mit einfachen Fragen abdecken zu können. Dazu wurden neben Analyse der genutzten Funktionen und Kennzahlen auch die betroffene Zielgruppe, nämlich die Bürger/innen mit nicht selbständigen Einkünften in verschiedenen Formen mit eingebunden. Die komplette Steuererklärung über einen Assistenten abzubilden, hätte für die Masse der Bürger/innen die Arbeitnehmerveranlagung deutlich verkompliziert."

Die Frage, warum es keinen deutlichen Disclaimer bzw. eine Warnung bei der Nutzung des Assistenten gibt, wurde nicht deutlich beantwortet. Stattdessen verweist man auf das YouTube-Video, das beim Start des Assistenten auf der FinanzOnline-Website eingebunden ist:

Auf die Frage: "Wieso nutzt der Assistent nicht Eingaben aus dem Vorjahr, um entsprechend konkreter nachzufragen?", wurde geantwortet: "Eine automatische Übernahme aller Daten ist weder sinnvoll noch zulässig, da damit unter Umständen für das aktuelle Veranlagungsjahr nicht mehr gültige Daten übernommen werden würden."

Zumindest ist Besserung in Sicht: "Selbstverständlich wird der Assistent jedes Jahr neuerlich gemeinsam mit Stakeholdern evaluiert und verbessert. Mitwirken kann man dabei über die Crowdsourcing-Plattform e3lab.at. Für die nächsten Jahre soll der Assistent noch einmal weiterentwickelt werden, da sich neben inhaltlichen Änderungen auch neue technische Möglichkeiten ergeben."

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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