Mysteriöse GPS-Attacken: Passagierjets vom Kurs abgekommen
Es ist der Horror einer jeden Cockpit-Crew: Man befindet sich im Reiseflug, der Autopilot ist am Steuer, alles scheint gut. Doch dann kommt den Pilot*innen vor, irgendetwas stimmt mit dem Kurs des Flugzeuges nicht.
Ein genauer Blick auf die Instrumente und ein Abgleich mit der ursprünglich geplanten Route offenbart dann, dass die GPS-Informationen so nicht stimmen können. Die Crew weiß in der Folge nicht mehr, wo sich das Flugzeug gerade befindet.
"Wie viel Uhr ist es, und wo sind wir eigentlich?", diese Frage mussten in den vergangenen Wochen mehrere Pilot*innen an die zuständigen Fluglots*innen richten, weil sie völlig die Orientierung verloren haben.
Passagierflugzeuge auf neuen Kurs geschickt
Mehr als 50 solcher Vorfälle von Passagierflugzeugen wurden seit Ende September registriert, wie die Luftfahrtvereinigung OPSGROUP analysiert hat. Zu ihr zählen Organisationen und Pilot*innen. Neben Privatjets waren auch Flugzeuge der weitverbreiteten Typen Boeing 737 und Boeing 777 betroffen
Geografisch beschränken sie sich auf das Grenzgebiet zwischen Irak und Iran, entlang der stark frequentierte Luftfahrtstraße UMB688, die Europa mit Asien verbindet. Eine Passagiermaschine soll beinahe unabsichtlich und ohne Erlaubnis in den iranischen Luftraum vorgedrungen sein. Ein Manöver, das katastrophal enden kann.
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Manipulierte GPS-Signale
Offenbar handelt es sich bei den mysteriösen Attacken um sogenanntes GPS-Spoofing. Dabei wird den GPS-Empfängern des Flugzeugs ein manipuliertes Signal untergejubelt. Wenn sich die Flugzeuge nun an diesen Signalen orientieren, schlagen sie möglicherweise einen neuen Kurs ein und ändern ihr Ziel.
Mit GPS-Jamming haben Cockpit-Crews mittlerweile gelernt, umzugehen. Weil beim Jamming das GPS-Signal lediglich blockiert wird, können Pilot*innen in einem solchen Fall noch auf das Inertial Reference System (IRS) zurückgreifen, um ihre Position zu bestimmen.
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Schwere Sicherheitslücke in der Luftfahrt
Beim GPS-Spoofing sei das IRS allerdings ohne Nutzen, wie der Luftfahrtexperte und Universitätsprofessor Todd Humphreys gegenüber Vice erklärt. Die Pilot*innen haben keine Chance, festzustellen, wo sie sich befinden. Die einzige Möglichkeit sei, Fluglots*innen zu Rate zu ziehen und mit deren Hilfe wieder auf Kurs zu kommen.
GPS-Spoofing sei wie eine Zero-Day-Lücke in der Luftfahrt. Moderne Aviation-Systeme seien einem solchen Angriff schutzlos ausgeliefert, so der Experte, der bereits 2012 im US-Kongress vor derartigen GPS-Attacken warnte.
Keine Lösung in Sicht
Die Vorfälle, die seit September registriert werden, seien die ersten wirklichen GPS-Spoofing-Angriffe, bei den Passagierflugzeuge auf einen neuen Kurs geschickt werden, so Humphrey: "Das trifft die Luftfahrtindustrie komplett unvorbereitet".
Zudem wisse niemand, was man gegen solche Angriffe tun könne. Fluglots*innen um Hilfe zu bitten, sei in diesen Fällen notwendig, aber keine skalierbare Lösung. "Die GPS-Spoofing-Attacken decken eine grundlegende Schwachstelle der modernen Avionik auf", so Humphrey.
Bleibt zu hoffen, dass schnellstmöglich eine nachhaltige Lösung für das Problem gefunden wird, bevor GPS-Spoofing größere Ausmaße mit nicht ausdenkbaren Folgen annimmt.
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