Internet of things IoT
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Digital Life

Internet der Dinge: "Man glaubt, das ist das Wunderwerk"

Ob in der Industrie, in der Verkehrssteuerung, in der Smart City und im Smart Home oder im Gesundheitsbereich, im Tourismus und in der Landwirtschaft. Internet-der-Dinge-Anwendungen kommen auch in Österreich zunehmend zum Einsatz. Am 3. Oktober 2018 veranstaltet Austrian Standards den 2. IoT-FachkongressMit Standards in die Zukunft – Smart City & Country, Cloud, Security”. Sicherheit und Datenschutz werden dabei ebenso Thema sein wie neue Geschäftsmodelle und notwendige Standards für die Technologie. Die futurezone hat die Digitalisierungsexpertin Désirée Ehlers, den Mentor und Keynote-Speaker Stefan Hupe und Mario Drobics vom AIT Austrian Institute of Technology, die dem Programmkomitee des Fachkongresses angehören, zu einem Round Table zum Internet der Dinge gebeten.

Mario Drobics, Désirée Ehlers und Stefan Hupe

futurezone: Warum sollen wir IoT-Technologie verwenden?
Désirée Ehlers
: Ich sehe digitale Anwendungen als ein Werkzeug. Etwas das Menschen nehmen, um Probleme zu lösen. Man muss sich also fragen, welche Probleme habe ich und kann ich Sie mit Digitalisierung und IoT lösen oder gibt es dazu andere Mittel, die vielleicht besser sind.

Welche Probleme lassen sich mit der Technologie lösen?

Stefan Hupe: Mit dem Internet der Dinge können beispielsweise Prozesse in der Industrie verbessert und beschleunigt werden. Wenn ich frühzeitig Informationen darüber habe, welche Materialien nachgefüllt werden müssen, damit ich keinen Maschinenstillstand habe, dann ist das ein Vorteil.

Mario Drobics: Wenn ich eine Maschine mit Sensoren ausrüste, kann ich Zusammenhänge herstellen, die vorher nicht möglich waren, weil es so viele Daten sind, die von einem Einzelnen gar nicht erfasst werden können. Ich kann beobachten, wie sich die Maschine über die Zeit verändert und auch Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Maschine und der Qualität der Produkte herstellen. Der Hersteller hat die Möglichkeit, zu sehen, wie seine Maschinen ausgelastet werden, wo es Probleme bei der Nutzung gibt und er kann darauf aufbauend sein Produkt verbessern.

Hupe: Es ist ein Unterschied, ob ich als Hersteller Versuche im Labor mache oder ob ich den realen Anwendungsfall nehme. Wenn ich beispielsweise eine Kaffeetasse nehme und sie im Labor 10.000 Mal in eine Geschirrspülmaschine wasche, um zu überprüfen, ob die Farbe lange genug darauf hält, wird sie wahrscheinlich bei der Anwendung im Haushalt trotzdem verblassen, da dort Situationen herrschen, die ich weder vorhersagen noch simulieren kann. Wenn ich aber aus der Nutzung dieser Tasse in Millionen Geschirrspülmaschinen Daten bekomme, dann könnte ich die Beschichtung wirklich verbessern. Aber welcher Haushalt wird bereit sein, mir diese Informationen zu geben?

Drobics: Weil damit viele Informationen indirekt verbunden sind. Ich weiß, wann die Nutzer der Tasse zu Hause sind, was sie für einen Tagesrhythmus haben. Das Sammeln der Daten ist eine potenzielle Gefahrenquelle, weil auf sie unter Umständen auch illegal zugegriffen werden kann. Man hat sehr viele verschiedene Player, die untereinander Daten austauschen und die einander vertrauen müssen. Sonst funktioniert es nicht.

Wie kann dieses Vertrauen geschaffen werden? Braucht es strengere Regeln?

Hupe: Man muss aufpassen, welchen Ansatz man verfolgt. Mache ich durch strengere Regeln alles unmöglich, das irgendwie schädlich werden könnte oder sage ich nur, man darf mit den Daten keinen Blödsinn machen und soll achtsam sein, diese Daten stets verantwortungsbewusst zu nutzen, so dass niemandem ein Schaden entsteht und niemand ausgenutzt wird.

Ehlers: Es braucht ein gewisses Regelwerk, man darf aber nicht alles reglementieren. Wir müssen Menschen Freiräume geben. Dazu brauche ich aber eine informierte Öffentlichkeit.

Wie beurteilen Sie die neuen EU-Datenschutzregeln?

Hupe: Sie bringen den Juristen viel Arbeit. Wenn man alles nach den Buchstaben des Gesetzes auslegt, ist man handlungsunfähig. Es wird hoffentlich Klarstellungen und Adaptierungen geben.

Drobics: Das wird eine Zeit brauchen, bis sich die Regeln in der Praxis wiederfinden.

Hupe: Man versucht viel über formale Abläufe zu definieren, wie Sicherheit erreicht werden sollte. Die Unternehmen setzen diese Abläufe manchmal nur um, damit ihnen niemand was ankreiden kann. Der positive Geist des Datenschutzes wird dabei aber nicht automatisch mittransportiert oder von den Menschen in den Unternehmen verinnerlicht.

Ehlers: Und der wäre es, mit den Daten vernünftig umzugehen.

Désirée Ehlers

Wird der Mensch im Internet der Dinge auf seine Daten reduziert?
Ehlers:
Es besteht die Gefahr, dass in einer sehr komplexen Welt über Daten ein sehr einfaches Bild des Menschen geschaffen wird. Und der Mensch beginnt, dieses einfache Bild von sich selbst auch zu glauben. Die Frage ist, ob ich damit nicht menschliches Verhalten verfälsche und ich dem Menschen Entwicklungspotenzial nehme, wenn ich zu sehr auf Digitalisierung setze. Genauso wie man Muskeln im Körper trainiert, muss man auch sein geistiges Verhalten trainieren. Die Frage ist, ob man das noch tut, oder sich vom Essen bis zum Schlafengehen auf digitale Systeme verlässt.

Drobics: Das ist das Taschenrechnersyndrom. Wer einen Taschenrechner hat, kann nicht mehr Kopfrechnen.

Hupe: Und wenn der Taschenrechner sagt, 1+1=3, dann glaubt man das.

Welche Konsequenzen hat das?
Drobics
: Man gerät in eine Abhängigkeit. Gerade auf dem Gebiet, wo es um Unterstützung Älterer geht. Technologie kann dabei sehr viel leisten und Sicherheit geben. Aber gleichzeitig bringt sie ältere Leute in eine Abhängigkeit, weil sie Fähigkeiten verkümmern lässt, die sie eigentlich noch hätten. Wenn der Einkauf automatisch geliefert wird, hat die Person nicht mehr die Anforderung, dass sie sich merken muss, was sie braucht und gleichzeitig nicht mehr die Anforderung hinauszugehen, Bewegung zu machen und sozial zu interagieren.

Ehlers: Das Problem bei älteren Menschen ist, dass sie alleine sind. Wir erleben das Phänomen, dass die Leute mit Robotern, die eigentlich zur Unterstützung des Pflegepersonals gedacht sind, gemeinsam fernsehen.

Was braucht es, damit das Menschliche in der Technik mehr berücksichtigt wird?
Ehlers
: Digitalisierung ist nicht nur technisch. Sie wird von Menschen genutzt und Menschen haben ihre besonderen Eigenschaften, die dadurch nicht wegrationalisiert werden. Wir müssen Menschen wieder Freiräume geben.

Drobics: Das gilt auch für das Gestalten der Technologie. Man muss das Aktivwerden reinbekommen, damit Menschen nicht nur als Konsument der Technik agieren können, sondern auch Fähigkeiten mitbekommen, sie aktiv zu gestalten. Nur dann haben die Leute das Verständnis zu hinterfragen, was hinter der Technologie steckt. Je aufgeklärter eine Gesellschaft ist, umso mehr kann sie auch Fragen stellen.

Hupe: Es gibt sehr viel Unwissen und Halbwissen. Mir fällt das in der öffentlichen Diskussion, aber auch in politischen Gremien auf. Man weiß nicht, was die Technologie kann und was sie nicht kann. Da werden Erwartungen und Ziele postuliert, die die Technologie überhaupt nicht einhalten kann.

Mario Drobics

Viele IoT-Anwendungen sind unsicher. Warum ist das so?
Drobics
: Es hat mit dem Wert zu tun, der der Sicherheit beigemessen wird. Es gibt unzählige Tracker um ein paar Euro, die liefern irgendwelche Daten. Dass bei dem Preis keine Überlegungen eingeflossen sind, wie das System sicher gestaltet werden kann, ist klar. Wenn ich aber von einem autonomen Fahrzeug ausgehe, steckt mehr Überlegung dahinter, wie es sicher gestaltet werden kann. Nichtsdestotrotz hat es auch seine Schwächen. Systeme sind verwundbar. Wenn jemand lange genug sucht, wird er einen Weg finden.

Hupe: Man muss die Verhältnismäßigkeit betrachten. Wenn ich in einer Region wohne, wo es üblich ist, dass man die Tür offen lässt, dann brauche ich nicht mehr an Sicherheit. Wenn ich aber in einer Gegend wohne, wo permanent eingebrochen wird, dann werde ich mehr Aufwand hineinstecken. Wenn ich aber alles abwehren möchte, müsste ich einen Bunker bauen. Ich glaube aber nicht, dass wir jedes Produkt wie einen Bunker ausstatten sollten. Eine Risikofolgenabschätzung sollte ein Muss sein: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schadensfall eintreten könnte, und wie groß wird dann die Auswirkung dieses Schadens sein. Dementsprechend sollte man dann geeignete Maßnahmen beim Design des Produktes ergreifen. Gut dosiert halt.

Drobics: Wir brauchen den mündigen Bürger, der genau diese Beurteilung machen kann und sich auch fragt, was ist mir das mehr an Sicherheit wert, denn es kostet ja auch Geld.

Ehlers: Ich muss überlegen, wie viel Risiko ich bereit bin zu tragen.

Werden in den Digitalisierungsstrategien die gesellschaftlichen Folgen der Technologie ausreichend berücksichtigt?
Hupe
: Ich sehe keine Strategie. Es heißt immer, man muss Digitalisierung machen. Man versucht krampfhaft, etwas zu finden, das digitalisiert werden kann. Es wird gar nicht darüber nachgedacht, dass es vielleicht andere Lösungen gibt, die besser sind. Digitalisierung ist doch kein Selbstzweck.

Drobics: Das ist nicht nur ein Phänomen der Digitalisierung, das war schon zur Zeit der Dampfmaschine so. Man sieht, dass man mit neuen Technologien ganz viel machen kann und glaubt, das ist jetzt das Wunderwerk. Es braucht aber einen gesellschaftlichen Lernprozess, den Nutzen der Technologie zu finden und auch Anwendungen abzugrenzen, bei denen sie nicht mehr sinnvoll ist und eigentlich mehr zerstört als sie hilft.

Ehlers: Es gibt in Österreich sehr viele kleine Initiativen, die das Menschliche und die Technik miteinander verbinden. Da werden solche Überlegungen auch angestellt. Ich sehe das als eine Bottom-up-Sache. 

Stefan Hupe

Welche Leitlinien für eine gesellschaftlich sinnvolle Regulierung können Sie sich vorstellen?
Hupe
: Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft. Das heißt, wir als Menschen müssen diese Regularien bestimmen und dafür muss erstmal eine wirkliche öffentliche Diskussion stattfinden, die auch die ethischen Werte berücksichtigt, wie sie beispielsweise in der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Grundrechtecharta der Europäischen Union formuliert sind.

Die sehen Sie nicht?
Ehlers
: Die gibt es in kleinen Bereichen. Es mangelt aber an den Freiräumen. Wir müssen über Alternativen nachdenken können.

Hupe: Bei mir im Studium gab es eine Veranstaltung, die hieß "Ingenieur und Verantwortung". Da wurden wir dazu aufgefordert, uns zurückzulehnen und aus der Metaperspektive zu betrachten, was wir da überhaupt gerade machen. Das erlebe ich im Alltag gar nicht mehr. Entweder die Leute finden alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, einfach nur cool oder haben die Euro-Zeichen in den Augen. Oder die Leute sagen fatalistisch, die Digitalisierung wird kommen, ich muss mich dem ergeben. Mein Arbeitgeber macht sowieso was er will. Wir sind aber nicht hilflos. Wir können uns beteiligen und Einfluss nehmen. Wir können alle die Digitalisierung und Ihre Anwendungsfelder und die Rahmenbedingungen aktiv und verantwortungsbewusst mitgestalten.

Ehlers: Daraus kommen dann auch die Standards und Regelwerke, die man haben möchte und die das System auch brauchen wird. Wenn ich eine zivilcouragierte Bevölkerung habe, dann ergibt sich das von selbst.

Drobics: Es ist wichtig, den Diskurs über Standards zu gestalten. Da gibt es unterschiedliche Strömungen. Die eine ist sehr basisgetrieben und läuft über Communities. Auf der anderen Seite gibt es die stark industriell getriebenen Standards. Dazwischen sind die traditionellen Standardisierungsgremien, die eigentlich sehr demokratisch sind, weil man leicht an den Diskussionen teilhaben kann. Man sollte nicht ignorieren, dass es da gute Strukturen gibt. 

Der 2. IoT-Fachkongress findet am 3. Oktober 2018 im Austrian Standards Meeting Center in der Heinestraße 38 in Wien statt. Aktuell läuft der Frühbucherbonus – Anwender sparen 100 Euro bei einer Anmeldung bis 31. August 2018. Tickets sind erhältlich auf der Website von Austrian Standards: www.austrian-standards.at/iot

Dieser Beitrag entstand im Zuge einer Kooperation zwischen Austrian Standards und futurezone.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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