
Eine Visualisierung des neuen Reaktors
Deutsches Start-up will Stromerzeugung aus Kernfusion revolutionieren
Das Münchner Start-up Proxima Fusion und seine Partner haben ein Konzept für ein kommerzielles Fusionskraftwerk vorgestellt, mit dem man tatsächlich in der Praxis Strom erzeugen können soll. Eine entsprechende Studie wurde in der Fachzeitschrift Fusion Engineering and Design veröffentlicht. Proxima Fusion ist ein Spin-off des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP).
Das Stellaris-Konzept basiert auf der Technologie der quasi-isodynamischen (QI) Stellaratoren. Bei Stellaratoren handelt es sich um eine besondere Art von Fusionsreaktor, der das heiße Plasma mithilfe von komplexen Magnetfeldern einschließt. Diese sind wie ein verdrehtes Band geformt (siehe Visualisierung des Reaktors im Titelbild).
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Vorteile eines QI-Stellarators
Die Besonderheit von QI-Stellaratoren ist das speziell gestaltete Magnetfeld, wodurch die Plasmateilchen noch besser kontrolliert werden können. Sie haben den Vorteil, dass sie einen Dauerbetrieb ohne gefährliche Instabilitäten ermöglichen.
Die Alternative zum Stellarator ist das Tokamak-Design. In diesem entsteht ein weniger komplexes, zweidimensionales Magnetfeld. Diese Art von Fusionsreaktoren sind einfacher zu bauen, weswegen sie weiter verbreitet sind als die komplexeren Stellaratoren. Der Nachteil ist, dass das Plasma darin eben instabiler ist.
Ein weiterer Vorteil von Stellaratoren gegenüber Tokamaks ist, dass sie kontinuierlich Energie erzeugen können. Tokamaks müssen aufgrund ihrer Bauweise nämlich periodisch ausgeschaltet werden, da sich das Magnetfeld im Plasma nur bilden kann, wenn der Strom in der zentralen Spule hochgefahren wird. Dies ist nur für eine begrenzte Zeit möglich.
Wendelstein-Weiterentwicklung
Das neue Konzept baut auf den Ergebnissen des Wendelstein 7-X (W7-X) Experiments in Deutschland auf. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Fusionsforschungsanlage vom Typ Stellarator, die am IPP in Greifswald gebaut wurde.
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Stellaris sei der erste auf einem QI-Stellarator basierende Kraftwerksentwurf, der alle wichtigen physikalischen und technischen Einschränkungen gleichzeitig erfülle, wie es in der Presseaussendung heißt. Die Konstruktion soll demnach bereits komplett praxistauglich sein.
Der Plasmaring soll dabei einen Durchmesser von weniger als 10 Metern aufweisen. Die geplante Leistung soll etwa 2,7 Gigawatt betragen, was in etwa mit 2 konventionellen Kernkraftwerken vergleichbar ist. Laut Proxima Fusion will man bis 2031 einen ersten Demonstrationsreaktor in kleinerem Maßstab bauen. Bis dahin kann man sich auf der Webseite des Start-ups eine interaktive Visualisierung des Reaktors ansehen.
Fusionsreaktoren als heiliger Gral
Fusionsreaktoren gelten als heiliger Gral für die CO2-freie Erzeugung von Strom. Sie versprechen quasi unbegrenzt Energie, ohne, dass Atommüll zurückbleibt wie bei gewöhnlicher Kernenergie.
Bislang gibt es diesbezüglich nur Experimentalanlagen. Das Konzept ist bisher nicht so weit, um tatsächlich mehr Energie herauszuholen, als für den Betrieb hineingesteckt werden muss.
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Wie lange es dauert, bis mit Fusionsenergie tatsächlich kommerziell Strom erzeugt werden kann, konnte bislang niemand so genau abschätzen. Die Rede war immer von 30 Jahren.
Das war bereits eine Art “Running Gag” in der Kernfusionsgemeinschaft. In den 60er-Jahren hieß es bereits, dass man noch vor der Jahrtausendwende die ersten Fusionskraftwerke bauen würde. Seitdem blieb die Kernfusion konstant 30 Jahre in der Zukunft.
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