
Lavendel Blüten
Wie Akkus aus Pflanzen Europa unabhängiger machen können
Der Energiebedarf wächst und die Energiewende schreitet voran. Damit steigt auch der Druck, überschüssige Energie effizient zu speichern. Um die international gesteckten Klimaziele zu erreichen, muss die weltweite Speicherkapazität für Energie bis 2030 6-mal so groß sein wie im Jahr 2024, so eine Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA).
Eine wichtige Rolle, um dieses Ziel zu erreichen, spielen Lithium-Ionen-Batterien. Sie sind in den vergangenen Jahren nicht nur günstiger, sondern auch leistungsstärker und damit zu einem wichtigen Pfeiler in der Energiewende geworden.
Das Problem der Lithium-Ionen-Akkus
„Lithium ist ein hervorragendes Material, um Batterien zu bauen. Es ist leicht und reagiert gut, was dazu führt, dass man Energie gut speichern kann”, sagt Marcus Jahn vom Austrian Institute of Technology (AIT). Der Abbau und die Weiterverarbeitung von Lithium sind jedoch auf nur wenige Länder beschränkt, was ein Risiko für die Lieferketten darstellt.
Derzeit wird das meiste Lithium in Australien durch Bergbau gewonnen. Der Abbau von Lithium kann aber auch mit Problemen einhergehen, wie einem hohen Wasserverbrauch oder Protesten wegen Umweltbedenken. Hinzu kommt: „Der große Nachteil sind die anderen Materialien, die man für Lithium-Ionen-Batterien braucht”, betont Jahn.
Zum Beispiel Graphit, das in Europa als kritischer Rohstoff eingestuft ist. „Es handelt sich also um eine Lieferkettenproblematik”, erklärt Jahn. Wissenschaftler und Unternehmen forschen deshalb an alternativen Materialien aus Biomasse und holen sich Inspiration von der Natur.
Wie funktionieren Lithium-Ionen-Akkus?
Für Lithium-Ionen-Akkus braucht man 4 wichtige Zutaten: Erstens eine positive Elektrode, die als Kathode bezeichnet wird und typischerweise Lithium enthält und somit Lithium-Ionen liefert. Zweitens, die negative Elektrode, also die Anode. Sie besteht meist aus Graphit oder Graphit und Silizium.
Würde man diese beiden Elektroden zusammenbringen, würde das zu einem Kurzschluss führen, was man nicht möchte, weshalb man drittens einen Separator dazwischen anbringt. Das ist eine Art Plastik, wodurch keine elektrische Leitfähigkeit vorhanden ist.
Die Poren dieses Separators sind aber groß genug, um die Lithium-Ionen durchzulassen. Deshalb braucht es viertens den Elektrolyten, also eine Substanz, die Ionen leitet. All diese Zutaten werden bei der Herstellung in ein Gehäuse gepackt, wodurch eine Batteriezelle entsteht.
Im Betrieb fließen geladene Teilchen, sogenannte Ionen, im Elektrolyten von der Anode zur Kathode, also vom negativen Pol zum Positiven. Durch die Spannungsunterschiede entsteht also eine chemische Reaktion und dadurch Spannung. Bei Akkus kann dieser Prozess mehrmals wiederholt werden.
Der Begriff Batterie umfasst sowohl Primär- als auch Sekundärbatterien. Der Unterschied ist: Primärbatterien kann man nicht wieder aufladen. Das sind zum Beispiel Batterien, die man für die Fernbedienung verwendet. Sekundärbatterien sind Batterien, die man wieder aufladen kann, also auch sogenannte Akkumulatoren.
Wenn man von Batterien spricht, muss man auch unterscheiden, ob es sich um eine Batteriezelle, ein Modul oder ein Pack handelt. Die Batteriezelle ist die kleinste Einheit. Wenn man mehrere davon in einem Gehäuse zusammenschweißt, hat man ein Modul. In einem E-Auto werden beispielsweise mehrere dieser Module zusammengebracht und das ergibt ein Batteriepack.
Handy-Akkus haben ungefähr eine elektrische Ladung von 4.000-5.000 Milliamperestunden. Ein typischer E-Auto-Akku hat laut Jahn zwischen 60 und 100 Amperestunden pro Batteriezelle, wobei in einem Handy eine einzige Batteriezelle enthalten ist, und bei einem E-Fahrzeug mehrere 100 Stück davon.

Fichtenwald
© Pexels/ Lauri Poldre
Das Problem bei Graphit ist, dass für die synthetische Herstellung sehr viel Energie benötigt wird. Bei der Herstellung muss Kohlenstoff auf über 3.000 Grad Celsius erhitzt werden. Graphit kommt aber auch im Boden vor. „Graphit kann relativ gut abgebaut werden, das Problem ist aber, dass die Vorkommen begrenzt sind”, schildert Jahn. 80 Prozent davon stammen etwa aus China.
Lignode: Wie aus Bäumen Batterien werden
Eine Art, Graphit in Batterien zu ersetzen, ist der Holzstoff Lignin. Lignin ist ein Stoff, der Pflanzen ihre Festigkeit verleiht und macht etwa 30 Prozent des Holzgewichts aus. Dieser Stoff hat auch die Aufmerksamkeit von Forschern und Unternehmen auf sich gezogen. Denn er enthält Kohlenstoff, der auch für Anoden in Akkus verwendet werden kann.
Das finnisch-schwedische Unternehmen Stora Enso gewinnt Lignin aus den Nebenprodukten der Kiefer- und Fichtenverarbeitung. Es wird dann zu feinem Kohlenstoffpulver gemahlen, das für die Produktion der Anode in Lithium-Ionen-Batterien genutzt wird. Pro Jahr gewinnt das Unternehmen laut eigenen Angaben 50.000 Tonnen Lignin.
Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, eine Batterie herzustellen, die sich in 8 Minuten laden lässt. Das sei laut dem Stora Enso möglich, weil die Anodenstruktur bei ihrer „Lignode” genannten Batterie unregelmäßig ist. Bei herkömmlichen Batterien mit Graphit-Anoden hingegen ist sie regelmäßig. Laut Jahn hat die ungeordnete Struktur den Vorteil, dass man eine größere Oberfläche gewinnt, sich also mehr Lithium-Ionen anlagern können.
„Diese unregelmäßige Struktur kann zu mehr Leistung führen, sie kann aber auch zu Verlusten, also einer kürzeren Lebensdauer der Batterie, führen. Es hängt also stark davon ab, wofür ich die Batterien verwende”, erklärt der Forscher vom AIT. Die Batterie würde sich laut ihm besser für Anwendungen eignen, bei denen vergleichsweise viel Leistung benötigt wird, also zum Beispiel für Akkuschrauber. Bei den Batterien für E-Autos brauche man eher eine hohe Energiedichte, also möglichst viel Energie auf kleinem Raum. Hier eigne sich eine regelmäßigere Struktur besser.
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Baumwollplantage
© Pexels/Mark Stebnicki
Batterien aus Baumwolle
Auch in Japan sucht man nach alternativen Materialien für Akkus. Das Unternehmen PJP Eye LTD hat in Zusammenarbeit mit der Kyushu Universität die Cambrian Batterietechnologie entwickelt, woraus 2 Arten von Batterien produziert werden können.
Die Cambrian Single Carbon Batterie ist vor allem für E-Bikes oder Drohnen gedacht. Hier wird ein Metalloxid, also eine Verbindung zwischen Metall und Sauerstoff, für die positive Elektrode verwendet. Die negative Elektrode besteht laut dem Unternehmen aus Kohlenstoff, der aus verbrannter Baumwolle oder Bagasse, einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion, gewonnen wird. Diese Batterie ist laut Hersteller bereits in Massenproduktion und liefert 3.200 Milliamperestunden, also etwas weniger als ein herkömmlicher Smartphone-Akku. Sie soll eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren haben.
Die Cambrian Dual Carbon Batterie ist für 2025 geplant, sie ist für E-Autos oder Flugzeuge entwickelt worden. Hier besteht nicht nur die negative Elektrode aus Kohlenstoff aus pflanzlichem Material wie verbrannter Baumwolle, sondern auch die positive.
Eine komplett lithiumfreie Version soll ab 2027 verfügbar sein. Die angestrebte Energiedichte liegt bei 398 Wattstunden pro Kilogramm. Zum Vergleich: Akkus in modernen Tesla-Model-3-Autos kommen auf etwa 150 Wattstunden pro Kilogramm.
Wie genau die Batterien hergestellt werden, verrät das Unternehmen nicht. In einem Interview mit der BBC seien aber auch hier Temperaturen von über 3.000 Grad Celsius für die Herstellung der Anode notwendig. Jahn sagt: “Wenn ich versuche, aus biobasierten Materialien Kohlenstoff zu gewinnen, habe ich aber schon einen Vorteil gegenüber Kohlenstoff, der aus fossilen Quellen gewonnen wird." Es wird nämlich weniger CO2 ausgestoßen.
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Lavendel soll Natrium-Schwefel-Batterien langlebiger machen
Auch Lavendel inspiriert Forscher dazu, Akkus und Batterien zu verbessern. Forscher des Max-Planck-Instituts haben Linalool genutzt, das ist ein Hauptbestandteil von Lavendelöl, um Natrium-Schwefel-Batterien zu verbessern. „Es ist faszinierend, zukünftige Batterien mit etwas zu gestalten, das in unseren Gärten wächst", sagt Paolo Giusto, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, in einer Aussendung.
“Schwefelbatterien haben das Problem, dass sie nach ein paar 100 Ladezyklen nicht mehr zu gebrauchen sind”, sagt Jahn. Durch die Zugabe von Linalool kann die Lebensdauer drastisch erhöht werden. Das führte laut den Forschern dazu, dass man diese Batteriezellen 1.500 Mal laden und entladen kann, und sie trotzdem noch 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität behalten.
„Allgemein muss man nur bedenken, dass es immer ein großer Schritt vom Labor zur industriellen Umsetzung ist. Das heißt nicht, dass es nicht funktioniert, aber, dass es meist einige Jahre braucht, bis man weiß, ob die Technologie einen Vorteil bringt”, sagt der Forscher vom AIT. Schwefel und Natrium seien jedenfalls leichter verfügbar als Lithium oder Graphit.
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Generell sollte man laut Jahn jedenfalls weiterhin an biobasierten Materialien für Batterien forschen, da die Nachhaltigkeit der Lieferketten in Zukunft eine große Rolle spielen wird. „Das hat auf jeden Fall eine Zukunft. Man muss aber auch schauen, dass diese Herstellung auch wirtschaftlich nachhaltig ist”, betont der Forscher des AIT. Gerade bei Lavendel stellt sich die Frage, wie viel man aus dem Rohstoff gewinnen kann und wie nachhaltig die Produktion dann noch ist.
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