Michael Buchinger
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Digital Life

Michael Buchinger: „Man sollte Kindern die Netiquette beibringen“

Das Web hat sich in zehn Jahren ordentlich verändert – und wird es weiter tun. Das nehmen die Volkshochschulen Wien (VHS) zum Anlass, um eine eigene Vortragsserie zur Digitalisierung zu starten. In der VHS Wiener Urania fand am Dienstagabend die Auftaktveranstaltung statt. „Der Bildungsbereich wird in zehn Jahren nicht mehr erkennbar sein. Wir wissen das, wir wissen aber jetzt noch nicht, wie er aussehen wird. Fix ist: Das wird auch uns betreffen“, sagte Herbert Schweiger, Geschäftsführer der VHS zur Einleitung. Danach folgte die Keynote des Influencers und YouTubers Michael Buchinger und eine anschließende Expertendiskussion.

Buchinger betreibt seit zehn Jahren einen eigenen YouTube-Kanal. Rund 152.000 Abonnenten verfolgen regelmäßig, was er so treibt und sehen sich seine Videos an. „Vor zehn Jahren hat YouTube ganz anders ausgesehen. Man konnte Farben gestalten, ich hatte grün und türkis ausgewählt. Jetzt ist alles farblich gleich gehalten“, sagt Buchinger über die Veränderung. Er habe zudem, als er mit 16 startete, nie die Intention gehabt, YouTube-Videos zum Beruf zu machen. „Ich hatte keine Hobbys und eine Freundin hat mich damals gefragt, ob ich nicht einen YouTube-Kanal machen möchte, weil ich in der Klasse auch immer so lustig bin.“

Michael Buchinger zeigt seinen YouTube-Kanal her

Netiquette als Empfehlung

„Ich habe alle Ratschläge meiner Eltern über Bord geworfen und mich von Anfang an mit meinem vollen Namen im Netz präsentiert“, so Buchinger. In Folge erzählt er auch über Hass gegen seine Person, der ihm vor allem dann entgegenprallt, wenn Medien etwas über ihn schreiben. „Ich werde meistens schnell verteidigt von meinen Fans und mir wird generell sehr viel Liebe entgegengebracht. Aber wenn in 100 Kommentaren drinsteht, dass ich nett und super bin und in einem einzigen, dass ich hässlich bin, merke ich mir trotzdem genau diesen einen Kommentar“, so Buchinger.

Buchinger würde sich diesbezüglich wünschen, dass bereits Kindern an Schulen die Netiquette beigebracht werden sollte. Darunter versteht man das gute, respektvolle Benehmen im Netz miteinander. Ein Punkt dabei ist etwa: „Erst lesen, dann denken, dann posten.“ Er selbst sei damit aufgewachsen und er würde sich bei seiner eigenen Kommunikation im Netz daranhalten. Doch seit das Netz zum „Massenmedium“ geworden ist, gibt es viele Personen, die die Netiquette ignorieren – oder gar nicht kennen.

Muten, blocken und organisieren

futurezone-Chefredakteurin Claudia Zettel betonte, dass bei Frauen die Beschimpfungen oft noch einmal einen zusätzlich bitteren Beigeschmack bekämen: „Frauen werden im Netz sehr häufig auf einer sexualisierten Ebene beschimpft. Und es nimmt natürlich zu, je mehr man in der Öffentlichkeit steht, je mehr Reichweite man hat - allerdings kann dieser Hass alle Frauen treffen. Daher ist es wichtig, sich mit ihnen zu solidarisieren.“ Es sei aber keine Lösung, „offline zu gehen“, so Zettel. „Man muss sich immer in Erinnerung rufen, dass es nicht die Mehrheit ist, die laut schreit. Man sollte sich nicht vertreiben lassen“, sagt Zettel.

Buchinger versucht sich vor negativen Kommentaren zu schützen, indem er „bestimmte Foren nicht mehr liest“. Er empfiehlt zudem, eine Liste von Wörtern anzufertigen, die „man nicht mehr sehen möchte“. „Bei mir ist es zum Beispiel der Begriff "Schwuchtel". Diese Tweets werden mir nicht mehr angezeigt. Ich will nicht in der Früh aufwachen und negative Meldungen ins Gesicht gedonnert bekommen.“

Im März und April organisiert die VHS Social-Media-Workshops, die an verschiedenen VHS-Standorten stattfinden. Un denen geht es gezielt darum, Gegenstrategien zu Hass im Netz zu entwickeln und zivilcouragiert damit umzugehen.

Leonhard Dobusch

Aufmerksamkeitsökonomie

Zettel empfiehlt zusätzlich, bestimmte Begriffe auf Twitter zu muten oder Leute zu blockieren – und sich zu organisieren. „Man kann auch verbal dagegenhalten, indem man organisiert mit gezielten Nachrichten gegen aggressive Accounts vorgeht und so versucht, der Gegenseite Wind aus den Segeln zu nehmen.“ Dem stimmt auch der Universitätsprofessor Leonhard Dobusch zu. „Es gibt auf Facebook Gruppen, in denen Menschen bestimmte Leute praktisch zum Abschuss freigeben. Da braucht es eine organisierte Gegenbewegung, um diesen Menschen zu helfen. Und es zeigt, dass Plattformen nicht neutral sind.“

Dobusch kritisiert, dass Hasspostings oft von vielen Menschen gesehen werden. Dies passiere, weil Plattformen wie Facebook oder Twitter dazu gebaut seien, die Meldungen zu belohnen, die mit „möglichst viel Aufmerksamkeit“ versehen werden. Es gebe auch schon „mehrere Beispiele von Unternehmen, die Hassposter in ihre Marketingstrategien einbeziehen.“ Dobusch möchte Plattformen genau da regulieren, „wo es weh tut“. „Es darf sich nicht mehr auszahlen, Hass-Kommentare zu produzieren. Das wäre mein Ansatzpunkt, um Plattformen zu regulieren.“ Dobusch wünscht sich zudem eine "öffentlich-rechtliche Plattform, die nicht nach diesen Prinzipien funktioniert, sondern nicht-kommerziell organisiert ist."

Das Panel

Kritik am digitalen Vermummungsverbot

Von den geplanten Initiativen der Bundesregierung, um Hass im Netz entgegen zu treten, zeigen sich weder Dobusch noch Zettel besonders angetan. Die Regierung plant etwa ein sogenanntes „digitales Vermummungsverbot“. Das bedeutet, dass Plattformen die Identität von Nutzern, die gegen das Gesetz verstoßen, den Behörden preisgeben müssen.

„Ich frage mich hier, ob die Menschen, die so etwas vorschlagen, selbst schon einmal auf Facebook waren“, sagt Dobusch. „Dort beschimpfen sich Leute rund um die Uhr mit Klarnamen. Eine Analyse von Forschern der Universität Zürich hat außerdem herausgefunden, dass Menschen mit Klarnamen im Ton oft unfreundlicher und brutaler sind als die mit Pseudonymen und zwar, weil sie sich im Recht fühlen“, sagt Dobusch.

Für Zettel ist das „digitale Vermummungsverbot“ schlichtweg „nicht durchführbar“, weil sich große, internationale Betreiber nicht daran halten würden. „Die Aufgabe wird abgewälzt auf die Betreiber und kleinere Blogs oder Zeitungen bekommen dadurch ein Problem. Die großen Plattformen werden sich aber nicht daran halten.“ Statt politischen Schnellschüssen wünscht sich Zettel, dass politische Debatten wie jene zum Hass im Netz „ehrlicher geführt“ werden müssen. „Oft habe ich den Eindruck, es geht dabei nicht um die Opfer.“

Der YouTuber Buchinger möchte sich 2019 wieder vermehrt auf die „positiven Dinge fokussieren“. „Das Netz ist nicht nur ein fürchterlicher Ort“, sagt er zum Schluss. Als „einzigen Karriereweg“ sieht er seinen YouTube-Channel nicht. „Das kann schnell vorbei sein“, so Buchinger. „Ich beschäftige mich daher auch mit Kabarett und dem Schreiben von Büchern.“

 

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und der VHS entstanden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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