A missile launch is seen at an undisclosed location in North Korea
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Nordkorea schießt erstmals Rakete über Seegrenze, Südkorea birgt Trümmer

Vorige Woche hat Nordkorea eine seiner bisher größten Militärübungen abgehalten. Dabei wurden über 100 Artillerie-Granaten und 24 ballistische Raketen abgefeuert. Danach sind 180 Flugzeuge gestartet. Südkorea war von der Aktion so alarmiert, dass 80 Kampfjets mobilisiert wurden. Zu Kampfhandlungen kam es nicht.

Abgesehen von der Größe der Übung, war ungewöhnlich, dass eine der ballistischen Raketen im südkoreanischen Gewässer gelandet ist. Das ist das erste Mal, dass das passiert ist. Üblicherweise landen die nordkoreanischen Raketen bei diesen Tests im Japanischen Meer.

Northern Limit Line

Die Seegrenze zwischen Nord- und Südkorea ist umstritten. 1953 wurde sie von der UNO als Northern Limit Line (NLL) eingeführt. Ursprünglich sollte so verhindern werden, dass südkoreanische Schiffe in nordkoreanische Gewässer eindringen.

Die NLL dient de facto als Verlängerung der demilitarisierten Zone, die Nord- und Südkorea trennt. Nordkorea erkennt die NLL aufgrund ihres Verlaufs an der Westküste nicht an und legte 1999 eine eigene Seegrenze fest. Diese würde 3 Insel zum Gebiet von Nordkorea erklären, die die UNO 1953 Südkorea zugesprochen hat.

An der NLL kommt es immer wieder zu Zwischenfällen und Gefechten. Im Jahr 2010 ereigneten sich 2 besonders große Vorfälle. Eine südkoreanische Korvette wurde am 23. März von einem Torpedo getroffen und versenkt, 46 Matrosen starben. Nordkorea bestreitet, den Torpedo abgefeuert zu haben. Am 23. November beschoss Nordkorea eine südkoreanische Marinebasis auf der Insel Yeonpyeong – die Insel gehört aus der Sicht von Nordkorea zu dessen Seegebiet. Etwa 50 Artillerie-Granaten schlugen ein, 2 Soldaten wurden getötet.

Bergungsschiff fischt Rakete aus dem Meer

Die Rakete schlug südlich der NLL ein, etwa 57 Kilometer von der Ostküste Südkoreas entfernt. Südkorea nutzte die Chance. Mit einem Bergeschiff und einem Tauch-Roboter, bzw. Rettungs-U-Boot wurden die Trümmer der Rakete geborgen.

Südkorea hat mehrere Bergungsschiffe, die für so eine Mission in Frage kommen. Welches Schiff genau eingesetzt wurde, ist nicht bekannt. Denkbar ist, dass es die Cheonghaejin war, die als Rettungsschiff für U-Boote gebaut wurde. Dieses hat ein Rettungs-U-Boot dabei, das bis zu 480 Meter tief tauchen kann. Mit der Ganghwado wurde im Oktober 2021 ein größeres, moderneres Schiff zur U-Boot-Rettung in Dienst gestellt – auch dieses hätte für die Bergungsmission genutzt werden können. Weiters hat Südkorea noch 2 kleinere Bergungsschiffe der Tongyeong-Klasse, die mit Tauch-Robotern ausgestattet sind.

Das Bergungsschiff Cheonghaejin

Laut Rüstungs-Expert*innen hat Nordkorea bisher keine bekannten Versuche unternommen, seine eigenen Testraketen zu bergen, berichtet CNBC. Das ist international gesehen eher unüblich – schließlich kann man anhand der Trümmer untersuchen, ob der Test wie gewünscht verlaufen ist. Es ist jedoch nicht unverständlich: Nordkorea hat weniger Schiffe, die für so eine Bergung geeignet sind, weshalb die südkoreanische Marine prinzipiell schneller bei der Absturzstelle ist.

Typ der Rakete unbekannt

Die Trümmer werden jetzt untersucht, um mehr über die Rakete herauszufinden. Zwar werden bei diesen Tests keine Sprengköpfe genutzt, aufgrund von Hülle, Leitwerk, Motor, Treibstofftank und eventuell der Elektronik, kann man aber Rückschlüsse darauf ziehen, wie die maximale Reichweite der Rakete ist und welche Art von Gefechtskopf sie tragen kann.

Nordkorea selbst hat nicht verraten, welche Raketen bei dem Manöver verschossen wurden. Bilder der Staatsmedien zeigen mehrere Raketen, die aber nachbearbeitet wurden. Ob das geschehen ist, um Details zu verschleiern oder um Probleme beim Test zu beschönigen, ist nicht bekannt.

Zudem wurden Bilder von einem alten Raketen-Test vom April umgefärbt und neu veröffentlicht.

Aufgrund der tatsächlich neuen Bilder, wird vermutet, dass zumindest eine Rakete eine Interkontinentalrakete sein könnte. Aufgrund der Spitze wird vermutet, dass diese mit einem MIRV-Gefechtskopf bestückt werden könnte. MIRV-Systeme haben Mehrfachsprengköpfe. Eine Rakete enthält mehrere Nuklearsprengköpfe, wodurch mehrere Ziele gleichzeitig angegriffen werden können.

Simulation eines Angriffes auf eine große, südkoreanische Stadt

Ob die Trümmer von genau dieser neuen Rakete stammen, ist noch nicht bekannt. Es ist jedenfalls bedenklich, da Nordkorea diesen Test offiziell als eine „Simulation von Angriffen auf Flughäfen, Flugzeugen und eine großen südkoreanischen Stadt“ bezeichnet hat.

Das Ganze sei eine Reaktion auf eine gemeinsame Übung der USA und Südkorea gewesen. Vom 31. Oktober bis 4. November fand das Manöver unter dem Namen „Vigilant Storm“ statt. Beteiligt daran waren 240 Flugzeuge der USA und Südkorea, darunter F-35 Stealth-Kampfjets und B-1B Überschallbomber.

Update, 9.11: Mittlerweile hat Südkorea Bilder der geborgenen Rakete veröffentlicht. Laut einer ersten Analyse soll es sich um eine S-200 handeln, bzw. um einen Nachbau davon. Das ist eine sowjetische Boden-Luft-Rakete zur Luftabwehr. Russland setzt mittlerweile auf neuere Modelle, die S-300 und S-400.

Geborgene Trümmer

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