Russland arbeitet an einer Atombombe für das All.

Russland arbeitet an einer Atombombe für das All.

© VICTOR HABBICK VISIONS/Getty Images

Militärtechnik

Russlands Anti-Satelliten-Atomwaffe wäre eine Katastrophe für den LEO

Mehrere ranghohe US-Beamte haben angedeutet, dass Russland an einer nuklearen Anti-Satelliten-Waffe arbeitet. Diese könnte die niedrige Erdumlaufbahn (LEO; Low Earth Orbit) für längere Zeit völlig unbrauchbar machen. Tests dazu seien bereits in Gange, schreibt The War Zone.

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"Die Vereinigten Staaten sind äußerst besorgt darüber, dass Russland auf der Grundlage von Informationen, die wir für glaubwürdig halten, den Einbau von Atomwaffen in seine Abwehrprogramme in Erwägung zieht", sagte Mallory Stewart, Assistant Secretary of State for Arms Control, Verification, and Compliance.

Die USA haben gewusst, dass Russland seit Jahren an einem solchen System arbeite, sind aber erst seit kurzem in der Lage, die Fortschritte genauer zu beurteilen. Stewart betonte mehrfach, dass die US-Regierung nicht davon ausgehe, dass Russland die Waffe in irgendeiner Form eingesetzt habe. Im Rahmen der Entwicklung dieser nuklearen Anti-Satelliten-Waffe soll sich allerdings bereits ein Satellit im Orbit befinden.

Verdächtiger Test-Satellit

"Russland hat öffentlich behauptet, dass der Satellit wissenschaftlichen Zwecken dient", sagte Stewart. "Die Umlaufbahn befindet sich jedoch in einer Region, die von keinem anderen Raumfahrzeug genutzt wird. Das war an sich schon etwas ungewöhnlich."

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Es ist durchaus sinnvoll, einen Test-Satelliten in den Orbit zu bringen, bevor man tatsächlich ein weltraumgestütztes Waffensystem einsetzt. So kann etwa ermittelt werden, wie sich die Weltraumstrahlung in verschiedenen Orbits auf die Elektronik auswirkt. Das Erdmagnetfeld wirkt nämlich wie ein Schutzschild, das die Erde vor der Teilchenstrahlung der Sonne schützt. 

Der Van-Allen-Strahlungsgürtel.

Der Van-Allen-Strahlungsgürtel.

Die geladenen Teilchen werden vom Erdmagnetfeld eingeschlossen und bilden den Van-Allen-Strahlungsgürtel. Je nach Umlaufbahn können in diesem Strahlungsgürtel elektronische Geräte gestört oder sogar zerstört werden. 

Nur für Ziele im Weltraum

Viele Details zur geplanten Weltraumatomwaffe sind noch nicht bekannt. Man gehe allerdings davon aus, dass die Waffe nicht gegen Ziele auf der Erdoberfläche eingesetzt werden könne. Stattdessen würde ein nuklearer Sprengsatz im LEO, also in einer Höhe zwischen 200 und 2.000 Kilometer, eine Gefahr für viele wichtige Satellitendienste darstellen. 

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Im LEO befinden sich etwa 7.000 Satelliten, die zur Erdbeobachtung, Kommunikation (Funk- und Internetsatelliten), Forschung (wie etwa Wettersatelliten und auch die Internationale Raumstation ISS), aber auch für Spionagezwecke eingesetzt werden. Navigationssatelliten wie GPS und Galileo befinden sich darüber in einer Höhe von mindestens 5.000 Kilometern, sind also nicht das primäre Ziel.

Nukleare Strahlung als Problem

Bei der Atomwaffe handle es sich um eine Waffe, "die keine nationalen Grenzen kennt und nicht zwischen militärischen, zivilen oder kommerziellen Satelliten unterscheidet", sagt auch der Assistant Secretary für Weltraumpolitik John Plumb.

Eine Atomwaffe im LEO wäre auf mehrere Arten gefährlich. Während einige Satelliten von der unmittelbaren Explosion beschädigt werden, wäre die Strahlung ein deutlich längerfristiges Problem. Die nukleare Strahlung würde nämlich im LEO verweilen und ihn beeinträchtigen. Der als "Nuclear Pumping" bezeichnete Effekt wurde beim "Starfish Prime"-Atomtest im Jahr 1962 demonstriert, als die USA eine Atombombe in einer Höhe von 400 Kilometern zündeten.

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Im 1150 Kilometer entfernten Hawaii war für 7 Minuten künstliche Aurora zu sehen, der elektromagnetische Impuls ließ dort Telefonverbindungen und etwa 300 Straßenlaternen ausfallen. Durch die freigesetzte Strahlung fielen 7 Satelliten im damals noch spärlich genutzten Orbit aus.

Auch Plumb betonte, dass die Bedrohung durch eine Atombombe im All nicht "so unmittelbar ist, dass wir uns jetzt Sorgen machen müssten". Das US-Verteidigungsministerium würde die Gefahr allerdings todernst nehmen.

Veto gegen Atomwaffen-Resolution

Ein weiterer Hinweis, dass Russland an einer Nuklearwaffe für den LEO arbeitet, ist ihre Abstimmung gegen eine vorgeschlagene UN-Resolution im April. Die Resolution forderte Mitgliedsstaaten auf, Artikel 4 des Weltraumvertrags von 1967 einzuhalten. Dieser untersagt es den Ländern, Atomwaffen im Orbit oder auf Himmelskörpern wie dem Mond zu platzieren. Russland legte dazu sein Veto ein.

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Russland würde mit einer nuklearen Anti-Satelliten-Waffe allerdings nicht nur US-Satelliten, sondern auch Satelliten von China, Indien und die eigenen Satelliten angreifen. Andere Systeme gehen deutlich zielgerichteter vor. Sowohl Russland als auch die USA und China arbeiten etwa an Abfangsystemen für startende Satelliten, Systeme, die Satelliten aus ihrer Umlaufbahn stoßen sollen, elektronische Systeme wie Jammer und Laser, die Satelliten blenden sollen. 

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