Symbolbild: Die Rods from God haben angeblich enorme Durchschlagskraft

Symbolbild: Die Rods from God haben angeblich enorme Durchschlagskraft

© National Nuclear Security Administration

Science

Hyperschall-Wunderwaffe "Gottesstab": China testet Durchschlagskraft

Während des Kalten Krieges haben die USA ein Konzept einer erschreckenden Weltraumwaffe entwickelt: orbitale Bombardements. Dieses Prinzip kennt man heute aus Science-Fiction-Filmen und Computerspielen. Ein zuvor in den Weltraum gestarteter Satellit setzt auf Befehl seine tödliche Fracht frei, die unstoppbar auf das Ziel auf der Erde niederregnet.

Dazu gab es mehrere Konzepte. Neben Nuklearsprengköpfen wurde auch daran gedacht, einfach lange Metallstangen abzuwerfen, die durch die hohe Geschwindigkeit eine gewaltige Einschlagskraft auf der Erde verursachen. Einer dieser Pläne wurde Project Thor genannt. Als die US Air Force 2003 das Konzept nochmal aufgriff, tauchte auch der Spitzname Rods from God” oder “Gottesstäbe” auf.

Hyperschall-Stäbe aus dem All

Satelliten im Erdorbit sollen dabei mit Wolframstäben ausgestattet werden. Laut einem Bericht der US Air Force hätten die Stäbe eines Hypervelocity Rod Bundles (HRB) eine Länge von 6 Metern und einen Durchmesser von 30 Zentimetern. Ein zweiter Satellit wäre für die Koordination sowie für die Kommunikation mit der Erde zuständig.

Die Wolframstäbe könnten, sofern 6 bis 8 solcher Satelliten im Orbit sind, mit einer Vorlaufzeit von nur 12 bis 15 Minuten an jedem beliebigen Ort des Planeten abgeworfen werden. Sie würden eine Hyperschall-Geschwindigkeit von bis zu 11 Kilometer pro Sekunde (39.600 km/h) erreichen, ähnlich wie ein Meteorit. Beim Einschlag im Ziel beträgt die Geschwindigkeit etwa 3 km/s. Weil Wolfram über einen extrem hohen Schmelzpunkt von 3.422 Grad Celsius verfügt, würden die Stäbe die Hitze des Wiedereintritts in die Atmosphäre locker überstehen.

Der Aufprall auf dem Boden hätte die Explosionskraft einer Atombombe – ohne dabei nukleare Strahlung freizusetzen. Die Zerstörungskraft geht rein von der kinetischen Energie des Geschosses aus. 

Überraschende Studie

Die potenzielle Zerstörungskraft wurde daher lange als massiv eingeschätzt. So wären die Gottesstangen angeblich in der Lage gewesen, selbst Bunker zu zerstören, die gebaut wurden, um einem Atomkrieg standzuhalten.

Forscher*innen der North University of China in Taiyuan in der Provinz Shanxi haben nun das Potenzial einer solchen Waffe konkret untersucht, und Überraschendes festgestellt, wie die South China Morning Post (SCMP) berichtet. Die Wissenschaftler*innen haben dabei Wolframstäbe auf die 9-fache Schallgeschwindigkeit beschleunigt (rund 3 km/s, 11.000 km/h). 

Wenn ein solches Wolfram-Geschoss ein militärisches Ziel treffen würde, würde eine Hochdruckstoßwelle erzeugt werden, die das getroffene Material komprimiert. Das Zielgebiet würde durch die hohe Temperatur und den Druck zu Plasma werden. Dadurch würden die durch die Stoßwelle erzeugten elektrischen Ströme hochleitfähig und ein Magnetfeld erzeugen. In der Wechselwirkung mit dem Plasma würde jenes auf noch höhere Geschwindigkeiten beschleunigt werden. 

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Der beschleunigte Plasmastrahl würde das Zielmaterial durchdringen. Die Kräfte würden aber auch auf das Wolfram selbst wirken, das aufgrund dessen erodieren würde, sagen die Forscher*innen. Ein etwa 70cm langer Teil der abgeworfenen Wolframstange würde schon bei Mach 8 (2,7 km/s) beim Aufprall sofort verpuffen, sagen sie.

Keine Vorteile durch höhere Geschwindigkeit

Das führt zur Erkenntnis der Forscher*innen, dass eine höhere Geschwindigkeit der Geschosse nicht automatisch zu einer höheren Durchdringung des Ziels führen würde. Die maximale Eindringtiefe in Beton wäre demnach das 80-fache des Projektildurchmessers bei 3,5-facher Schallgeschwindigkeit. Eine Erhöhung der Geschwindigkeit auf Hyperschallniveau (ab Mach 5) würde dabei nicht dazu führen, dass das Geschoss tiefer eindringt. Man hätte dabei keine Vorteile gegenüber einem Beschuss mit mittlerer und niedriger Geschwindigkeit, sagen die Wissenschaftler*innen.

Je schneller das Projektil werden würde, desto stärker würde die Durchschlagskraft zurückgehen. Der Plan, mit den Gottesstangen unterirdische Kommandobunker durchzuschlagen, hätte also vermutlich nicht funktioniert. Bei einem Aufschlag mit Mach 8 würde die Stange mit 30cm Durchmesser unter Idealbedingungen 15 Meter Penetrationstiefe haben. Zum Vergleich: Die Einsatzzentrale Basisraum (der österreichische Regierungsbunker) befindet sich 300 Meter unter der Erdoberfläche.

Aus der Studie geht aber nicht hervor, welchen Zerstörungsradius so eine Wolframstange mit 6 Metern Länge an der Oberfläche verursachen könnte. Die Hochdruckstoßwelle und das Plasma hätten vermutlich eine verheerende Wirkung auf Lebewesen, Gebäude und Fahrzeuge in der Nähe des Einschlags.

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Keine Umsetzung bekannt

Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass die Entwicklung einer derartigen Weltraumwaffe über die Konzeption hinausgegangen ist. Bereits 2018 wurde in China ein Experiment durchgeführt, bei dem ein 140 Kilogramm schwerer Wolframstab in der Wüste Gobi mit 4,6 Kilometer pro Sekunde in den Sand geschossen wurde. Er erzeugte einen Krater mit einem Durchmesser von 4,6 Meter und einer Tiefe von 3 Metern. Schon damals wurden Fragen zur Effektivität einer solchen Waffe aufgeworfen.

Der Stab hatte damals einen Durchmesser von 11 Zentimeter und eine Länge von 84 Zentimeter. Sein Gewicht lag bei 140 Kilogramm. Ein Gottesstab des HRB mit 6 Metern Länge und 30cm Durchmesser würde fast 8,2 Tonnen wiegen.

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