Frauen in der Technologie-Branche: "Wir können alles haben!"
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Europas Technologiesektor boomt. 88 Milliarden Euro wurden hierzulande 2021 in die Branche investiert – mehr als jemals zuvor. Eine Erfolgsgeschichte, von der Frauen allerdings kaum profitieren.
In Österreich lag der Anteil an Frauen, die in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik (MINT) tätig sind, 2019 bei weniger als einem Viertel. Internationale Zahlen zeichnen ein ähnliches Bild und auch der Anteil an weiblichen Führungskräften ist verschwindend gering. Wo sind die Frauen, wenn es der Branche so gut wie noch nie zuvor geht?
Eine Frage, die sich auch die französische Studentin Cara Dounbe Kingue stellt: „Es ist heutzutage nicht mehr zu rechtfertigen, dass Frauen immer noch beiseitegeschoben werden und als weniger kompetent gelten. Sie sind Männern weder biologisch noch psychologisch unterlegen. Und ich glaube, es ist wichtig Beispiele zu geben, als Frau in solchen Domänen tätig zu sein.“
Cara ist eine von 28 jungen Frauen, eine für jeden EU-Mitgliedsstaat inklusive Bosnien, die vergangene Woche bei der Winter School for Female Leadership in the Digital Age an ihren Führungsqualitäten und ihren IT-Skills feilen durften. Programmieren, Cybersecurity, Rhetorik, aber auch Nachhaltigkeit und Ethik standen bei der von Huawei organisierten Kaderschmiede auf dem Programm.
"Frauen müssen Zugang zu den Arbeitsplätzen der Zukunft erhalten"
Alles, um sie mit dem notwendigen Handwerkszeug auszustatten, damit sie in Zukunft in Führungspositionen und in der Technologiebranche Fuß fassen können. „Wenn wir die Kluft zwischen den Geschlechtern in der Gesellschaft als Ganzes schließen wollen, müssen Frauen Zugang zu den Arbeitsplätzen der Zukunft erhalten. Sonst wird die Kluft nur noch größer“, sagt Berta Herrero, Programmdirektorin der Winter School gegenüber der futurezone. „Mit dem Programm sorgen wir dafür, dass wir in ein oder 2 Generationen eine gleichberechtigtere Welt haben werden. Es braucht zwar etwas Zeit, aber es wird geschehen“, so Herrero weiter.
Wie aber kann Gleichberechtigung erreicht werden? „Indem wir Stereotype abbauen. Das beginnt schon in jungen Jahren“, hält die stellvertretende Kommunikationsdirektorin der EU-Kommission, Sixtine Bouygues, in einem Vortrag der Winter School fest. Schon früh solle damit begonnen werden, Chancengleichheit zu schaffen und Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern. Das allein reiche allerdings nicht aus, es müsse in selben Atemzug das Lohngefälle beseitigt werden, ansonsten wären Frauen nicht dazu in der Lage, genug in Bildung zu investieren. „Das ist vergleichbar mit einer undichten Leitung. Wir können noch so viele Frauen mit IT-Skills in den Arbeitsmarkt einspeisen. Aber wenn sie nicht genug verdienen, verlassen sie diesen Sektor und streben andere Karrieren an“, erklärt Bouygues.
Streben nach Spitzenpositionen
Gravierende Unterschiede sehen die Dozent*innen der Winter School auch bei Unternehmensgründungen: „Nur ein Bruchteil, etwa 6 Prozent, aller Start-ups gründen Frauen. Covid hat uns aber gezeigt, dass Start-ups das Rückgrat der Wirtschaft sind. Die Frage ist also: Wie bringen wir Frauen dorthin?“, sagt Tsvetelina Penkova, Abgeordnete des Europäischen Parlaments.
Ähnliche gering ist der Anteil von Frauen in Führungsrollen. „70 Prozent aller im Gesundheitsbereich Beschäftigten sind Frauen. Nur 5 Prozent bekleiden aber Führungspositionen“, erklärt Professorin der IESE Business School Magdalene Rosenmöller im Zuge eines Vortrags. Dabei seien Frauen gerade im Gesundheitssektor eine Bereicherung: „Studien zeigen, dass Frauen einen umfassenderen Blick für das Gemeinwohl haben und eher um Hilfe bitten. Im Gesundheitswesen führt dies zu mehr Gemeinschaftsgefühl.“
Dass auch hierzulande die Gleichberechtigung hinterherhinkt, unterstreicht die österreichische Teilnehmerin der Akademie, Nora Jöchlinger, gegenüber der futurezone: „In Österreich besteht in Sachen Female Leadership definitiv noch Aufholbedarf. Aber hier sind sehr viele inspirierende Frauen und ich werde sicherlich einiges nachhause mitnehmen“, zeigt sich die Innsbrucker Masterstudentin zuversichtlich.
„Wir können alles haben“
„Es ist uns wichtig, dass alle Mädchen verstehen: Technologie ist für sie, selbst wenn sie kein tiefgreifendes technisches Wissen haben. Egal ob man Philosophie, Recht, oder Geschichte studiert, bietet einem die Technologie Möglichkeiten“, erklärt Berta Herrero von Huawei.
Bis alle Frauen dazu in der Lage seien, diese Möglichkeiten auch zu nutzen, habe die Gesellschaft laut Emina Abrahamsdotter von GoGender noch einen steinigen Weg vor sich. „Die Implementierung von Schulungen, usw. ist aufgrund der Ressourcen schwierig“, sagt die schwedische Unternehmerin in einem Vortrag. Viele Konzerne würden weder das Problem fehlender digitaler Skills bei Frauen anerkennen, noch Ressourcen dafür aufwenden wollen.
Trotzdem zeigt sich Abrahamsdotter zuversichtlich: „Wir müssen uns nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden. Wir können alles haben“, appelliert sie an die jungen Teilnehmerinnen, die in Zustimmung nicken. Sie wollen nicht wählen. Und nicht auf die nächste Generation warten.
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