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Android auf der Nintendo Switch im Test: Mehr als eine Spielerei

Das Hacking und Modifizieren von Konsolen hat schon lange Tradition. Von anfangs recht leichten Mods, über die ersten Mod-Chips bis hin zu Bootrom-Exploits und Co. ist einige Zeit vergangen. Während die Hersteller von Spiele-Konsolen sich zu Beginn nur recht hilflos gegen Modifikationen gewehrt haben, wurden Gegenmaßnahmen für die Hersteller mit der Zeit immer wichtiger. Das Verhindern von Hacks hat aus Herstellersicht gleich mehrere Vorteile.

So ist die Entwicklung von Spielen für „unhackbare“ Konsolen deutlich interessanter, da es unwahrscheinlicher ist, dass Raubkopien abgespielt werden können und somit Einnahmen entgehen. Außerdem behalten die Hersteller die Herrschaft über ihr System, müssen also keine In-Game Hacks befürchten, die etwa in Online-Spielen Cheating ermöglichen. Erfolgreich gegen solche Hacks wehren konnten sich in der Vergangenheit aber nur wenige Konsolen. Auch Nintendos Switch hat für eine moderne Konsole verhältnismäßig wenig Gegenwehr geleistet. Auch hier sind abhängig von Modell bzw. Produktionsdatum Modifikationen möglich.

In diesem Fall sogar über einen Bootrom-Exploit, der sich vom Hersteller bei bereits verkauften Geräten nicht mehr beheben lässt und erst über ein Hardware-Update gefixed wurde. Und so haben sich Tüftler auch an die Switch gemacht und sich der Modifikation der Konsole angenommen. Seit Anfang dieser Woche ist für Nintendos Handheld ein auf die Konsole zugeschnittenes Android-System namens "switchroot" verfügbar. Das System eröffnet Nutzern jede Menge interessante Möglichkeiten. Neben dem Zugriff auf ein Arsenal an bereits vorhandenen Spielen zeigt das Switch-Android auch, an welchen Stellen Nintendo das Potenzial der Switch noch nicht ausgeschöpft hat. Denn was im ersten Moment nach Bastelei klingt, bringt durchaus Vorteile. Auch für Otto Normalverbraucher, wie der Test zeigt.

Einfacher Einstieg

Modifikationen, Jailbreaks oder wie auch immer die Hacks für Konsolen, Smartphones und Konsorten genannten werden, stehen oftmals im Verruf, unheimlich kompliziert zu sein. Das Aufspielen modifizierter Software erfordert meist verschiedene Tricks, kann nur unter bestimmten Bedienungen durchgeführt werden und birgt bei vielen Herstellern mittlerweile die Gefahr, Online gesperrt zu werden. Auch die Angst vor Hardwareschäden und Garantieverlust schreckt viele Nutzer gleich von Anfang an ab. All das ist im Falle der Android-Version für die Switch eher keine Gefahr. Das System wird nicht direkt auf dem System gespeichert, sondern von einer eigens präparierten SD-Karte abgerufen und auch nur dort ausgeführt. Nintendo erfährt also nie davon, dass Android auf der Konsole ausgeführt wird oder wurde.

Im Kern setzten die Entwickler des Projektes, das über XDA-Developers veröffentlicht wurde, auf LineageOS. Die frei entwickelte Modifizierung von Googles Android Betriebssystem erfreut sich vor allem auf Smartphones großer Beliebtheit und gehört zu den meisteingesetzten Custom-ROMs. Nach der Installation auf unserer SD-Karte und dem Ausführen des Betriebssystems werden wir direkt vom Lineage-Bootlogo begrüßt. Hier zeigt sich gleich zum Start, dass es doch noch einige Macken zu beseitigen gibt. Im Bootvorgang finden sich nämlich vor allem optische Glitches, die das Bild am Display verrücken und falsch skalieren.

Nach dem Startvorgang sind diese Fehler aber erfreulicherweise verschwunden. Zu Beginn gilt es erstmal unser System einzurichten. Hier können wir uns mit einem WiFi-Netzwerk verbinden, außerdem können wir uns auf Wunsch bei Google anmelden, um die Dienste des Konzerns nutzen zu können. Zum Start fühlt sich das System sehr flott an. Abhängig von der eingesetzten SD-Karte lässt sich hier einiges an Speed rausholen. Dementsprechend ruckelfrei läuft Android hier dann auch. Mehr als WiFi- und Updateeinstellung gilt es nicht vorzunehmen, nach einigen Augenblicken werden wir bereits vom Homescreen unseres Nintendo-Androiden begrüßt.

Mit Joy-Cons durch die Menüs

Nach dem ersten Start gilt es ein paar Fragen zu klären. Eines der wichtigsten Features für ein Switch-Android sollte der Support der links und rechts angebrachten Controller sein. Wer sich eine Plug & Play Lösung erhofft, wird aber enttäuscht. Statt die Controller sofort einsetzen zu können, müssen diese erst über Bluetooth gekoppelt werden. Dafür müssen beide Joy-Cons abgenommen und über einen Knopf an der Seite zum Paaren vorbereitet werden. Erst dann können diese in den Bluetooth-Einstellungen aktiviert werden.

Dieser Prozess muss leider auch bei jedem Neustart wiederholt werden. Die Joy-Cons sind dafür aber bestens in das System integriert. Das Betriebssystem lässt sich locker und intuitiv über die Controller bedienen. Auch Tasten wie etwas Zurück und Home funktionieren so, wie man es von Switch-Original gewohnt ist. Neben der Steuerung über die Joy-Cons kann aber selbstverständlich auch der Touchscreen genutzt werden. Die Eingaben funktionieren hier relativ reibungslos, vereinzelt wird das Tippen erst beim zweiten Mal erkannt. Ein Makel, der sich mit der Weiterentwicklung des Betriebssystems aber wohl beheben lassen sollte. Was die Peripherie angeht, zeigen die Entwickler auch gleich, wo Nintendo das Potenzial der Switch nicht ausschöpft.

Bluetooth-Kopfhörer bzw. Headsets lassen sich nämlich hier ganz normal mit der Switch verbinden und auch nutzen. Einschränkungen bei gleichzeitiger Nutzung der Controller gibt es nicht. Wer die Switch ins Dock steckt, kann über die vorhandenen USB-Ports auch Eingabegeräte wie etwa Maus oder Tastatur nutzen. Die Nutzung von USB-Massenspeichern ebenso wie der Einsatz von USB-C Hubs war während des Tests noch nicht möglich. Die Nutzung am Fernseher via Dock funktioniert problemlos.

Endlich Netflix auf der Switch

Wohl das größte Argument Pro Switch-Android sind aber die Apps. Da LineageOS auf Android basiert erhalten wir, sofern bei der Installation „GApps“ ausgewählt wurde, auch Zugriff auf den Playstore. Und hier kann quasi aus dem Vollen geschöpft werden. Firefox und Chrome lassen sich einwandfrei auf der Konsole nutzuen. Für eine Handheld wie die Switch sind natürlich Medieninhalte von besonderem Interesse. Als ersten Test laden wir also die gängigsten Streaming-Dienste auf unser Gerät. Netflix, DAZN, SkyGo aber auch Spotify oder die ARTE Mediathek stehen im Playstore wie gewohnt zur Verfügung.

Die Navigation durch den Playstore funktioniert reibungslos, auch die Installation macht keinerlei Probleme. Ohne große Erwartungen werden die Netflix-Zugangsdaten eingegeben und siehe da: es klappt! Reibungslos können wir uns durch die Bibliothek des Streamingdienstes durcharbeiten und unsere liebsten Serien und Filme abspielen. Die Streams laufen dabei fast durchgehen ruckelfrei. Auch Sprache und Untertitel lassen sich einstellen. Die App unterscheidet sich nur in einem einzigen Punkt von Netflix auf einem „Standard-Gerät“. Da die Switch nicht Widevine L1 zertifiziert ist, können Inhalte nur in SD, nicht aber in HD angespielt werden.

Da Wiedevine im Streaming-Business mittlerweile zum Standard gehört, gilt dieses Problem für fast alle Apps dieser Art. Auch Sport-Streams bei DAZN lassen sich ohne Problem abspielen und reibungslos konsumieren. Einziger Ausreißer ist wie so oft Sky Go. Der technisch eher rückständige Pay-TV-Anbieter spuckt seinen Kunden auch hier in die Suppe und verweigert den Dienst komplett. Statt Streams zumindest in SD anzubieten verweigert der Anbieter nämlich grundsätzlich den Einsatz auf gerooteten Geräten bzw. Custom-ROMs. Wer seine Filme und Serien lieber selbst mitbringt, kann das jetzt auch auf der Switch tun. Je nach Größe können auf der SD-Karte Mediendateien abgelegt und dann beispielsweise über den VLC Mediaplayer wiedergegeben werden.

Gaming? Kein Problem!

Es sollte nicht sonderlich überraschend kommen, dass es sich auf der Switch auch ganz gut zocken lässt. Der von Nintendo verbaute Tegra X1 werkelt auch unter Android ohne großartige Probleme. Dank umfangreicher Optimierung sind der Fantasie hier kaum Grenzen gesetzt. Ein Spiel wie „Bonfire: Forsaken Lands“ läuft einwandfrei und stellt keine Herausforderung für die Switch dar. Aber auch vermeintlich größere Games lassen sich mit Abstrichen spielen.

PUBG Mobile etwa kann auf mittlerer Stufe einwandfrei gezockt werden. Grafisch sollte in der Theorie auch mehr als nur Mittel möglich sein, das Spiel blockiert höhere Grafikeinstellungen aber (noch) softwareseitig. Die Joy-Cons erkennt das Spiel bisher aber noch nicht. Ein Makel, der nicht nur bei PUBG zutrifft. Grundsätzlich finden sich momentan noch recht wenige Spiele, die Nintendos Controller vollends unterstützen. Es bleibt aber darauf zu hoffen, dass mit der Zeit Lösungen für dieses Problem gefunden werden.

Neben den vielen Spielen, die es bisher noch nicht auf die Switch geschafft haben sind vor allem jene interessant, die es wohl nie auf die Switch schaffen werden. Android ermöglicht uns beispielsweise das Ausführen von Emulatoren. Damit lassen sich alte Gameboy-Spiele und theoretisch auch Games anderer Konsolen auf der Switch spielen. Ohne großen Aufwand. Außerdem interessant ist der potenzielle Einsatz von Nvidias Gamingplattform.

Über ein eigens zur Verfügung gestelltes Softwarepaket lässt sich die Switch nämlich in eine Art NVIDIA Shield verwandeln. Und ermöglicht somit Zugriff auf Games wie Half-Life 2 und Borderlands. In Sachen Performance gibt es wie bereits erwähnt kaum Probleme. Schwergewichtige Spiele haben hier und da noch Ruckler. Die weitere Optimierung der Taktung via Software verspricht hier aber in Zukunft noch einige Verbesserungen.

Fazit: Mehr als eine Spielerei

Neben den unheimlich vielen positiven Aspekten gibt es aber selbstverständlich auch noch einige Problemchen mit Android auf der Switch, die sich mal mehr mal weniger leicht beheben lassen. Während die Kommunikation via Whatsapp ganz normal möglich ist, schaut es bei Diensten wie Skype, Duos und Konsorten eher schlecht aus. Da die Switch kein Mikrofon bietet, ist das Kommunizieren über Audio nicht wirklich möglich. Auch das Mikrofon von angesteckten Kopfhörern wurde im Test nicht erkannt. Eine fehlende Kamera verhindert auch Videoanrufe sowie generell das Fotografieren mittels Switch.

Auch Pokemon Go lässt sich mit der Switch nicht spielen, da das dafür notwendige GPS-Modul nicht vorhanden ist. In Sachen Stabilität kann sich das Switch-Android aber durchaus sehen lassen. Abstürze gab es im Test meist nur im Sperrbildschirm, Apps oder Spiele waren fast nie an einem Crash beteiligt. Auch sonst läuft das Interface für ein Projekt dieser Art unheimlich flüssig. Zu den größten Problem zählt etwa der momentan noch nicht vorhandene Tiefschlaf der Konsole.

Schalten wir die Switch über Nacht in den Standby, ist der Akku am nächsten Morgen garantiert leer. Beim Aufladen selbst wird auch der Ladefortschritt nicht angezeigt, das System suggeriert also, dass keine Aufladung stattfindet. Auch der automatische Wechsel zwischen Hoch- und Querformat funktioniert noch nicht reibungslos. Grundsätzlich sollten sich die meisten Bugs aber mit der Zeit ausmerzen lassen. Für den frühen Entwicklungstand des Switch-Android erhalten wir jedenfalls ein überraschend gutes System.

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Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

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