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Call of Duty Modern Warfare im Test: Wer will, darf nachdenken

Im Vorjahr verzichtete Call of Duty mit „Black Ops 4“ auf einen Story-Modus. Heuer geht es zurück zu den Wurzeln. „Call of Duty: Modern Warfare“ (PS4, Xbox One, PC) spielt wieder in der Gegenwart statt der Pseudo-Zukunft und bietet einen gelungenen, wenn auch kurzen Story-Modus. Und entgegen vieler anderer Meinungen, gibt es auch Stoff zum Nachdenken – wenn man möchte.

Der sanfte Neustart

Auch wenn es der Name vermuten lässt: Modern Warfare ist nicht ein Remake von „Call of Duty 4: Modern Warfare“, das 2007 erschienen ist. Im Filmjargon wäre es ein Soft-Reboot – also das, was Sony alle paar Jahre mit Spider-Man macht. Das heißt: Neue Story, neue Missionen, aber leider auch kein Wiedersehen mit Klassikern wie „Crew Expendable“ und „Death From Above“.

Veteranen der Serie werden dennoch vertraute Elemente vorfinden. Viele Levels haben das klassische Korridor-Design, gescriptete Sequenzen und flotte Action. Es gibt aber erfrischende Ausnahmen, die das Tempo verändern. Das intensive Spielerlebnis geht dadurch nicht verloren. Es wird nur zugunsten von Spielern verschoben, die sich etwas mehr für Militär und Taktik interessieren – und damit ist nicht gemeint, bloß die echten Namen der Waffen im Spiel zu kennen.

Langsamer und offener

Zu diesen Missionen gehören etwa die, in denen bei Nacht ein Haus gesäubert werden muss. Anstatt einfach wild ballernd durchzulaufen, geht man langsam von Tür zu Tür. Das schallgedämpfte Gewehr schießt nur halbautomatisch – nicht realistisch, aber ein kluger Schachzug der Spielentwickler, um den Spieler das bedachte taktische Vorgehen schmackhaft zu machen.

Und dann gibt es noch zwei Missionen, in denen sich der Spieler etwas freier bewegen kann. Natürlich ist es kein Open-World-Game, aber immerhin mehr eine große Arena, anstatt des klassischen Baller-Korridors. Auch hier ist das langsamere, taktische Vorgehen empfehlenswert. Einmal, weil man möglichst unentdeckt die Ziele erfüllen will und ein anderes Mal, weil es in dem Chaos schwer ist, Terroristen von Zivilisten zu unterscheiden, die auf einen zulaufen.

Neben diesen Highlight-Missionen gibt es die üblichen Einsätze: Laufe Richtung Ziel (in andere Richtungen geht es ohnehin nicht) und erschieße alle Feinde auf dem Weg. Das ist gewohnte Call-of-Duty-Formel. Dazwischen gibt es noch Scharfschützen- und Schleichaufgaben, wodurch es genügend Abwechslung im Einzelspieler-Modus gibt.

Selbst denken statt vorkauen

Ein paar Missionen sind sehr offensichtlich von realen Einsätzen inspiriert. Dazu gehört der Sturm auf das Anwesen von Osama Bin Laden und der Bengasi-Anschlag, der auch in „13 Hours“ verfilmt wurde. Ebenfalls offensichtlich von der Realität inspiriert sind die Terroristen, die ursprünglich gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft - und dabei auch von den US-Geheimdiensten unterstützt wurden - und dann aber Anschläge in der westlichen Welt verrichtet haben.

Modern Warfare erhebt dabei keinerlei Anspruch auf historische Korrektheit. Es werden Dinge aus der Realität genommen und neu verwebt. Wer darüber nachdenkt, kommt schnell darauf, was wie gemeint ist und dass sich in dem Spiel subtile Kritik findet.

Deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, wieso viele andere Medien die Kampagne kritisieren. Es gebe nicht genügend „Moral“. Natürlich gibt es nicht die Moral wie die Faust aufs Auge: Modern Warfare ist ein Kriegsspiel und kein Anti-Kriegsspiel. Umso beeindruckender ist es, wie die Spielentwickler die Kritik untergebracht haben.

Nur ein Soldat

Der Spieler ist Befehlsempfänger – er ist Soldat. Wenn er etwas moralisch Fragliches macht, wird ihm vom Befehlshaber zugesichert, dass er eh das Richtige gemacht hat. Und macht er es nicht, macht es ein anderer. Oder: Zögert man mit dem Schießen, um sicherzustellen, dass man niemand Unschuldigen erwischt oder ballert man einfach mal drauflos?

Wer will, kann darüber nachdenken und versuchen nachzuvollziehen, in wie weit von Soldaten überhaupt „Moral“ erwartet werden kann und ob „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ auch für die westliche „zivilisierte“ Welt gelten sollte. Oder wie moralisch das Erstürmen eines Hauses in der Nacht ist, ohne den Menschen darin die Chance gegeben zu haben, sich zu ergeben.

Und wer nicht darüber nachdenken will, wurde zumindest 6 Stunden gut unterhalten.

Ohne Zombies und Battle Royal

Auch wenn einige Missionen von Modern Warfare zum Wiederspielen einladen, liegt der Langzeitspielwert im Multiplayer-Modus. Den Battle-Royale-Mode von Black Ops 4 gibt es nicht. Auch auf einen Zombie-Modus, mittlerweile ein CoD-Klassiker, wird verzichtet. Beides könnte eventuell später per Patch kommen.

Dafür gibt es aber 4 „Special-Ops“-Missionen. Hier spielen 4 Spieler kooperativ zusammen. Die Missionen spielen meist auf großen Maps, der Respawn findet per Fallschirmabsprung statt. Leider laufen alle diese Missionen darauf hinaus, dass man sich gegen unendlich viel heranstürmende Feinde verteidigt. Es ist ein Horde-Modus mit Zeitlimit, anstatt richtige Koop-Missionen.

Es wird besser

Einer der Gründe, warum dieser Test erst jetzt erscheint: Das Abwarten auf die versprochenen Patches, die sich vor allem auf den Multiplayer-Modus auswirken. Mit dem Update 1.06 gibt es tatsächlich die angekündigten Verbesserungen, wenn auch nur zaghaft.

Das Problem ist, dass die Spielentwickler versucht haben, die taktischeren, langsamen Komponenten der Kampagne auf den Multiplayer-Modus zu übertragen. Was die Spieler daraus machen: campen. Die Maps mit den schließbaren Türen, vielen Ecken und den Mechaniken zum um die Kanten schauen und Waffen auflegen, unterstützen dies zusätzlich, ebenso wie die zu starken Claymore-Minen. Der Patch 1.06 hat die Minen etwas entschärft und neue Maps hinzugefügt. Es fühlt sich zwar noch immer nicht wie das Run-and-Gun des Modern Warfare von 2007 an, aber es lässt hoffen, dass mit weiteren Updates bessere Maps hinzukommen.

Neben den klassischen 6 vs 6 und 10 vs 10 Modi, gibt es mit Gunfight noch einen 2 vs 2 Modus. Der ist erfrischend, macht aber nur mit einem gut eingespielten Kumpel Spaß. Der Modus Ground War ist mit 32 vs 32 Spielern der Größte in Modern Warfare. Anfänger werden schnell frustriert sein, aufgrund der Masse an Campern. Im Gegensatz zu Battlefield kommt auch das Gefühl des Teamplays kaum auf – in CoD ist anscheinend jeder gewohnt, einfach allein drauf los zu laufen. Mit dem Patch 1.06 ist zumindest eine neue Map hinzugekommen, Krovnik Farmland. Diese hat weniger erhöhte Stellungen als die zwei ursprünglichen Ground War-Karten. Es gibt zwar immer noch Scharfschützenstellungen, aber es wirkt ausbalancierter. Hoffentlich kommen zukünftig noch mehr Maps, die an das Feedback der Gamer angepasst wurden.

Gute Grafik, riesige Downloads

Die Call of Duty-Serie hat nicht nur aufgrund seiner jährlichen Fortsetzungen den Ruf eines Konserven-Shooters. Auch technisch hat man das Gefühl, dass sich schon lange nichts mehr getan hat. Bei Modern Warfare merkt man allerdings einen grafischen Sprung – auch auf den Konsolen. Die Texturen sind detaillierter, Licht- und Feuereffekte spektakulärer. Die Umgebung lässt sich aber nach wie vor nicht zerstören.

Ein Preis für die Schönheit ist die enorme Größe. Auf der PS4 und Xbox One nimmt Modern Warfare über 100 GB ein. Wer das Game digital kauft, sollte sich auf eine längere Download-Zeit einstellen. Selbst wenn man das Spiel auf Disc kauft, müssen gut 90 GB an Patches und Updates heruntergeladen werden, um alle Modi von Modern Warfare spielen zu können.

Fazit

Modern Warfare ist nicht „in your face“. Es versucht weder eine „America Fuck Yeah!“-Agenda zu pushen, noch der Anti-Kriegs-Moralapostel zu sein. Mit ein paar Ausnahmen, bei denen das Storytelling zu plump ist, gelingt das auch.

Wer will, kann Modern Warfare einfach nur wie einen Shooter spielen, sich an der besseren Grafik erfreuen und über die faden Nicht-Baller-Missionen (teilweise zurecht) raunzen. Wer Lust hat, kann zwischen den Zeilen lesen und sich mit den Puzzlesteinen sein eigenes Bild machen.

Bei der ganzen moralisch oder nicht-moralischen Diskussion, darf man nicht die Hard Facts vergessen. Die Kampagne ist gut und unterhaltsam, aber nach etwa 6 Stunden vorbei. Der Multiplayer-Modus kann noch nicht voll überzeugen, die Patches geben aber Grund zur Hoffnung, dass er besser wird.

Als Call-of-Duty-Veteran sollte man Modern Warfare eine Chance geben und dieses Jahr nicht auslassen. Als Quereinsteiger in die Serie kann man sich ruhig noch etwas Zeit lassen, bis das Game günstiger ist und/oder mehr Patches erschienen sind, die das Balancing im Multiplayer-Modus verbessern.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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