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Sifu im Test: Das wahrscheinlich schwerste Spiel des Jahres

In Sifu nimmt man Rache an 5 Schergen. Jeder Tod macht die Spielfigur stärker, lässt sie aber auch altern. Damit wird das Game vor allem zu einem Training für die eigenen Reflexe.

Richtig schwere Spiele sind inzwischen ein eigenes Genre geworden. Normalerweise habe ich dafür wenig Begeisterung und bin schnell gelangweilt, wenn ich merke, ich muss zu viel Arbeit in meinen Fortschritt stecken. Immer mal wieder kommt dann aber ein Spiel um die Ecke, das mich trotz zahlreicher lautstarker Wutausbrüche einfach nicht loslässt. Und Sifu ist so ein Spiel.  

Es bietet ein sehr gutes Gesamtpaket aus interessanter Prämisse und spannender Spielmechanik. Wir schlüpfen in die Rolle eines oder einer jungen Kämpfer*in auf Rachefeldzug. 5 Assassinen müssen dafür aufgesucht und ausgeschaltet werden. Auf dem Weg durch Hinterhöfe, einen Nachtclub oder ein Museum erkämpft man sich eine Audienz bei diesen Feinden.  

Verbeugung vor Film-Klassikern

Die interessante Comic-Aquarell-Grafik, der gelungene Soundtrack und die saftige Sounds, wenn man die Gegner mit einer Eisenstange haut, sorgen für eine stimmungsvolle Inszenierung. Filme wie Old Boy und The Raid werden dabei überdeutlich zitiert. Das ist auch nicht unwichtig, denn man wird die Level – insbesondere eins und zwei – immer und immer wieder sehen. Die ersten 20 Stunden dieses Spiels habe ich fast ausschließlich damit verbracht, das erste Level zu wiederholen.  

Das wirkt auf den ersten Blick wie schlechtes Gamedesign. Ich gebe auch zu, dass ich anfänglich kurz davor war, das Pad einfach weg zu legen und das Spiel nicht mehr anzufassen. Denn das Tutorial, das mit einer der besten Opening-Credits endet, die ich je in einem Spiel gesehen habe, suggeriert, dass die Kämpfe eigentlich gar nicht so schwer sind. Ausweichen, Parieren, zuschlagen. Alles kein Problem.  

Klägliches Scheitern

Schon beim ersten Durchlauf des ersten Levels merkt man dann, dass das Tutorial einen für gar nichts vorbereitet hat, man schon an den ersten mickrigen Gegnern kläglich scheitert und eigentlich auch nicht versteht, wie das Spiel funktioniert. Denn was so tut, als sei es eine Version des aus Assassin’s Creed und Batman bekannten Free-Flow-Kampfsystem ist ein ultra-präziser Mix aus ausweichen und im richtigen Moment zuschlagen. Einfach in der Panik wild Knöpfe drücken und hoffen, dass man damit durchkommt, funktioniert nicht - wie ich für euch getestet habe. 

Ich habe auf dem PC mit einem Xbox-Controller gespielt und mir schmerzte nach den ersten Stunden so dermaßen der Daumen, dass ich mir nicht sicher war, ob er nicht entzündet ist. Denn eigentlich hält man durchgehend die Deckungstaste und weicht mit dem Analogstick aus. Parieren braucht man eigentlich gar nicht erst zu versuchen, zumindest zu Beginn nicht. Die Abfrage ist so präzise, dass man wirklich exakt in der Millisekunde blocken muss, in der die gegnerische Faust auf einen zu fliegt.  

Die übermächtige Eisenstange

Endlos blocken kann kann man aber auch nicht, denn irgendwann ist die Fokusleiste voll und die Gegner können durchbrechen. Hier drängt sich natürlich der Vergleich mit Sekiro auf. Wie wir haben auch Gegner diese Fokusleiste und auch wir müssen so lange auf sie eindreschen, bis diese durchbrochen ist. Dann gibt es meist einen hübschen Finisher - der aber auch dazu führen kann, dass die Gegner wieder aufstehen, volle Gesundheit haben und noch schwerer zu besiegen sind.

Die wichtigste Lektion, die man lernen muss ist die Übermacht der Waffen. Sobald man eine Eisenstange, einen Baseballschläger oder ein Schwert findet, sollte man sofort zugreifen. Das macht das Spiel deutlich einfacher. Gleichzeitig fragt man sich, warum man nicht überhaupt mit Waffen kämpft, da diese so deutlich mächtiger als Fäuste und ohnehin reichlich verfügbar sind.

Tod ist nicht für immer

Stirbt man im Spiel, dann ist die Figur nicht wirklich tot, sondern steht mithilfe eines magischen Amuletts wieder auf. Allerdings wird man mit jedem Tod älter. Der Todeszähler gibt an, wie viele Jahre man mit jedem Tod altert. Hat man erfolgreich einen schweren Gegner besiegt, sinkt dieser Zähler wieder. Desto älter man wird, desto stärker wird man, während die Gesundheit zurück geht. Bei Level 70 ist dann Schluss und die Figur stirbt permanent.  

Denn Sifu ist ein rogue-like und hier wird es kompliziert und interessant. Von seinem Hauptquartier aus startet man jedes Level einzeln. Hat man eines geschafft, wird das nächste freigeschaltet. Man beginnt es immer mit dem jüngsten Alter, mit dem man es jemals begonnen hat. Um durch alle 5 Level zu kommen, sollte das natürlich so niedrig wie möglich sein. Daher wird man jedes Level etliche Male spielen, um es mit weniger Toden abzuschließen und damit auch das nächste mit diesem niedrigen Alter zu starten. Man kann nach und nach in den Leveln Abkürzungen freischalten, die die Chance signifikant erhöhen, mit wenigen Toden durchzukommen.

Fehlende Erklärungen

Doch es gibt noch einen anderen Grund, sich immer wieder durch die gleichen Gebiete zu kämpfen: Die Fertigkeiten. Denn mit den gesammelten Erfahrungspunkten lassen sich neue Kombinationen und Fähigkeiten freischalten, die das Spiel deutlich leichter machen. Zum Beispiel kann man Kisten, Taschen oder Hocker nach den Gegnern treten oder Gegenstände auffangen, die sie nach einem werfen. Für sehr viele Erfahrungspunkte kann man diese Fertigkeiten permanent freischalten, also für jeden Durchlauf, nicht nur den aktuellen. Und das ist essentiell, um überhaupt weiterzukommen. 

Freigeschaltet werden sie entweder nach einem Tod oder an Statuen, die in den Leveln verteilt sind. Dort kann man aber auch Skills freischalten, die nur für diesen einen Spieldurchlauf gelten, wie etwa mehr Gesundheit. Das alles musste ich im Internet nachlesen, weil es nicht erklärt wird. Dass etwa Levelpunkte nach dem Abschluss jedes Levels verfallen, sagt einem niemand und schon hat man sich verskillt. Das ist ein großes Versäumnis und hier sollte man einfach ein bisschen bei den Erklärungen nachbessern, zumindest im Menü. Wenn ich solche für das Spiel essenziellen Sachen googlen muss, dann halte ich das einfach für schlechtes Design. 

Wiederholung macht den Meister

Warum also lässt einen dieses Spiel nicht los? Nachdem ich die ersten Stunden kläglich scheiterte, blieb mir das Spiel trotzdem im Kopf, denn irgendwie musste es ja zu schaffen sein. Und dann habe ich am nächsten Tag das Pad wieder in die Hand genommen und es nochmal probiert. Und nochmal. Und nochmal. Und plötzlich habe ich es geschafft, mit nur einem Tod durch das erste Level zu kommen. Es hat Klick gemacht und durch die Stellen, an denen ich zuvor versagt habe, kann ich jetzt durchspazieren. Und das ist enorm befriedigend. Ich habe das Gefühl, ich habe was geschafft. Und obwohl es sich wiederholt, langweilt es mich nicht. Noch nicht.

Für das Review wurde uns ein Speicherstand gegeben, bei dem alle Level schon freigeschaltet sind, weil die Publisher wissen, wir haben keine Zeit und / oder keinen Skill, das rechtzeitig durchzuspielen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das Spiel unter anderen Umständen abgeschlossen hätte, einfach weil man wirklich dran bleiben muss, um sein mühsam antrainiertes Können nicht gleich wieder zu vergessen. Und das passt wieder gut zum gesamten Spielthema, in dem unser Held oder unsere Heldin immer wieder aufsteht und weiter macht – und eben immer besser wird.  

Fazit

Das macht Sifu zu einem der schwersten Spiele des Jahres – und mir ist durchaus bewusst, dass das notorisch schwierige Elden Ring gerade erschienen ist. Während das nichts für mich ist, bin ich Sifu aber völlig verfallen. Die Inszenierung wird nie langweilig und die Kämpfe machen auch beim 300sten Mal noch Spaß. Außerdem habe ich einen Speedrun gesehen, in dem jemand das Game in 20 Minuten geschafft hat – das hat meinen Ehrgeiz mehr geweckt, als ich eigentlich zugeben möchte. Wem das Thema zusagt und wer nicht davor zurück schreckt, sich wirklich in ein Game zu verbeißen, dem sei Sifu nur wärmstens ans Herz gelegt.

Sifu ist für PC (Epic Game Store), PS4 und PS5 erschienen. 

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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