Peter Glaser: Zukunftsreich

Das globale Doof

Doug Chernack und Mike Bender leben beide in Los Angeles und sind im Zivilberuf Drehbuchautoren, Bender ist auch noch TV-Produzent. Neben der Arbeit für Größen wie Tom Cruise, Ben Stiller und die MTV Movie Awards hegen die Entertainment-Freunde, die sich schon seit Kinderzeiten kennen, mit Hingabe ihr Fotoblog Awkward Family Photos – Motto: Man darf die Menschen nicht mit ihren Engsten alleinlassen. Drei aus der Überfülle an visuellen Schaurigkeiten geschöpfte Fotobände leuchten inzwischen Spezialgebiete der Familienfotofürchterlichkeit aus (Babys, Haustiere, Urlaub).

Danebengegangene Momente

Der Anlass, ein solches Blog einzurichten, war ein grauenhaftes Urlaubsfoto, das die Mutter von Mike in ihrem Haus aufgehängt hat. Bender konnte einfach nicht verstehen, weshalb sie einen so danebengegangenen Moment unbedingt aufbewahren wollte. Er sagte seinem Freund, dass er auch einen ganzen Haufen solcher Fotos bei sich zu Hause hätte. Man kam zu dem gemeinsamen Schluss, dass, wenn schon man selbst welche habe, dass wohl jeder solche peinlichen Familienfotos haben musste. Also ging die Seite Online.

Die 2009 mit eigenen Familienfotos gestartete Website ist inzwischen ein Dauerbrenner. Millionen von Klicks hageln täglich auf sie herab, und von überallher treffen Hunderte horribler Familienfotos ein – pubertäre Peinlichkeiten, frenetische Frisuren, Verwandtschaftsrivalitäten: „Du wirst so laut lachen, dass die Leute aus den Nachbarbüros fragen werden, was mit dir nicht stimmt“. Die Leute schicken immer Fotos von sich selbst und von ihrer Familie.

Freudenfeier der Peinlichkeit

Es gibt einfache Kriterien, nach denen Chernack und Bender die Bilder für ihr Blog aussuchen: „Wir halten Ausschau nach Sachen, die uns zum Lachen bringen. Bilder, wie wir sie noch nicht oft gesehen haben und die in der Tonalität zu dieser Freudenfeier der Peinlichkeit passen.“ Was macht den speziellen Reiz dieser schrägen Fotos aus? „Ich glaube einfach“, schreibt Chernack in einer Mail, „dass jeder eine Beziehung zu solchen Bildern hat, egal woher er stammt. Wenn du eine Familie hast, presst du die Lippen zusammen und nickst stumm, wenn du die Website durchblätterst. Und ab und zu explodierst du vor Vergnügen.“

In einer Familie, heißt es, kennt man sich auch in Unterhosen. Warum wollen die Menschen, dass jeder diese Fotos im Internet sehen kann? Vor allem: Warum sind sie so unglaublich komisch? Vielleicht hat es etwas von „Du denkst, dass deine Familie eigenartig ist? – Dann wart mal, bis du meine gesehen hast…“ Da scheint etwas zu sein, das wir alle gemeinsam haben. Peinlichkeit ist ein globales Phänomen, da gibt es eigentlich keine nationalen Besonderheiten. Jeder kennt diese horriblen Momente voll Unbehagen und Ungeschick aus seiner eigenen Familie, wo auch immer auf der Welt man lebt.

Bleibende Schäden?

Die Blog-Beiträger schreiben meist auch die Geschichte des Fotos dazu, das sie schicken. „Das“, so Chernack, „ist etwas, das wir ganz besonders lieben an der Website – dass man sich miteinander über die unterschiedlichen Aspekte der Familienerfahrung austauschen kann.“

Manche Eltern denken sich besonders kuriose Kostümierungen für ihren Nachwuchs aus. Man fragt sich manchmal, ob Fotos davon zu bleibenden Schäden führen können. Die Blogbetreiber sind da optimistischer. „Wir haben die Hoffnung, dass wir mit dem Zustandekommen dieser Community auf unserer Website dazu beitragen, dass die Leute sich mit Humor über das Ganze erheben, jedenfalls, wenn sie die Fotos später mal sehen, anstatt traumatisiert zu sein. Wir versuchen sie zu ermutigen, diese besonderen Momente doch miteinander zu teilen.“ Und Peinlichkeit kennt keine Saison. Die Fotos umfassen sämtliche Jahrzehnte der letzten 60 Jahre.

Ob es ein Lieblingsfoto gebe, frage ich. „Wir sind von sehr vielen der Bilder entzückt. Aber unser All-time-Favorit ist glaube ich der Clarinet Boy. Ein dicker, rothaariger Junge mit einer Fantasieuniform und einem rätselhaften und unerklärlich komischen Gesichtsausdruck.“

Ob man sich vor dieser Art von Fotos irgendwie retten könne?

„Ich hoffe nicht!“

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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