Durch Toilettenspülung klüger werden
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Wissen Sie, wie eine Toilettenspülung funktioniert? Was für eine dumme Frage! Das ist doch ganz einfach! Man drückt, und das Wasser kommt, und alles ist gut. Aber könnten Sie den Bauplan einer Toilettenspülung aufzeichnen, mit den wichtigsten mechanischen Bauteilen und der korrekten Form des Abflussrohrs?
Die Psychologen Leonid Rozenblit und Frank Keil führten an der Yale University in den USA ein Experiment durch: Sie ließen Versuchspersonen auf einer Zahlenskala bewerten, wie gut sie verschiedene Objekte verstehen – etwa Toilettenspülungen, Nähmaschinen oder Reißverschlüsse. Die meisten Personen ordneten sich irgendwo in der Mitte ein: Sie hatten das Gefühl, vielleicht nicht alle technischen Details zu kennen, aber zumindest die wichtigsten Grundprinzipien verstanden zu haben.
Danach wurden die Versuchspersonen gebeten, im Detail zu erklären, wie diese Objekte funktionieren. Und dabei erlebten viele von ihnen eine Überraschung: Das ist nämlich deutlich schwieriger als gedacht. Jeder kann eine Toilettenspülung ganz leicht bedienen, daher haben wir nicht das Gefühl, dass sich hier irgendwelche komplizierten Geheimnisse verbergen könnten. Aber mit einer Sache umgehen zu können ist etwas völlig anderes als diese Sache erklären zu können. Man nennt das die „Illusion der Erklärtiefe“. Nach dem Erklärversuch wurden die Testpersonen noch einmal gebeten, ihr Verständnis der Objekte einzuschätzen – und im Durchschnitt korrigierten sie ihre Selbsteinschätzung deutlich nach unten.
Wie zeichnet man ein Fahrrad?
Auf ähnliche Ergebnisse kam die Psychologin Rebecca Lawson an der Universität Liverpool: Sie bat Testpersonen, ein Fahrrad zu zeichnen, mit korrekter Position der Fahrradkette, der Räder und des Rahmens. Das klingt schrecklich einfach – ist es aber nicht. Aus wie vielen Stangen besteht ein Fahrradrahmen? Was ist nun genau womit verbunden? Viele Testpersonen waren überrascht über das eigene Unwissen.
Diese Ergebnisse kann man nun negativ sehen: Wir alle überschätzen uns häufig und wissen weniger als wir eigentlich glauben. Man kann sie aber auch positiv sehen: Es gibt eine einfache Möglichkeit, selbst zu erkennen, wie gut wir etwas verstanden haben: Wir müssen es einfach nur erklären. Es ist nicht einmal nötig, dass unsere Erklärungen dann bewertet und von Experten analysiert werden. Schon der Akt des Erklärens selbst hilft uns, unser eigenes Wissen plötzlich viel besser einzuschätzen.
Wer vielleicht in der Schule mal den Klassenkollegen Mathematiknachhilfe gegeben hat, der weiß das: Erst wenn man in der Lage ist, etwas zu erklären, hat man es so richtig verstanden. Das ist auch ein sehr starkes Argument für die Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten: Es mag auf den ersten Blick wie Verschwendung aussehen, wenn man geniale Professorinnen und Professoren dazu zwingt, Vorlesungen zu halten, anstatt jede Sekunde ihrer wertvollen Zeit mit Forschung zu verbringen. Aber wer eine Vorlesung halten will, muss erklären. Wer erklären will, muss zunächst einmal Ordnung im eigenen Gehirn schaffen. Und wer Ordnung im Kopf geschaffen hat, kann deutlich besser forschen.
Klüger werden beim Zähneputzen
Das gilt wohl auch für unsere weltanschaulichen Grundsätze: Wir finden Partei A besser als Partei B. Wir sind für ein Verbot von C und eine steuerliche Entlastung von D. Aber warum eigentlich? Wenn man gezwungen ist, die innere Logik dieser Überzeugungen zu erklären, wenn man seine eigenen Argumente im Kopf aufdröselt, dann erkennt man oft, dass diese Überzeugungen gar nicht so fundiert sind, wie man ursprünglich dachte.
Wenn man das weiß, kann man dadurch ganz gezielt klüger werden: Wir müssen nur jemanden finden, der sich unsere Erklärungsversuche anhört. Oder man erklärt es sich einfach probeweise selbst: Beim Zähneputzen, in der Straßenbahn, beim Wäscheaufhängen. Beim ersten Mal fühlt sich das seltsam an, aber es wirkt. Es ist eine tolle Möglichkeit, herauszufinden, in welchen Bereichen man sich auf das eigene Wissen verlassen kann und worüber man vielleicht noch ein bisschen nachdenken muss.
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