Porträt einer glücklichen Menschenmenge, die ein Musikfestival genießt.
© ANDOR BUJDOSO

Meinung

Wissenschaft als Show

Wir sollten vorsichtig sein, welche Leute wir uns als Stars präsentieren lassen.

Ist es die genialste Theorie seit Albert Einstein, oder purer Unfug? Für die allermeisten Leute ist das nicht zu entscheiden, wenn Eric Weinstein über Physik spricht – und das tut er gerne. Etwa beim berühmten Podcaster Joe Rogan, vor Millionenpublikum. Oder in der Talkshow von Piers Morgan. Er spricht dort über „Geometric Unity“ – eine angeblich revolutionäre Theorie, mit der er die großen Fragen der Physik beantwortet haben will. Die Gravitation soll mit der Quantenphysik verbunden werden, die dunkle Materie soll dadurch erklärt werden, neue Teilchen sollen vorhergesagt werden. Kein Zweifel: Wenn das stimmt, ist es nobelpreiswürdig.

Eigentlich ist es ein Grund zur Freude, wenn Wissenschaft ein Millionenpublikum erreicht. Das Problem dabei ist nur: Was Eric Weinstein hier präsentiert, ist keine Wissenschaft.

Zu echter Wissenschaft wird eine Idee erst, wenn man sie klar formuliert und anderen Leuten zur Verfügung gestellt hat. Aber das hat Weinstein nie getan. Er hat seine „Geometric Unity“ nie in einem Fachjournal veröffentlicht, sie wurde nie überprüft. Er hat nur einen einzigen Text über seine Theorie ins Internet gestellt – und den bezeichnet Weinstein selbst als „Unterhaltung“, und weist darauf hin, dass man darauf nicht aufbauen soll.

Leute, die sich in dem Fachbereich auskennen, kritisieren: Eigentlich hat Weinstein gar keine Theorie vorgelegt. Keine klaren, überprüfbaren Formeln, die man nachrechnen könnte. Es ist Großteils einfach vages Gerede mit großen Worten – aber keine echte Physik.

Weinstein behauptet also, die Physik aus den Angeln zu heben, verrät aber nicht wie. Es ist ein bisschen wie ein Zauberkünstler, der sagt: „Das Kaninchen habe ich vorhin ganz wirklich aus dem Hut gezaubert. Ehrlich jetzt! Glauben Sie mir!“ Leider scheint das derzeit zum Trend zu werden: Menschen, die eigentlich völlig unwissenschaftliche Dinge behaupten, werden als Stars der Wissenschaft gefeiert. Statt wissenschaftlicher Substanz steht der Show-Effekt im Vordergrund. Die Aussagen müssen möglichst radikal, laut und verrückt klingen – ob sie wahr sind, ist zweitrangig. 

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Lauter! Schriller! Sensationeller!

Etwas anders gelagert ist der Fall des Stringtheorie-Stars Michio Kaku. Er hat tatsächlich solide Wissenschaft produziert, die allgemein anerkannt wird. Doch in späteren Jahren wechselte auch er von Physik zu Sensationalismus und begeisterte seine Fans mit Fortissimo-Populärwissenschaft: Jetzt spekuliert er über UFOs und Wurmlöcher, träumt von allmächtiger KI und macht Ansagen über künftige Quantencomputer, die in Expertenkreisen als maßlos überzogen betrachtet werden.

Auch in anderen Disziplinen gibt es dieses Phänomen: Der Psychologe Jordan Peterson war ein angesehener Psychologie-Professor in Kanada, zum internationalen Medienstar wurde er allerdings erst, als er begann, seine politisch-ideologischen Sichtweisen mit wissenschaftlich klingenden Scheinargumenten zu propagieren. Da wird dann schon mal aus der Existenz sozialer Hierarchien beim Hummer übergangslos geschlussfolgert, dass Hierarchien beim Menschen ebenfalls biologisch unvermeidlich sind. Die Fans fühlen sich erleuchtet, ernsthafte Evolutionsbiologen hingegen schütteln nur den Kopf.

All diesen Stars kann man ein gewisses Talent für Wissenschaftskommunikation nicht absprechen – und dafür gebührt ihnen Anerkennung. Sie könnten diese Fähigkeit zum Wohl der Menschheit einsetzen, indem sie einfach allgemein akzeptierte wissenschaftliche Fakten präsentieren, die wissenschaftlich geprüft sind. Aber stattdessen erheben sie völlig unnötigerweise den Anspruch, sich über die bestehende Wissenschaft zu erheben und Sensationen zu liefern. Und an diesem Punkt verliert man dann leicht den Kontakt zur Wissenschaft und gleitet in esoterischen Unsinn ab.

Der Milliardär hinter dem Physik-Influencer

Im Fall von Eric Weinstein mag das auch einen politischen Hintergrund haben: Er ist nämlich ein langjähriger Weggefährte des Milliardärs Peter Thiel, einem Mann mit engsten Verbindungen ins Weiße Haus.

Was Eric Weinstein mit Peter Thiel und der Trump-Regierung verbindet, ist eine Abneigung gegen das „Establishment“, gegen akademische Eliten. Trump lebt diese Abneigung aus, indem er Fördergelder streicht und Universitäten an die Leine nimmt. Weinstein, indem er sich – mit großzügiger Hilfe der Medien – als Superstar inszeniert, der es besser weiß, aber unfairerweise verkannt wird. Und genau das ist das Gefährliche daran: Wenn solche Leute zu Medienstars werden, wird das Vertrauen in den breiten wissenschaftlichen Konsens zerstört, der eigentlich viel mehr Vertrauen verdient hätte.

Wenn – durch großzügige finanzielle Unterstützung von Milliardären oder einfach nur durch den Sensationalismus von Social Media – genau jene Leute zu Stars werden, die sich vom etablierten, gut überprüften Mainstream abwenden und halbgebackene Scheinbehauptungen verbreiten, dann ist das keine hilfreiche Wissenschaftskommunikation, sondern das Gegenteil davon.

Wir sollten vorsichtig sein, welche Leute wir uns als Stars präsentieren lassen. Wenn Wissenschaft unterhaltsam präsentiert wird, ist das großartig. Wenn sie aber nur noch Unterhaltung ist, dann ist sie keine Wissenschaft mehr. Und wenn sie zur politischen Waffe wird, um das Vertrauen in etablierte wissenschaftliche Institutionen zu zerstören, dann müssen endgültig alle Alarmglocken läuten. 

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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