
Journale machen mit der Arbeit von Forschern Milliardengewinne.
Wie sich Wissenschaftsjournale an uns bereichern
Wie kann es überhaupt sein, dass wissenschaftlicher Fortschritt funktioniert? Unzählige Menschen aus der ganzen Welt forschen vor sich hin, niemand hat den vollständigen Überblick, niemand koordiniert die Arbeit, niemand teilt zentral Befehle aus. Und trotzdem fügt sich alles irgendwie zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Wichtige Fragen werden beantwortet, neue Lösungen werden gefunden, neue Technologien werden entwickelt.
Das funktioniert deshalb so gut, weil sich im Lauf der Zeit ein System entwickelt hat, das dafür sorgt, dass kluge Ideen verbreitet und schlechte Ideen gebremst werden. Eine wichtige Rolle in diesem System spielen wissenschaftliche Fachjournale.
Wie funktioniert Peer-Review?
Wer heute eine tolle wissenschaftliche Entdeckung macht, schreibt normalerweise einen Fachartikel und reicht ihn dann bei einem wissenschaftlichen Magazin ein. Es gibt Magazine, die über ganz unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen berichten – zum Beispiel „Nature“ oder „Science“. Es gibt auch spezifische Fachjournale für ganz spezielle Nischen – eigene Magazine über Themen wie „Farne“, „Übergewicht“ oder „Magnetohydrodynamik“.
Im Verlag des Fachjournals wird üblicherweise erst mal geprüft, ob der Artikel ganz prinzipiell interessant sein könnte, und dann wird er weitergeschickt, an sogenannte „Referees“. Das sind üblicherweise Leute, die im selben Fachgebiet forschen, und daher die Qualität des Fachartikels einschätzen können. Sie analysieren nun den Artikel, rechnen die Formeln nach, überprüfen, ob alles vertrauenswürdig aussieht und schreiben dann ein Gutachten.
Oft haben die Referees noch Fragen oder Änderungswünsche, das Autorenteam muss dann darauf reagieren, oder vielleicht sogar bestimmte Experimente wiederholen – es ist durchaus normal, dass dieser Prozess einige Monate dauert. Sind die Gutachten am Ende positiv, wird der Editor den Artikel publizieren. Das funktioniert im Großen und Ganzen gut. Natürlich ist kein System jemals perfekt, und es kann trotzdem passieren, dass falsche Ergebnisse veröffentlicht werden. Aber durch dieses „Peer Review“-System, bei dem unabhängige Gutachten entscheiden, wird die Vertrauenswürdigkeit zumindest mal deutlich erhöht. Offensichtlicher Unsinn wird recht zuverlässig ausgesiebt, kleinere Dummheiten werden oft korrigiert.
Wer zahlt? Wer verdient?
So weit, so fair. Aber Moment: Wer leistet hier eigentlich Arbeit? Und wer verdient damit Geld? Die Forschung wird üblicherweise von wissenschaftlichem Personal geleistet, das an Universitäten mit Steuergeld bezahlt wird. Dasselbe wissenschaftliche Personal schreibt auch die Fachartikel, erstellt Bilder und Grafiken und reicht die Artikel beim Journal ein. Die Referees sind ebenfalls wissenschaftliches Personal – auch ihre Arbeit wird von Steuergeld bezahlt. Wie viel Geld bekommen all diese Leute dafür? Keinen Cent.
Einen Fachartikel in einem hoch angesehenen Journal wie „Nature“ oder „Lancet“ unterzubringen, gilt als großer Erfolg. Wer Artikel in Top-Journalen vorweisen kann, hat Chancen auf die besten Jobs und auf Fördergeld. Das Publizieren ist Teil des Jobs – genau wie das Schreiben von Gutachten über die Fachartikel anderer Leute.
Gleichzeitig bezahlen Universitäten aber viel Geld dafür, dieselben Fachjournale, für die sie gratis arbeiten, auch lesen zu dürfen. Uni-Bibliotheken abonnieren hunderte oder tausende Fachjournale – mit Steuergeld. Möchte man die eigene Forschungsarbeit anderen Leuten gratis online zugänglich machen, muss man noch einmal eine Extragebühr bezahlen. Manche Journale kassieren auch Extragebühren für das Drucken farbiger Bilder oder für beschleunigte Publikation – öffentliches Geld, das sonst direkt den Forschungsprojekten zugutekommen könnte.
Milliardenprofite bei akademischen Verlagen
Der Staat zahlt also mehrfach: Er bezahlt die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die die Hauptlast der Arbeit tragen, und er bezahlt die Journale dafür, dass die eigenen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Ergebnisse dann lesen dürfen. Für manche Verlage ist das ein tolles Geschäft. Der akademische Verlag Elsevier beispielsweise macht jährlich Milliardenprofite. Allein von diesen Profiten könnte man alle paar Jahre eine ambitionierte Weltraummission finanzieren.
Das ist nicht fair. Es handelt sich hier einfach um eine Umverteilung von öffentlichem Geld zu privaten Verlagen. Wie könnte man das ändern?
Hoffentlich nicht so, wie Donald Trump das möchte: Im US-Gesundheitsministerium wurde diskutiert, das Publizieren in bestimmten führenden Medizin-Journalen zu stoppen. US-Wissenschaft solle lieber in eigenen, von der Regierung kontrollierten Journalen publiziert werden. Das wäre natürlich eine Katastrophe.
Frei und unabhängig
Fachjournale müssen frei und unabhängig sein. Aber sie müssen keine Gelddruckmaschine sein. Längst gibt es auch gute Beispiele für Non-Profit-Fachjournale. Es gibt „Open Access“-Journale, bei denen alle Artikel frei und ohne Abo-Gebühr zugänglich sind – schließlich sind ja auch die Inhalte von allen gemeinsam mit Steuergeld finanziert worden.
Wir stehen also vor einer schwierigen Diskussion: Akademische Verlage müssen reformiert werden. Gleichzeitig spielen sie aber eine entscheidende Rolle im komplexen Ökosystem der Wissenschaft und dürfen keinesfalls unter politische Kontrolle geraten. Das Ziel sollte jedenfalls eine freie, offene Wissenschaft sein, in der sämtliche Information möglichst gratis allen zur Verfügung steht – und das Steuergeld nicht profitorientierten Verlagen, sondern der tatsächlichen Forschung zugutekommt.
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