Kühlen wir unsere Städte!
Was macht man, wenn man im Hochsommer mitten in der Stadt von der unbarmherzigen Mittagssonne gebraten wird, und nicht mehr ganz sicher ist, ob die Röstaromen in der Luft vom Kebabstand kommen, oder schon vom eigenen Nacken? Klare Sache: Das ist der optimale Zeitpunkt, um über Physik nachzudenken.
Bäume sind wie Eiswürfel
Wir alle haben ein intuitives Verständnis von Temperatur. Wenn 2 Dinge unterschiedlich warm sind und ich sie miteinander in Kontakt bringe, dann wird sich ihre Temperatur angleichen. Ein Liter eiskaltes Wasser und ein Liter heißes Wasser ergibt 2 Liter lauwarmes Wasser.
Manchmal ist die Sache aber auch etwas komplizierter – und das liegt an der wunderbaren Welt der Thermodynamik: Wenn ich einen heißen Espresso über Eiswürfel leere, dann ist er danach kalt – die Eiswürfel sind aber nicht wärmer geworden. Das liegt daran, dass wir es hier mit einem Phasenübergang zu tun haben: Ein bisschen Eis ist geschmolzen, um die Wassermoleküle der Eiskristalle voneinander zu trennen, muss Energie aufgewendet werden, und diese Energie wird aus der Umgebung abgezogen – der Kaffee wird kalt.
Genau dieses Prinzip, das wir vom Übergang von gefrorenem zu flüssigem Wasser kennen, funktioniert auch beim Übergang von flüssigem zu gasförmigem Wasser – in diesem Fall spricht man von Verdunstungskälte. Wenn ich mir ein feuchtes Handtuch auf den Nacken lege, verdunstet ein Teil der Flüssigkeit, die Wassermoleküle trennen sich voneinander, die Energie dafür kommt aus der Umgebung, das Handtuch wird angenehm kühl.
Genau diesen physikalischen Mechanismus können wir nutzen, um unsere Städte trotz des Klimawandels bewohnbar zu halten: Wir müssen für möglichst viel Verdunstungskälte sorgen – und das gelingt am besten durch Pflanzen. Ein großer Baum kann über 100 Liter Wasser pro Tag verdunsten. Seine Blätter sorgen also nicht nur für angenehmen Schatten, er ist physikalisch gesehen tatsächlich eine Kühlanlage.
Verdunstungskälte statt Klimaanlage?
Man muss bei diesem Effekt freilich ein bisschen vorsichtig sein: Man sollte nicht die eigene Wohnung kühlen, indem man einfach möglichst viel Wasser verdunsten lässt. Unser subjektives Wärmeempfinden wird nämlich nicht nur von der Temperatur bestimmt, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit. Feuchte warme Luft fühlt sich heißer an als trockene warme Luft. Es kann also sein, dass man durch Verdunstung zwar die Temperatur leicht senkt, die Luft im Innenraum aber durch Erhöhung der Feuchtigkeit unangenehmer werden lässt als vorher.
Im Freien, auf großer Skala, ist das aber kein Problem. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen darüber, dass der sogenannte „städtische Hitzeinseleffekt“, die Tatsache, dass Städte deutlich heißer sind als die Umgebung, durch Bepflanzung gemildert werden kann. Wir brauchen Bäume auf den Straßen, Grünflächen statt Parkplätze, Kletterpflanzen und Blumentröge an den Fassaden. Dunkler Asphalt, der Verdunstung unmöglich macht, dafür aber Hitze aufnimmt und in der Nacht abgibt, ist hingegen ungefähr das Schlechteste, was man einer städtischen Umgebung antun kann.
Autos raus, Pflanzen rein!
Ein Trend zur Begrünung von Städten ist international zwar spürbar, aber er ist noch viel zu zaghaft. Umbauarbeiten lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen erledigen. Bäume brauchen Jahre, um eine stattliche Größe zu erreichen. Das bedeutet: Wir müssen dringend damit anfangen, unsere Städte zu begrünen, damit sie auch in Zukunft den Sommer über bewohnbar bleiben. Jedes erneuerte Kanalrohr, jede zusätzlich verlegte Leitung könnte ein Anlass sein, darüber nachzudenken: Soll man danach wirklich einfach wieder asphaltieren? Oder gibt es nicht eine bessere Variante?
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