© Barbara Wimmer

Chaos Communication Congress

Aus der Filterbubble #33c3 zurück in die Realität

Vier Tage lang hat im Kongresszentrum CCH in Hamburg alles bunt geblinkt. Draußen so wie drinnen. Oben sowie unten. 12.000 Menschen wuselten durch das Gebäude oder "bewegten sich unter normalen Menschen“, wie die meisten Wiederholungstäter ihren Aufenthalt beim Chaos Communication Congress selbst gern beschreiben. Am Samstag blieb davon nichts zurück. Das graue Gebäude war in einer tiefen, grauen Nebelsuppe versunken. Alles war leer und trist.

Während drinnen noch die letzten hundert Mate-Kisten und Überbleibsel weggeräumt wurden, sah man von außen bereits nicht mehr, was hier drinnen vier Tage und Nächte lang stattgefunden hatte.

Weniger Talks, mehr Workshops

Es war mein erster Besuch am Chaos Communication Congress. Ich war einer der zahlreichen „Noobs“, die dieses Jahr – das vorläufig letzte Jahr im CCH – endlich mal dabei sein wollten. Bisher hatte ich mir jedes Jahr dutzende Talks angesehen und wurde vom Congress inhaltlich inspiriert. Aus der Ferne. Von den Talks habe ich dieses Mal nur rund zehn geschafft. „Mein Highlight war neben der Closing Ceremony, bei der es mehrfach „Standing Ovations“ gab, übrigens „Shut Up And Take My Money“. Die Talks waren wie jedes Jahr inspirierend, aber vielmehr waren es die Leute und ihre Projekte und Workshops, die mich vor Ort begeisterten.

Ein Linus Neumann vom CCC, der zur mir im Interview sagt: „Der Congress kann einem Mut machen. Wenn informierte Bürger sich versammeln, um über eine positive Utopie zu sprechen, gibt das Hoffnung dafür, dass wir genug Leute zusammen haben, um die Zukunft zu meistern.“

Basteln mit Arduino

Oder der San Francisco basierte Hacker und Erfinder Mitch Altman, der so eine große Freude damit hat, Noobs wie mich zum Basteln und Löten mit Arduino zu bringen, obwohl er selbst mehr als eine halbe Million TV-B-Gones verkauft hat und davon gut leben kann. Der zu unserer Gruppe sagt: „Ruft mich an, wenn ihr mit eurem Job unzufrieden seid und was aus eurem Leben machen wollt, bei dem ihr einen größeren Nutzen erkennt.“ Der den „magischen Rauch rauslässt“ beim Löten und uns mit seiner eigenen Begeisterung für Elektronik voll und ganz mitreißt.

Oder der Moment, in dem plötzlich 20 Menschen mit dem, was heutzutage als Hoverboard vermarktet wird, durch den Raum fahren, mit einer Pacman-Installation und Sound in der Hand und alle klatschen.

Oder das Erlebnis, bei dem ein Glücksmelodie-Automat zum ersten Mal zu uns sagt: „Bitte werfen Sie eine Münze ein.“ Und dann: „Bitte werfen Sie noch eine Münze ein.“ „Geben Sie Ihr Gewicht ein.“ „Geben Sie bitte Ihr echtes Gewicht ein.“ Summ summ summ summ. „Bitte summen Sie Ihre Glücksmelodie nach. Das war falsch. Bitte noch einmal.“

Kunstprojekte

Oder die erste Party in der Schneekugel. Und der Moment, in dem einem die Diskokugel aus einem weit entfernten Baumwipfel anblitzt und man das Gefühl hat, man befindet sich an einem sicheren, unsichtbaren Ort. Bewacht durch einen rosaroten Drachen am Eingang (nein, es gab keine Drogen!). Der Moment, an dem der Bass in der Lounge einsetzt.

Oder der Moment am Ende des Congresses, bei dem bei einem Kunstprojekt - dem Zug des Chaos Computer Club Wiens - die angebaute Kresse um wenige Millimeter sichtbar gewachsen war.

Inspiration und Kreativität

Am Congress, da wächst Inspiration, Kreativität, positives Chaos und es ist äußerst schwer, sich diesem Vibe, dieser Atmosphäre zu entziehen und sich hier nicht mitreißen zu lassen. Richtig ernste Themen wie staatliche Überwachung oder Spionage kamen außerhalb der Talks in Gesprächen kaum auf, stattdessen ging es um ein positives Mindset, um Resilienz, um frische Ideen und um kleine, eigene Projekte, die jeder nach seinen Möglichkeiten umsetzen kann.

Man muss sich allerdings bewusst sein: All diese Blinke-Blinke-Welt, voller LEDs und bunter Lichter und den zahlreichen Freiwilligen, ohne denen das alles gar nicht möglich wäre: Diese vier Tage am Congress sind eine Bubble. Und wenn diese Blase platzt, ist es umso härter, wieder in der Realität anzukommen. Im neuen Jahr.

Weitermachen

Da hilft nur eines dagegen: Auch zurück in seiner jeweiligen Heimatstadt mit Gleichgesinnten an neuen, coolen Projekten arbeiten. Sich überlegen, wie man die Welt selbst ein Stückchen besser machen kann. Ich kam allein mit vier Ideen zurück, die ich jetzt 2017 umsetzen möchte. Doch die müssen erst einmal warten. Der Alltag hat mich wieder fest im Griff. Aber: Was „normal“ ist, bestimmen immer noch wir selbst.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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