© Joanna Pianka

Datenschutz-Negativpreise

Big Brother Awards an BMW, Handy-Signatur & Staatstrojaner

Einmal im Jahr werden die „Big Brother Awards“ vom Verein quintessenz für die größten Datenschutz-Verstöße des vergangenen Jahres vergeben. Die Verleihung der Negativ-Preise fand am Dienstag im Rabenhof-Theater statt.

Staatstrojaner

Die Papiere für die Einführung der gezielten Online-Überwachung mittels Staatstrojaner langen schon lange in der Schublade. Nach einem Terror-Anschlag wurden sie dann prompt passend in einem Klima von Angst und Verunsicherung vom Justizministerium hervorgezaubert. Nachdem der Gesetzesentwurf massiv von zahlreichen Seiten zerpflückt wurde, liegen die Pläne zwar vorerst wieder auf Eis, sind aber nicht endgültig gestorben.

Für den Versuch, als Staat mit der Überwachung von Computer und Smartphones „ bewusste Sicherheitslücken in Kauf zu nehmen“ hat Wolfgang Brandstetter (ÖVP) den Big Brother Award in der Kategorie „Politik“ erhalten. Damit konnte er sich gegen die EU-Einführung des Datenaustausch-Abkommens Privacy Shield und die österreichische Regierung wegen ihres Schweigens im Fall NSA-Massenüberwachung durchsetzen. Auch der Publikumspreis ging an den Staatstrojaner. Damit wurde Brandstetter gleich zweimal mit dem Negativ-Preis ausgezeichnet.

Datensammelwut von BMW

BMW erhielt den Award in der Kategorie „Business und Finanzen“ für die Datensammelwut im Auto und konnte sich gegen den spionierenden Vibrator von We-Vibe durchsetzen. „Nicht nur in den Luxusklasseautos werden durch den Einsatz von immer mehr Sensoren der Fahrstil und Ressourceneinsatz aber auch Aktivitäten der Passagiere, wie das Telefonieren, registriert und aufgezeichnet“, heißt es dazu als Begründung. Nach Ansicht von Experten könnten BMW-Kunden und ihre persönlichen Gewohnheiten ausgekundschaftet werden.

Der BMW i3 speichertetwa wie berichtet nicht nur die Positionsdaten der zuletzt benutzten Ladestationen, sondern auch die rund 100 letzten Abstellpositionen des Fahrzeugs – also eine Art „Vorratsdatenspeicherung“ für Autos. Kunden unterschreiben in einem mehrseitigen Kaufvertrag, dass sie zur Datensammlung ihre Zustimmung erteilen. Es ist allerdings fraglich, wie viele davon den Vertrag auch wirklich bis zum Ende gelesen haben.

Unsichere Handy-Signatur

Auch der Chief Information Officer (CIO) des Bundes wurde in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ mit einem Big Brother Award bedacht. Die Handy-Signatur sei bequem, aber nicht sicher. „Noch nie konnte sichergestellt werden, dass die Person am Ende der Leitung wirklich die Person ist, die sie behauptet zu sein. Wer sich eine Handy-Signatur besorgt, verknüpft allerdings seine reale Identität mit einer Mobilfunknummer und kann somit rechtsgültig Verträge unterschreiben“, gab die quintessenz, der Verein zur Wiederherstellung der Bürgerrechte im Informationszeitalter, zu Bedenken.

CIO Reinhard Posch ließ dem Datenschutz-Verein schon vorab eine Stellungnahme zukommen, die auch auf der Website veröffentlicht wurde. Darin ist etwa vermerkt, dass das Gutachten, auf den sich der Verein beziehe, von einer Privatperson geschrieben sei und Phishing nicht wie darin beschrieben technisch möglich sei. Die Handy-Signatur werde zudem laufend an Stand der Technik angepasst, heißt es weiters. "Die Handy-Signatur hat eine Zwei-Faktoren-Sicherheit, d.h. Besitz (Handy) und Wissen (Code), ermöglicht viele Amtswege online."

Google

Google konnte den Award in der Rubrik „Weltweiter Datenhunger“ für Google Allo verbuchen. Der Instant-Messaging-Dienst, der auch gleich Antworten vorschlägt, würde nicht standardmäßig konsequent verschlüsseln „und liest permanent mit, um besser am Nutzer lernen zu können“, so die Begründung.

Der smarte Chatbot "Google Assistant" kann direkt im Chat mit der Anrede "@google" mit diversen Aufgaben betraut werden, etwa mit der Versendung von YouTube-Links. Durch "Smart Replies" sollen Nutzer mit einem Knopfdruck passende, vorgefertigte Mitteilungen wie "Bist du schon unterwegs?" oder "Yup" schicken können. Damit das funktioniert, muss die künstliche Intelligenz allerdings Zugriff auf Nachrichten haben, um trainiert werden zu können. Deshalb speichert Allo Nachrichten standardmäßig dauerhaft.

SchoolFox

Auch die App SchoolFox, mit der Eltern und Lehrer untereinander Texte und Bilder sowie Notfallkontakte austauschen können, wurde mit dem Negativ-Preis ausgezeichnet. Die Organisatoren der Big Brother Awards sehen darin allerdings einen „listigen Fuchs“, der sich an Schülerdaten pirscht. Dafür bekam das Unternehmen Young den Preis in der Kategorie „Kommunikation und Marketing“. Auch ein Publikumspreis wurde wie jedes Jahr vergeben.

Die Big Brother Awards sind dieses Jahr erstmals Teil der Privacy Week, eine Veranstaltungsreihe zum Thema Privatsphäre, die in Wien noch bis zum 30.10. mit spannenden Vorträgen und einer "Kryptoparty" am Donnerstagabend läuft.

Disclaimer zwecks Transparenz: futurezone-Redakteurin Barbara Wimmer war auch 2016 Jurymitglied bei den Big Brother Awards.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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