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Netzpolitik

EuGH-Urteil: Pauschale Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig

Bei der Vorratsdatenspeicherung werden sämtliche Verbindungsdaten von Telefon, Handy, Internet und E-Mail für ein halbes Jahr lang gespeichert – und zwar nicht nur von Verdächtigen, sondern von jedem. Diese flächendeckende und pauschale Speicherung von Internet- und Telefon-Verbindungsdaten ist laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht zulässig. Ausnahmen seien aber möglich, wenn es um die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder den konkreten Fall einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gehe, teilte der EuGH in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil mit.

Die Luxemburger Richter stärkten damit die Bürgerrechte - zugleich können aber auch Befürworter der Vorratsdatenspeicherung hoffen.

Für Österreich hat das Urteil - vorerst - keine Auswirkungen. In Österreich wurde die Vorratsdatenspeicherung mit 1. Juli 2014 abgeschafft, nachdem der Verfassungsgerichtshof diese aufgehoben hatte. Die entsprechenden Bestimmungen im Telekommunikationsgesetz, in der Strafprozessordnung und im Sicherheitspolizeigesetz sind seit 1. Juli 2014 außer Kraft. Allerdings gab es auch in Folge einige weitere Versuche in Österreich, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Das EuGH-Urteil wird daher mit Sicherheit auch von den juristischen Experten in diesem Land genau studiert werden.

Jahrelanger Streit

Seit Jahren gibt es in mehreren EU-Ländern Streit um das Thema zwischen Sicherheitsbehörden und -politikern auf der einen sowie Bürgerrechtlern und Verbraucherschützern auf der anderen Seite. Die Befürworter argumentieren, zum Schutz der nationalen Sicherheit und im Kampf gegen schwere Verbrechen müssten Ermittler die Möglichkeit haben, auf gespeicherte Telekommunikationsdaten zuzugreifen. Dagegen fürchten die Kritiker starke Eingriffe in die Grundrechte, wenn die Unternehmen massenhaft Verbindungsdaten ihrer Kunden sichern müssen - ohne dass es bereits einen konkreten Tatverdacht gibt.

Das höchste europäische Gericht bezog sich mit seiner Entscheidung zwar im Kern auf Fälle aus Frankreich, Belgien und Großbritannien, in denen die nationalen Gerichte ihre Kollegen aus Luxemburg um eine Einschätzung gebeten hatten. Doch die aktuelle Entscheidung des EuGH könnte wegen ihrer grundsätzlichen Art auch die Diskussion in Deutschland oder Österreich über das Reizthema beeinflussen. Es geht um die Frage, ob einzelne EU-Staaten den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste allgemeine Pflichten zur Datenspeicherung auferlegen dürfen.

Speicherzwang vorläufig ausgesetzt

Im Juni 2017 hatte die deutsche Bundesnetzagentur den Speicherzwang für Internet-Provider und Telefonanbieter vorläufig ausgesetzt - nur wenige Tage vor dem Inkrafttreten der geplanten Vorschriften. Anlass war damals ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen, wonach eine verdachtsunabhängige Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten nicht mit europäischem Recht vereinbar ist.

Schon mehrfach hatten in der EU oberste Gerichte in Deutschland und Österreich Einwände - und kippten die Vorgaben. Der EuGH hatte etwa 2016 entschieden, dass eine „unterschiedslose“ Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten mit EU-Recht nicht vereinbar sei.

"Gravierender Eingriff in Grundrechte"

Die österreichischen Verfassungsrichter befassten sich 2014 sehr detailliert mit der Materie. Laut den Verfassungsrichtern handelt es sich bei der umstrittenen Datenspeicherung um einen „gravierenden Eingriff in die Grundrechte“, die nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem österreichischen Datenschutzgesetz im Einklang stehen. Mit den gespeicherten Daten lassen sich auch Bewegungsprofile erstellen und private Vorlieben erkennen, so die VfGH-Richter.Im Vorfeld der Entscheidung wurde dank einer parlamentarischen Anfrage bekannt, dass die Beauskunftung mit Vorratsdaten vor allem für Diebstahls-, Stalking-, und Drogen-Delikte herangezogen wurden und nicht etwa für schwere Verbrechen.

„Die Anpassung der Überwachungsmöglichkeiten an neue Technologien darf zu keinen unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grundrechte der Bevölkerung führen“, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär des Provider-Verbands ISPA als Reaktion auf das aktuelle EuGH-Urteil. Oftmals zeige sich, dass nicht ein Mangel an Information auf Seiten der Behörden die Ermittlungen erschwert, sondern die größte Herausforderung in der Auswertung der Daten liege. „Die Nadel ist nicht leichter zu finden, wenn man den Heuhaufen vergrößert. Die Behörden brauchen mehr technisches Know-how und mehr Ressourcen, um zeitgerecht die vorhandenen Daten abzufragen und rasch auszuwerten“, sagt Schubert. „In Österreich stehen Strafverfolgungsbehörden seit über zwanzig Jahren im vertrauensvollen Austausch und Interessensausgleich mit Internet Service Providern. Diese Zusammenarbeit setzen wir auch in Zukunft fort“, blickt Schubert in die Zukunft.

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