Festplattenabgabe: Verfassungsbeschwerde erwartet
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Noch vor dem Sommer soll der Gesetzesentwurf für eine Urheberrechtsnovelle vorgestellt werden. Dass auch die umstrittene Festplattenabgabe darin enthalten ist, gilt als sicher. Sowohl Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) als auch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) haben sie wiederholt als die "wahrscheinlichtste Variante" bezeichnet.
Die Abgabe, mit der Urheber für Privatkopien entschädigt werden sollen, sorgt in Österreich seit Jahren für heftige Diskussionen. Das wird wohl auch in nächster Zeit so bleiben. Die Wiener Anwälte Axel Anderl und Bernhard Müller von der Kanzlei Dorda Brugger Jordis rechnen jedenfalls mit Verfassungsbeschwerden gegen die Speichermedienabgabe. "Das ist ein durchaus realistisches Szenario", sagt Anderl, dessen Kanzlei die Ausweitung der Urheberrechtsabgabe auf Festplatten im Auftrag von Mandanten aus der Industrie europa- und verfassungsrechtlich begutachtet hat.
"Auf tönernen Beinen"
Die Ausdehnung der "Leerkassettenabgabe" auf ein weiteres Medium (Anm.: Festplatten) stehe verfassungsrechtlich auf "tönernen Beinen", sagt Anderl. Nach einem Urteil des EuGH vom April (futurezone-Bericht) , laut dem die Vorlage für die Privatkopie rechtmäßig sein müsse, gebe es für die Festplattenabgabe fast keinen Anwendungsbereich mehr.
Auf Festplatten würden zwar viele Inhalte gespeichert - von eigenen Bildern und Videos bis hin zu Dokumenten und Musik, für die allerdings - so sie in Online-Musikshops gekauft wurden - keine Abgabe fällig würde. Fraglich sei, ob Privatkopien von rechtmäßigen Quellen überhaupt das vom österreichischen Obersten Gerichtshof (OGH) als Grundlage für die Abgabe festgestellte "nicht unerhebliche Ausmaß" übersteigen. "Die Festplattenabgabe ist damit nicht treffsicher", fasst Anderl zusammen.
Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot
Die Ausweitung der Urheberrechtsabgabe auf Festplatten verstoße gegen das in der Verfassung festgeschriebene Sachlichkeitsgebot, meint Verfassungsrechtler Müller. "Sachlich ist eine Regelung dann, wenn sie in sich schlüssig zur Zielerreichung geeignet und möglichst treffsicher ist." Bei der Festplattenabgabe sei dies nicht der Fall.
Werde sie auf multifunktionale Geräte - wie etwa Smartphones, PCs oder Notebooks - eingehoben, bei denen nicht sicher sei, dass auch tatsächlich vergütungspflichtige Privatkopien in relevantem Ausmaß darauf gespeichert sind, dann sei dies verfassungswidrig. "Ich kann keine Regelung schaffen, die von vornherein nicht leistet, was sie leisten soll", sagt Müller.
Es sei sinnvoller, eine Urheberrechtsabgabe an Nutzern und deren Nutzungsverhalten festzumachen, anstatt an Geräten, sagt Müller. Wie auch die von der Industrie unterstützte "Plattform für ein modernes Urheberrecht" schlägt auch er eine Haushaltsabgabe statt einer Festplattenabgabe vor. Haushalte seien unterschiedlich zusammengesetzt, es gebe viele Formen des Nutzerverhaltens, darunter auch das Anfertigen von Privatkopien. "Im Schnitt ist eine Haushaltsabgabe sicher treffsicherer als eine Abgabe auf Geräte."
"Politik schreckt zurück"
Dass die Regierung, worauf vieles hindeutet, an der Festplattenabgabe festhält, führen Anderl und Müller auf einen einfachen Grund zurück: "Die Politik schreckt vor einem Paradigmenwechsel zurück." Das Argument, dass ein Systemwechsel riskant sei, gelte nur bedingt, meinen Müller und Anderl: Mit dem bestehenden System einer Geräteabgabe gebe es genauso Probleme. Eine Ausdehnung auf Festplatten könne auch dazu führen, dass die Regelung verfassungsmäßig angegriffen werden kann. "Rechtssicherheit wird es auch mit einer gesetzlichen Festplattenabgabe nicht geben."
- Der Oberste Gerichtshof (OGH) verwies eine vom Computerhersteller HP im Herst 2010 eingebrachte Klage gegen die von der austro mechana verlangten Festplattenabgabe in einer Anfang des Jahres veröffentlichten Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Höchstrichter stellten in ihrem Spruch fest , dass Computer-Festplatten "nicht schon deshalb als vergütungspflichtiges Trägermaterial ausscheiden, weil sie auch anderen Zwecken als der Speicherung von Privatkopien dienen können". Der OGH forderte dabei auch "Feststellungen zum tatsächlichen Ausmaß der Nutzung von Festplatten für Privatkopien".
- Das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) stellte in einem Verfahren zwischen der Verwertungsgesellschaft austro mechana und Nokia fest, dass Handys mit MP3-Funktion vergütungspflichtig sind.
- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied Mitte April, dass unrechtmäßige Vervielfältigungen bei der Höhe der Abgabe für die Anfertigung von Privatkopien eines geschützten Werkes nicht berücksichtigt werden dürfen.
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