Geheimdienst trackt Smartphones von Corona-Infizierten
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Das Szenario ist dystopisch. Über Mobilfunkdaten werden die Bewegungen von Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, verfolgt. Wer mit ihnen in Kontakt kam, wird per SMS angewiesen, sich unverzüglich in Quarantäne zu begeben. In Israel ist dieser Privatsphäre-Albtraum Realität. Am Montagabend setzte Premierminister Benjamin Netanyahu die Notfollbestimmung im Kraft, berichtet die New York Times. Gelten soll sie zunächst für 30 Tage. Eine Genehmigung des Generalstaatsanwalts vorausgesetzt, können Behörden nun auf die Daten zugreifen, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen.
Der israelische Premier sieht das Gleichgewicht zwischen den Rechten des Einzelnen und den Bedürfnissen der Gesellschaft durch die Notfallsbestimmung nicht in Gefahr. Vom israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet heißt es, dass mit den Daten Leben gerettet werden könnten.
"Bisher größter Test für die Demokratie"
Bürgerrechtler sehen hingegen den bisher größten Test für die israelische Demokratie. Selbst in Krisen wie dieser müssten Bürgerrechte erhalten bleiben, kritisiert der Datenschützer Malkiel Blass. Er verstehe, dass Infektonen und Ansteckungen verhindert werden müssten. Aber es sei unvorstellbar, dass Bürgerrechte wegen der Panik um das Virus mit Füßen getreten würden, sagte Blass, der von 2004 bis 2012 stellvertretender Generalstaatsanwalt war: "Und zwar in einem Ausmaß, das für die Bedrohung und das Problem völlig unverhältnismäßig ist."
Umfangreicher Datenschatz
Gesammelt werden die Mobilfunkdaten zu Zwecken der nationalen Sicherheit, wie von den Behörden bestätigt wird, mindestens seit 2002. Details darüber, um welche Daten es sich genau handelt, wie sie gespeichert werden, oder ob und wann sie gelöscht werden, ist nicht bekannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie den Namen des Anschlussinhabers, Verbindungsdaten, Zahlungen sowie Standortdaten, die bei der Verbindung der Geräte mit Mobilfunkmasten erhoben wurden, umfassen.
Terrorbekämpfung
Darüber, wer unter welchen Bedingungen auf die Daten zugreifen konnte und wie sie genutzt wurden, kann bestenfalls spekuliert werden. Laut einem Gesetz aus dem Jahr 2002 können sie bei "Bedrohungen durch Terror, Sabotage, Spionage und der Aufdeckung von Staatsgeheimnissen" genutzt werden. Das dies in der Vergangenheit auch wiederholt geschehen sei und Mobilfunkdaten in großem Ausmaß an die Behörden übermittelt wurden, bestätigten Ministerialbeamte der " New York Times".
Mit den Daten kann jedenfalls problemlos festgestellt werden, wo sich welcher Anschlussinhaber zu welchem Zeitpunkt befindet. Die israelischen Dienste seien gut darin geübt zwischen geeigneten Zielen, also solchen, die verdächtigt werden die nationale Sicherheit zu gefährden und unschuldigen Zivilisten zu unterscheiden, sagt ein ehemaliger Shin-Bet-Offizier der Zeitung.
Bei der Nutzung der Daten in der Coronakrise gehe es nicht darum, unschuldige Leute zu tracken oder ihre Privatsphäre zu verletzen, sondern um den Einsatz bestehender Technologie, um infizierte Personen ausfindig zu machen, die Tausende andere anstecken könnten.
"Kein Krieg oder Intifada"
Das bleibt nicht unwidersprochen. Wem sein Recht auf Privatsphäre wichtig sei, sollte sich Sorgen machen, sagt die Wissenschaftlerin Tehilla Shwartz Altshuler vom israelischen Demokratieinstitut: Die Coronakrise sei kein Krieg oder eine Intifada: "Es ist ein ziviles Ereignis und sollte auch wie eines behandelt werden."
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