NATIONALRAT: PLENUM
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Netzpolitik

Wahlen: Warum man Unterstützungserklärungen nur analog abgeben kann

Als Kleinpartei bzw. neue Partei, die nicht im Nationalrat vertreten ist, muss man sich in Österreich zunächst 2.600 Unterstützungserklärungen einholen, um auf dem Wahlzettel zu landen. Aktuell werden diese - unter anderem von den Grünen, die 2017 aus dem Nationalrat flogen, der KPÖ und der "Bier-Partei" - wieder gesammelt. Was dabei auffällt: Anders als etwa das Unterzeichnen von Volksbegehren oder allerlei Amtswege, die mittlerweile auch digital erledigt werden können, kann die Stimmabgabe hier weiterhin nur analog erfolgen. 

Der Prozess der Unterstützungserklärung gestaltet sich folgendermaßen: Man besorgt sich das jeweilige Formular - direkt von der Partei oder als Download von deren Webseiten. Dann füllt man es aus und geht damit zum Magistrat oder Gemeindeamt, wo man es dann unterschreiben und bestätigen lassen muss. Danach nimmt man das beglaubigte Formular wieder mit und schickt es per Post an die unterstützte Partei/Wahlliste. Bestätigen lassen kann man es außerdem nur in seiner Hauptwohnsitzgemeinde. 

Warum nur analog?

Wenig überraschend gibt es von den Kleinparteien regelmäßig Kritik an dem Prozedere. Aus ihrer Sicht sind die Hürden, um auf den Stimmzettel zu gelangen, unnötig hoch. "Der derzeitige Modus ist eine absolute Katastrophe für uns", sagte etwa Gerhard Kuchta von der Demokratischen Alternative kürzlich zur APA und forderte die Einführung eines elektronischen Wegs. Auch das BZÖ übte bereits Kritik und nannte den jetzigen Modus “demokratiefeindlich”. Die Partei Wandel schickte in der Causa kürzlich einen offenen Brief an Abgeordnete des Nationalrats.

Um eine digitale Möglichkeit der Unterstützungserklärung zu schaffen, bedarf es jedenfalls einer Gesetzesänderung, für die bisher offenbar keine Mehrheit im Nationalrat gefunden werden konnte. “Eine Verankerung entsprechender Zusatzbedingungen für die Unterstützung von Wahlvorschlägen in den gesetzlichen Grundlagen ist ausschließlich Angelegenheit des Gesetzgebers. Die Bundeswahlbehörde bzw. das BMI ist lediglich für den korrekten Vollzug der Gesetze zuständig”, heißt es dazu aus dem Innenministerium

Bereits im Jahr 2016 hatte NEOS einen entsprechenden Zusatzantrag eingebracht, der - soweit aus den Wortmeldungen der damals vertretenen Abgeordneten hervorgeht - jedenfalls auch von den Grünen und der FPÖ befürwortet wurde, jedoch keine Mehrheit fand. 

Aktuelle Positionen der Parteien

An der Position von NEOS hat sich seither nichts geändert, Parteivertreter sprechen sich nach wie vor für die Einführung digitaler Unterstützungserklärungen aus. Auch Grünenchef Werner Kogler zeigte sich kürzlich weitgehend aufgeschlossen gegenüber eines solchen Vorschlags. Zur APA sagte er, die Grünen stünden der  Möglichkeit elektronischer Unterstützungserklärungen grundsätzlich offen gegenüber, es müsse aber gewährleistet sein, dass im staatlichen Bereich keine Datensammlung über die UnterstützerInnen politischer Parteien angelegt werden könne. 

Bei Jetzt positioniert man sich auf Nachfrage der futurezone klar pro elektronische Methode: „Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist eine rein analog zu leistende Unterstützungserklärung unsinnig. Es ist eine unangebrachte Hürde, um Kleinparteien eine Kandidatur möglichst zu erschweren, und den ‚alten‘ Parteien neue Konkurrenten fernzuhalten. Wir würden eine Änderung begrüßen, so Parteichefin Maria Stern

Auch seitens der ÖVP gibt es zumindest ein positives Signal in diese Richtung, wenngleich man auf Nachfrage der futurezone nicht darauf eingeht, warum die Partei 2016 den NEOS-Antrag nicht unterstützt hatte. „Wir stehen der Digitalisierung sehr positiv gegenüber. Das werden wir auch in Zukunft fortsetzen. Online-Unterstützungserklärungen können bei Einhaltung aller gegebenen Erfordernisse eine zusätzliche Möglichkeit zur Entbürokratisierung sein und helfen, Behördengänge zu reduzieren”, so ÖVP-Sprecher Jochen Prüller

"Dass Unterstützungserklärungen für das Antreten bei Nationalratswahlen durch die digitale Signatur ermöglicht werden, wurde als Resultat der Enquetekommission mehr Demokratie in Österreich auch von der SPÖ gefordert”, so SPÖ-Sprecher Lukas Sapper zur futurezone. Auf Nachfrage, warum es in der Vergangenheit dennoch keine Mehrheit für eine Einführung gegeben hat, heißt es: “Es lag damals nicht nur dieses Detailproblem im Bereich Wahlrecht auf dem Tisch, sondern ein umfangreiches Paket, welches jedoch aufgrund der bevorstehenden Nationalratswahl, insbesondere auch durch die Untätigkeit des damaligen Innenministers, der eine große Lösung nicht befürwortete, nicht mehr abgeschlossen werden konnte.” Die SPÖ stehe einer Änderung "äußerst positiv" gegenüber. 

Die FPÖ betont auf Nachfrage, dass sie sich 2016 für den von NEOS eingebrachten Antrag auf Durchführung per Handysignatur ausgesprochen habe. An dieser Position habe sich seither nichts geändert. Im Parlament begründete das etwa der Abgeordnete Harald Stefan unter anderem so: “Hier künstlich eine Regelung zu finden und zu sagen, man kann zwar Volksbegehren unter­stützen, nicht aber eine wahlwerbende Partei, das ist für mich sachlich nicht gerechtfer­tigt.”

Problematisch?

Kritik an der aktuellen Lösung gibt es regelmäßig auch deswegen, weil es gerade am Land, wo sich alle kennen, dazu führen kann, dass potenzielle Unterstützer abgeschreckt werden. Vielen Bürgern ist es unangenehm, sich öffentlich deklarieren zu müssen, wenn die Gefahr besteht, zum Dorfgesprächsthema zu werden. Das kritisieren nicht nur Unterstützer, sondern aktuell zum Beispiel auch das BZÖ, das gerne wieder zur Wahl antreten würde. Auch seitens NEOS sieht man darin ein Problem. 

Laut NEOS habe die Partei in der Vergangenheit auch gefordert, zumindest das Gebundensein an die Hauptwohnsitz-Gemeinde abzuschaffen. Auch dafür hatte es jedoch offenbar keine Mehrheit gegeben. Verständnis für das Problem zeigt aber auch die SPÖ: “Dem Umstand, dass in Kleingemeinden gewisse Barrieren bei der Unterstützung entstehen, wurde bei Volksbegehren berücksichtigt. Es ist daher nicht nur die digitale Signatur eingeführt worden, sondern auch die Möglichkeit, dass eine Unterstützung am Amt nicht nur in der eigenen Gemeinde möglich ist.” Dies solle man daher auch bei Wahlkandidatur-Unterstützungen berücksichtigen, da nicht alle einer digitalen Lösung vertrauen würden. 

Aus dem Innenministerium heißt es nur: “Das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der geheimen Wahl bezieht sich ausschließlich auf das Stimmverhalten einer Person im Wahllokal, nicht auf die Abgabe von Unterstützungserklärungen.” 

Niemand dagegen

Sieht man sich die aktuellen Positionen der Parteien an, will sich derzeit zumindest niemand gegen die Einführung einer digitalen Unterstützungserklärung stellen. Es erscheint verwunderlich, warum es ein Angebot, das alle befürworten, trotzdem nicht gibt. Ob man hier nur aufgrund des Wahlkampfs möglichst bürgerfreundliche Aussagen trifft, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls könnte jemand einen neuen Anlauf auf Änderung wagen - das Ergebnis wäre spannend. 

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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