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Amazon Music Unlimited im Test: Alexa ist eine schlechte DJane

In Zeiten, in denen bereits viele User mit zahlreichen Playlists, Song-Sammlungen und Favoriten tief in ihre Musik-Streamingdienste verankert sind, ist es äußerst schwierig, Neukunden für einen überarbeiteten zu finden.

Amazon will auch einen Stück des Musik-Streamingkuchens und promotet seit geraumer Zeit seinen Dienst Amazon Music Unlimited. Vor allem Amazons erfolgreiche Sprachassistentin Alexa soll dem Musik-Service einen Mehrwert verleihen. Wir haben uns angesehen, woran es scheitert und wo Amazon die Nase vorne hat.

Prime Music vs Music Unlimited

Zuerst steht Verwirrung am Programm, denn Amazon betreibt gleich zwei Musik-Streamingdienste: "Amazon Prime Music" und "Amazon Music Unlimited".

Bei Prime Music erhalten Prime-Mitglieder als Bestandteil ihrer Prime-Mitgliedschaft ohne zusätzliche Kosten automatisch Zugriff auf zwei Millionen Songs von Top-Künstlern, ausgewählte Playlists und Radiosender. "Bei Amazon Music Unlimited erhalten Sie hingegen Zugriff auf über 40 Millionen Songs von Amazon Music über eine Mitgliedschaft oder Probemitgliedschaft" schreibt Amazon.

Prime Music ist also die abgespeckte Version, in etwa vergleichbar mit dem Gratis-Angebot anderer Services. Amazon Music Unlimited kostet ähnlich wie oder Apple Music 9,99 Euro im Monat. Für Prime-Mitglieder ist es billiger, sie kommen - zusätzlich zum regulären Prime-Abo - auf 7,99 Euro im Monat.

Die Anmeldung passiert ganz einfach über den Amazon-Account. Für Amazon Music Unlimited gibt es - wie für Streamingdienste üblich - einen Webplayer für Musikwiedergabe im Browser, Apps für Android und iOS sowie eine eigene Player-Anwendung für Windows und Mac. Darüber hinaus kann das Streamingservice auch via Amazon-Geräte, etwa Spot, Echo, Echo Show und den Fire-Tablets wiedergegeben werden. Wird ein Titel im Webplayer im Browser abgespielt, wird dies allerdings im App-Player nicht angezeigt. 

Etwas verwirrend ist auch, dass die Benutzeroberfläche bei dem Player im Browser anders ist als in der Desktop-App. Sonst ist die Benutzeroberfläche übersichtlich und selbsterklärend und orientiert sich an der gewohnten Menüführung anderer Streamingdienste.

Songtexte mitlesen

Wer zur Wiedergabe den Echo Spot oder Echo Show verwendet, dem werden auf dem kleinen Bildschirm automatisch das Album-Cover und die Songtexte der aktuell laufenden Tracks im Karaoke-Modus angezeigt. Bei unbekannten und wenig populären Titeln funktioniert das nicht. Bei den allermeisten Tracks werden aber die Songtexte entsprechend angezeigt.

Amazon-Einkäufe automatisch integriert

Wer in der Vergangenheit bereits CDs, Schallplatten oder mp3-Dateien über Amazon gekauft hat, findet diese Tonträger in digitalisierter Form schön geordnet unter dem Menüpunkt "Gekauft" unter "Meiner Musik" wieder. Diese Songs und Alben werden automatisch der Musikbibliothek hinzugefügt und von Beginn an vom Vorschlags-Algorithmus berücksichtigt. Amazon Music Unlimited ist auch mit dem Amazon-Shop verknüpft. Auf diese Weise lassen sich mit nur wenigen Klicks Alben von Künstlern erwerben.

Alexa als DJane

Vor allem mit seiner Sprachassistentin und speziellen Befehlen für sein Musik-Streamingservice versucht sich Amazon von der Konkurrenz abzuheben. Das Steuern der Musikwiedergabe per Sprachansage hat einige Vorteile, birgt aber mindestens genauso viele Tücken.

Die größte Herausforderung zu Beginn ist es, sich die korrekte Abfolge der Befehle zu merken. Vor allem am Anfang, ist das eine Herausforderung, der man ohne der Befehlsliste nicht gewachsen ist. Wer etwa Alexa "Spiele Bright Eyes" sagt, wird den gleichnamigen Song von Art Garfunkel zu hören bekommen. Um Songs von der Band "Bright Eyes" wiederzugeben, lautet der Befehl "Spiele Songs von Bright Eyes."

Neben den klassischen Befehlen wie "Spiele Musik", "Spiele den Song [Titel]", "Spiele Songs von [Künstler]", "Spiele das Album [Titel]", "Spiele etwas [Genre]" oder "Spiele [Name des Radiossenders/TuneIn]" können auch tiefergehende Suchbefehle an Alexa eingegeben werden.

Suchen nach Songtexten

Dabei kann die Eingabe per Sprachbefehl seine Vorteile ausspielen. Etwa wenn es darum geht, nach Songtexten zu suchen. Wem beispielsweise eine bestimmte Textzeile nicht mehr aus dem Kopf geht, der passende Song dazu aber einem perdu nicht einfallen mag, kann Alexa die Textzeile vorsagen und sie versucht den entsprechenden Track zu finden. Ohne Spracheingabe müsste man die Lyrics googeln, den Songtitel kopieren und im Streamingservice seiner Wahl danach suchen.

Offenbar kann ich mir aber Songtexte nicht allzu gut und korrekt merken. Denn aus dem Kopf heraus, hat Alexa meine Interpretationen kaum bis nie den richtigen Songs zugeordnet - wenn sie überhaupt irgendetwas verstanden hat. Habe ich mir aber den Songtext gegoogelt und ihr vorgelesen, hatte sie nie ein Problem, den entsprechenden Track zu finden und wiederzugeben. Das ist allerdings nicht so ganz, wie das Feature funktionieren soll. Denn könnte ich mir die Lyrics Wort für Wort merken, hätte ich wohl auch nicht den Songtitel dazu vergessen.

Bei klassischen Abfragen wie "Wer ist das?", "Welcher Song ist das?" oder "Wann wurde dieser Song/dieses Album veröffentlicht?" kann Alexa weiterhelfen. Allerdings scheint es hier beim Tagging noch Nachholbedarf geben. Denn auf die Frage nach dem Veröffentlichungsdatum antwortet Alexa bei den allermeisten Songs immer mit "30. Juli 1996", unabhängig davon, was gerade gespielt wird.

Suche nach Jahr und Ort

Mit dem Befehl "Spiele die Topsongs aus [Stadt]" werden die Songs wiedergegeben, die gerade bei Amazon-Music-Nutzern in einer bestimmten Stadt beliebt sind. Wien ist nicht dabei. Verfügbare Städte sind laut Alexa New York, London oder Berlin.

Auch Songs und Künstler, die aus bestimmten Ländern stammen, können mit "Spiele etwas Angesagtes aus [Land]" schnell und bequem per Sprachbefehl wiedergegeben werden.

Selbiges lässt sich auf ein bestimmtes Jahrzehnt oder auf das Veröffentlichungsdatum umlegen. So kann Alexa mitgeteilt werden "Spiele [Jahrzehnt Genre]". Die Sprachassistentin sucht nach einem entsprechenden Amazon-Music-Sender und spielt dann etwa Rock-Musik aus den 1980er Jahren.

Außerdem kann man sich mit "Spiele die erste Single von [Künstler]" oder "Spiele Songs aus den [Jahrzehnt] von [Künstler]" bestimmte Songs wünschen, die bei herkömmlicher Suche umständlich wiederzugeben sind. Bei sehr populären Mainstream-Bands funktioniert das in der Regel recht gut. Beispielsweise hat mir Alexa eine Playlist mit U2-Songs aus den 1990er Jahren auf Anhieb wiedergegeben. Bei etwas ausgefalleneren Interpreten muss Alexa passen.

Musik nach Emotionen, Genre und Radiosender

Praktisch ist, dass Alexa - zumindest über die Amazon-Geräte - auch Internetradiosender wiedergeben kann. Unabhängig von Amazon Music Unlimited sucht Alexa mithilfe von TuneIn-Radio nach entsprechenden Radiosendern.

Innerhalb von Amazon Music Unlimited kann hingegen ein Künstler-, Song- oder Genre-Sender abgespielt werden. Dabei greift Alexa auf den Vorschlag-Algorithmus zurück.

Auf "Spiele [Emotion] Musik", ordnet Alexa Chillout-Musik dem Genre "Bar & Lounge" zu und spielt entsprechende Musik. Selbiges funktioniert etwa mit "Musik zum Arbeiten" oder "Musik zum Autofahren". Für Weihnachten oder sonstige Feiertage kann passende Musik mit "Spiele [Feiertag]-Musik" gefunden werden. Ebenso funktionieren die Befehle "Spiele mehr davon" oder "Spiele Songs ähnlich zu [Song/Künstler]".

Die von Amazon kuratierten Sektionen befinden sich unter "Stöbern". Dort werden Empfehlungen, sogenannte Radiosender und Playlists angezeigt. Gerade die Empfehlungen werden mit der Zeit immer besser. Also je mehr man mit Amazon Music unlimited interagiert, je mehr man den Dienst verwendet beziehungsweise je mehr Daten man dem Dienst zur Verfügung stellt, umso besser werden die Vorschläge.

Playlists, Touchscreen und Schlafmodus

Wer sich eine Sammlung von Playlists angelegt hat, kann diese natürlich auch ansteuern. Neben dem klassischen Befehlen "Meine Playlist [Titel] anhören" oder "Meine Playlist [Titel] zufällig wiedergeben" funktioniert auch "Spiele [einen Sender/eine Playlist], [den/die] ich lange nicht mehr gehört habe".

Wer einen Echo Spot oder Echo Show verwendet, kann den kleinen Bildschirm auch zum Anwählen von Alben oder Songs nutzen. Mit "Zeige meine Playlisten", "Zeige mir Alben von [Künstler]" oder "Zeige mir Rock-Songs" wird eine Auswahl angezeigt, die anschließend per Touchscreen angesteuert werden kann.

Mit den Amazon-Geräten ist auch möglich, per Sprachbefehl die Lautstärke zu regeln oder einen Einschlaf-Timer zu programmieren: "Stelle einen Einschlaf-Timer für [x] Minuten / Stunden" oder "Höre in [x] Minuten / Stunden auf, Musik abzuspielen".

Fazit

Der Unterschied zwischen dem reinen Musik-Streamingdienst Amazon Music Unlimited und der Konkurrenz fällt verschwindend gering aus. Mit der Einbettung in das hauseigene Ökosystem kann Apple Music punkten. Spotify sticht durch seine aktive Community und der Integration in zahlreichen anderen Diensten und Geräten - Beispiel: Chromecast und "Spotfiy auf Gerät XY wiedergeben" - heraus. Und Amazon Music Unlimited kann sich mit spezieller Alexa-Sprachsteuerung und seinen Bildschirm-Geräten Spot und Show abheben.

Musikwiedergabe per Sprache zu steuern, kann allerdings recht nervig sein. Denn ohne die exakte Bezeichnung beziehungsweise Aussprache von Songs, Alben oder Interpreten zu kennen, ist Alexa hilflos. Wenn es sich nicht gerade um einen absoluten Lieblingstrack handelt, ist die korrekte Bezeichnung eines Songtitels aus dem Stegreif heraus gar nicht mal so einfach zu benennen. Hier ist die Texteingabe, die auch Schreibfehler akzeptiert und bei Erinnerungslücken hilft, immer noch unschlagbar. Um auch bei den Sprachbefehlen aus dem Vollen schöpfen zu können, ist es beispielsweise ratsam, seine Musikbibliothek schön in Playlists zu unterteilen.

Zwar kann die Spracheingabe einige Vorteile gegenüber der Texteingabe verbuchen, im Allgemeinen konnte ich mich mit Alexa nicht so recht anfreunden: Dankbarerweise setzt der "Spiele Musik"-Befehl manchmal dort fort, wo man zuvor ausgestiegen ist. Manchmal allerdings dudelt es Schreckliches aus den Lautsprechern. Die Folge: "Alexa! Stopp!"

Wer einen nicht allzu ausgefallenen, recht unkritischen Musikgeschmack hat oder gerne Einheitsbrei á la Ö3 oder Kronehit hört, wird sich bei Amazon Music pudelwohl fühlen. Die Musik, die man nach Genre-Bezeichnungen oder Emotions-Angaben zu hören bekommt, entspringt nämlich aus der Mitte des Mainstreams. Ein Beispiel: Auf den Befehl "Spiele Musik aus den 90er-Jahren" legt Alexa mit Eros Ramazzotti los "Se bastasse una bella canzone ..." und schiebt gleich Eiffel 65 mit "Blue" nach "I'm blue da ba dee da ba daa, Da ba dee da ba daa ...".

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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