Autos sind die neuen Smartphones
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Die Elektronikmesse CES in Las Vegas, die alljährlich im Jänner ein neues Technikjahr einläutet, ist bekannt als größte Technik-Show der Welt. Einst wurden in Las Vegas Revolutionen der Unterhaltungsindustrie präsentiert; beispielsweise feierten der Videorekorder oder auch die DVD dort ihre Premieren. Derartig bedeutende Neuerungen sucht man auf der CES 2017 nun aber vergeblich.
Jetzt laufen die Fahrzeughersteller der klassischen Unterhaltungselektronik mit neuen Entwicklungen bei Autos den Rang ab. 2015 präsentierte etwa Daimler sein selbstfahrendes Prototypen-Fahrzeug F015 in Las Vegas, vergangenes Jahr standen Elektroautos im Mittelpunkt und auch dieses Jahr dreht sich wieder alles um Autos. Die Elektronikmesse entwickelt sich damit immer mehr zu einer Las Vegas Auto Show.
Las Vegas Auto Show?
Die Gründe für diesen Wandel sind vielschichtig. Einerseits hat die Elektronikindustrie ein gewisses Plateau erreicht, auf dem es nicht viel Luft nach oben zu geben scheint. Die Hersteller klassischer Unterhaltungselektronik sind vor allem mit kleineren Verbesserungen beschäftigt, Revolutionen bleiben aus.
Andererseits entwickeln sich die modernen Autos immer mehr zu fahrenden Computern und sind auf diese Weise ein Treiber der Technik-Branche geworden - sei es bei neuen Sensoren, Software, Konnektivität und künftig auch Machine Learning. Die Autoindustrie erschließt dadurch auch ein neues Zielpublikum. Für die "Geeks" war der Pkw früher oft nur Mittel zum Zweck. Durch autonomes Fahren und andere High-Tech-Funktionen, werden die "Nerds" jetzt zu "Motorheads".
Digitalisierung der Autos
Dass sich die traditionelle Autoindustrie solange gegen die Digitalisierung gewehrt hat, ist auch auf die Angst vor dem Computerfehler zurückzuführen, der in einem fahrenden Auto - anders als bei einem Smartphone - unmittelbar fatale Folgen haben kann. Es brauchte den Neueinsteiger Tesla, der mit seinem Model S bewiesen hat, dass Hightech nicht mehr nur in Konzeptfahrzeugen, sondern auch in Serienautos zuhause ist.
Diesen Erfolg will Faraday, das ebenfalls nach einem berühmten Physiker benannt ist, wiederholen. Das US-Start-up, das von einem chinesischen Milliardär finanziert wird, hat auf der CES sein erstes Serienfahrzeug vorgestellt. Der elektrische FF 91 hat 1050 PS, geht von 0 auf 100 in 2,39 Sekunden und hat eine durchschnittliche Reichweite von 700 Kilometern. Das Auto soll das Verhalten des Fahrers analysieren und so lernen, wann er wie fahren möchte. Das Leistungsprofil wird dann automatisch angepasst.
Ein “3D LIDAR” Laser-Radar-System soll sicheres autonomes Fahren und das selbstständige Suchen von Parkplätzen ermöglichen. Statt Spiegel gibt es nur noch Kameras und Displays. Auch der Autoschlüssel entfällt. Eine Kamera in der Mittelsäule erkennt den Fahrer und öffnet automatisch die Tür für ihn.
Biometrie
Kameras im Inneren des FF 91 erkennen Fahrer und Passagiere und passen Sitz, Temperatur und Infotainment-System automatisch den bevorzugten Einstellungen an. Der Automobilzulieferer Continental, Bosch und Panasonic präsentieren auf der CES ähnliche Systeme.
VW-Fahrer sollen diese Einstellungen künftig per App vornehmen können. Ein Fahrer kann etwa in der VW-App speichern, wie er seinen Sitz oder die Spiegel eingestellt haben will. Diese Einstellungen werden online hinterlegt. Steigt der Fahrer dann in ein anderes VW-Auto ein, beispielsweise ein Miet- oder Firmenfahrzeug, so kann er per Smartphone-App das Auto konfigurieren.
Anzeige je nach Fahrmodus
Autos, die automatisiert untereinander und mit der straßenseitigen Infrastruktur kommunizieren, die vollständig oder zumindest teilweise selbständig fahren und permanent mit dem Internet verbunden sind, verlangen eine radikale Veränderung der Auto-Innenräume. Unter diesem Hintergrund haben BMW und Toyota in Las Vegas futuristische Konzeptautos präsentiert.
Beim Konzept BMW i Inside Future soll etwa die Mittelkonsole komplett in das digitale Leben des Fahrers integriert sein, und zwar so, dass sie während der Fahrt einen Mehrwert bringt und nicht vom Verkehr ablenkt. Dafür passen sich Bedienelemente und Bildschirme an den jeweiligen Fahrmodus an.
Toyota verzichtet bei seinem Konzeptauto Concept-i auf herkömmliche Displays in der Mittelkonsole. Vielmehr sollen Informationen dort angezeigt werden, wo der Fahrer sie gerade braucht. Möglich wird dies mithilfe von Rückprojektionen, durch die quasi das gesamte Interieur zum Bildschirm wird. Sollte es etwa einen toten Winkel geben, wird der Fahrer mit einem entsprechenden Hinweis genau dort gewarnt, wo sich ein nicht sichtbares Hindernis befindet.
Dreidimensionales Hologramm
Auch beim BMW i Inside Future wird statt eines herkömmlichen Bildschirms in der Fahrerkabine im Bereich der Mittelkonsole von einem kleinen Projektor ein dreidimensionales Hologramm erzeugt, das dem Fahrer relevante Infos und Bedienelemente angezeigt.
Bei dem "HoloActive Touch" genannten Bediensystem ist es darüber hinaus auch möglich - wie bei einem virtuellen Touchscreen - mit dem Hologramm durch Handgesten intuitiv zu interagieren. Dabei zeichnet eine Kamera die Handbewegungen auf, registriert ihre exakte Position und gibt entsprechende Befehle an den Bordcomputer weiter, sobald eine bestimmte Geste erkannt wird. Tippt der Fahrer einen gewünschten Menüpunkt an, soll er ein zusätzlich ein haptisches Feedback bekommen, in Form eines leicht fühlbaren Druckimpulses in der Fingerspitze.
Nicht nur für BMW spielt bei der Bedienung des Fahrzeugs smarte Sprachsteuerung eine wesentliche Rolle. So integriert etwa Nissan Microsofts Sprachassistenten Cortana in seine Autos. Auch Hyundai zeigte auf der CES, wie es künftig Googles Sprachassistenten Google Home in den Fahrzeugen zu Wort kommen lassen will. Auf Zuruf kann beispielsweise das Auto gestartet, der Blinker betätigt oder die Temperatur geregelt werden. Ebenso so soll das Auto künftig per Sprachbefehl hupen können.
Kommunikation mit der Infrastruktur
Auch Audi lässt sich die Bühne der CES nicht entgehen und gibt in Las Vegas bekannt, dass der Autobauer gemeinsam mit dem Computerspezialisten Nvidia ein selbstfahrendes Auto samt künstlicher Intelligenz entwickelt.
Schon im Vorfeld der CES hat Audi bekanntgegeben, dass im Auto erstmals Ampelinformationen in Echtzeit angezeigt werden können. Dafür kooperiert der Autohersteller mit mehreren Städten in den USA, die ihre Ampeln mit entsprechender Sendetechnik ausgestattet haben, sodass das Fahrzeug weiß, wann die kommende Ampel auf Grün umschaltet.
"Erstmals tauschen unsere Autos in Echtzeit Daten mit der Verkehrsinfrastruktur aus. Der Fahrer kann sein Fahrverhalten situationsbedingt anpassen und ist im Stadtverkehr deutlich souveräner und entspannter unterwegs", sagt Andreas Reich, Leiter der Elektronikvorentwicklung der Audi AG. Dadurch soll der Verkehr besser fließen und Abgase reduziert werden. Ein solcher Vorstoß ist auch bereits für Europa in Planung. "Am Ende dieser Entwicklung sehen wir das autonome Fahren", so der Audi-Entwickler. Ein Satz, der programmatisch für sämtliche digitalen Bemühungen der Autohersteller steht.
Autonomes Fahren
Wie ein solches selbstfahrendes Auto funktionieren könnte, zeigen die beiden auf Fahrzeugtechnik spezialisierten Unternehmen Delphi und Mobileye und präsentieren in Las Vegas ein hochautomatisiertes Demonstrationsfahrzeug. Ausgestattet ist dieses Vorführauto mit einer vollintegrierten automatisierten Fahrlösung samt Umfelderkennung und einer leistungsfähigen Prozessorplattform. Auf einer rund zehn Kilometer langen Teststrecke in Las Vegas wollen Delphi und Mobileye ihre Entwicklungen unter Beweis stellen. Dabei sollen die selbstfahrenden Autos alltägliche Verkehrssituationen, etwa Autobahnauf- und abfahrten, Tunnelpassagen und dichten innerstädtischen Verkehr mit Fußgänger- und Radfahrerverkehr, sicher bewältigen. Ab 2019 kann diese Fahrlösung voraussichtlich in Serie gehen und anschließend von Fahrzeugherstellern übernommen und implementiert werden.
Der US-Autohersteller Ford - ebenso mit einem selbstfahrenden Test-Auto auf der CES vertreten - gibt sich ähnlich ambitioniert und will seine autonomen Fahrzeuge ab 2021 in Großserie produzieren. Künftige Ford-Serienmodelle sollen dann völlig ohne konventionelle Lenkräder auskommen. Abnehmer sollen in erster Linie taxiähnliche Fahrdienste wie Uber sein, die dann gänzlich ohne Lenker auskommen könnten.
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