© VW/Christian Houdek

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Erste Probefahrt im VW ID.3: Der Zukunft hinterher

Mit dem ID.3 soll für Volkswagen eine neue Ära beginnen. Für den Konzern sei das Elektroauto ähnlich bedeutend wie der VW Käfer und VW Golf. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an den ID.3.

Im Rahmen eines Pressefahrtages konnten wir mit dem Hoffnungsträger des VW-Konzerns erstmals eine Probefahrt unternehmen und das Elektroauto für kurze Zeit genauer unter die Lupe nehmen. Am Parkplatz steht für uns ein ID.3 Pro Performance (1st Edition) bereit.

Er hat einen 58-kWh-Akku mit einer Reichweite von 426 Kilometer (WLTP) und einen Elektromotor mit einer Leistung von 150 kW (204 PS). Außerdem erwartet uns eine umfassende Sonderausstattung samt zahlreichen smarten Features.

Erster Eindruck

Von außen wirkt der ID.3 recht groß, vor allem der riesige Radstand fällt sofort auf. Ein Blick auf die tatsächlichen Maße zeigt allerdings, dass das E-Auto bis auf wenige Zentimeter gleich groß ist, wie der aktuelle 8er Golf. Der Akku im Unterbau macht den ID.3 um rund 10 Zentimeter höher als den Golf und auch der Radstand ist durch die MEB-Plattform um gut 15 Zentimeter größer.

Der Innenraum des ID.3 bietet richtig viel Platz. Es wirkt alles sehr luftig und geräumig - sowohl im Cockpit als auch im Fond. Auffallend ist das vor allem im Bereich der Beine, dort verschafft der fehlende Kardantunnel dem Elektroauto ordentlich viel Platz.

Das Cockpit

Dem Fahrer stehen zwei Displays zu Verfügung: Die 5,3 Zoll große Instrumentenanzeige direkt hinter dem Lenkrad sowie der 10 Zoll große Touchscreen im Bereich der Mittelkonsole. Physische Tasten oder Schalter findet man im ID.3 kaum. Alle Bedienelemente – auch jene im Lenkrad – werden über die Touch-Funktion mit berührungssensitiven Tasten gesteuert.

Berührt man etwa die Volume-Taste im Lenkrad, bekommt man ein haptisches, leicht vibrierendes Feedback. Das ist gewöhnungsbedürftig und führte beim ersten Versuch dazu, dass die Lautstärke unerwartet in die Höhe geschossen ist. Probiert man es ein paar Mal, lässt sich das Fahrzeug auch über die berührungssensitiven Tasten wie gewohnt steuern. 

Bedienung und Sprachassistent

Das Cockpit des ID.3 wirkt sehr aufgeräumt, übersichtlich und ganz und gar nicht überladen. Die allermeisten Funktionen werden entweder über den Touchscreen in der Mittelkonsole oder über die Tasten am Lenkrad gesteuert. Darüber hinaus gibt es auch einen Sprachassistenten, der auf das Signalwort "Hallo ID" hört.

Auf der kurzen Testfahrt war es ohne Probleme möglich, die Heizung mit "Hallo ID, mir ist kalt" zu regulieren. Auch das Steuern der Lautstärke war ohne weiteres möglich. Nur bei dem Versuch, eine Navi-Adresse per Sprachbefehl einzugeben, bin ich mehrfach gescheitert.

Das Gemurkse mit dem Navi

Wobei wir beim Navigationssystem wären: Zunächst muss der Ort eingegeben werden, dann die Straße und zuletzt noch die Hausnummer. Als ich zur Wiener Panozzalacke in der Lobau navigieren wollte, war das Navi des ID.3 ratlos. Auch der Ölhafen, der sich in unmittelbarer Nähe der Panozzalacke befindet, war dem Navi nicht bekannt. Das Eingeben eines Zielpunktes funktioniert also leider noch immer nicht so, wie man es gerne hätte. 

Wenn ich mein Handy als Navi verwende, brauche ich bei Google Maps tatsächlich nur Panozzalacke eingeben und schon werde ich zum dortigen Parkplatz gelotst. Das ist so einfach, dass es ohne Weiteres auch während der Fahrt gemacht werden kann. Ort, Straße und Hausnummer einzugeben, ist da wesentlich umständlicher und erfordert sogar eine vorherige Recherche über die genaue Adresse des Zielpunktes.

Die Grenzen der VW-Navigation

Steuert man ein Ziel an, das sich außerhalb der elektrischen Reichweite des Wagens befindet, bekommt man angezeigt, dass man auf dem Weg laden muss. Dafür hat das Infotainmentsystem des ID.3 zahlreiche passende Ladepunkte eingespeichert, die man ansteuern kann.

Was jedoch (noch) nicht funktioniert ist das automatische Anpassen des Ladepunktes und der Route während der Fahrt. Die Software des ID.3 hat bekanntlich Probleme mit der Echtzeitnavigation. Diese Probleme sollen, so heißt es von Volkswagen, Anfang nächsten Jahres behoben sein und sich durch ein Update in einer Werkstätte für ID.3-Fahrer freischalten lassen.

Los geht die Fahrt

Der Ganghebel des ID.3 befindet sich nicht wie gewohnt in der Mittelkonsole, sondern völlig unauffällig rechts hinter dem Lenkrad. Durch ein leichtes Drehen des Moduls kann der Gang ausgewählt werden. B steht wohl für Bremsen. Denn in diesem Modus rekuperiert der Wagen recht stark, bis er zum Stillstand kommt. Ist man diese Fahrweise einmal gewohnt, kann man damit die allermeiste Zeit vorausschauend und mit nur mit dem Fahrpedal durch die Straßen gondeln. Das Betätigen des Bremspedals ist quasi nur mehr im Notfall notwendig.

Wie für Elektroautos üblich ist der ID.3 extrem leise, man hört eigentlich nur das Abrollgeräusch der Räder. Drückt man auf das Fahrpedal, bekommt man die 204 PS zu spüren und der ID.3 braust davon. Für einen Wagen dieser Größe ist das schon recht beeindruckend und im Stadtverkehr äußerst praktisch.

An den Fahreigenschaften gibt es rein gar nichts auszusetzen. Das recht höhere Gewicht von 1.805 Kilogramm fallen nicht negativ auf. Das heißt, das Fahrzeug schwimmt nicht und wirkt auch überhaupt nicht schwerfällig. Auffallend ist allerdings, dass man mit dem ID.3 etwas höher sitzt - so irgendwo zwischen klassischem SUV und herkömmlichen Kleinwagen.

Fahrassistenzsysteme

Fährt man samt Navigation an eine Zieladresse, bremst das Fahrzeug selbständig an jenen Kreuzungen, an denen man abbiegen soll. Das ist zunächst etwas eigenartig, wodurch man leicht erschrecken kann. Aber schon auf der kurzen Probefahrt konnte ich mich an dieses recht praktische Feature gewöhnen.

Der automatische Abstandhalter zum Vorderfahrzeug sowie der Spurhalteassistent funktionieren einwandfrei. Außerdem hatte das Testfahrzeug eine Rückfahrkamera eingebaut.

Infotainment während der Fahrt

Das Infotainmentsystem samt Anzeige der Fahrdaten lässt während der Fahrt kaum Wünsche offen: Die Menüführung ist selbsterklärend und simpel, die Instrumententafel zeigt die notwendigen Informationen übersichtlich an und die Navigationshinweise werden ebenso klar und verständlich angezeigt.

Für die Navigation hat sich VW etwas Besonderes überlegt, nämlich das ID-Light. Das ist eine dezente LED-Leiste unterhalb der Windschutzscheibe. Diese Leiste korrespondiert mit dem Fahrer, etwa wenn ein Anruf eingeht, wenn man den Sprachassistenten verwendet oder eben bei der Navigation. Soll man an einer Kreuzung abbiegen, wird dem Fahrer – zusätzlich zu den herkömmlichen Anzeigen – per leuchtender LED-Leiste signalisiert, wohin und wann man abbiegen soll.

Das Head-up-Display mit Augmented-Reality-Funktion war in dem Testwagen nicht vorhanden. Ein Ausblick darauf lässt aber jedenfalls Vorfreude aufkommen.

Schwacher Rechner

Was bei Infotainmentsystem negativ aufgefallen ist, ist die Leistungsfähigkeit. Wie schon andere Tester kritisiert haben, dauert es ziemlich lange, bis das Kartenmaterial aufgebaut ist. Auch ist mit leichten Verzögerungen zu rechnen, wenn man sich durch die einzelnen Menüs und Unterpunkte klickt. Alles in allem schmälert dies ein wenig die Freude mit dem fortschrittlichen Wagen und einem eigentlich smarten Infotainmentsystem.

Wie zukunftsfähig die Rechenleistung des ID.3 ist, kann natürlich nicht beantwortet werden. Allerdings macht es keinen guten Eindruck, wenn der Onboard-Computer schon bei der Markteinführung schwächelt.

Laden, Reichweite und App

Fragen zum Laden und zur tatsächlichen Reichweite können hier nicht beantwortet werden. Dafür war die Probefahrt einfach zu kurz. Praktisch sind jedenfalls, die übersichtlichen und detaillierten Daten, die den Fahrern zur Verfügung gestellt werden. Dabei erhält man einen genauen Überblick über die Ladevorgänge, Verbrauch und ähnlichem.

Natürlich soll es auch eine passende Smartphone-App zum ID.3 geben. Diese haben wir bei der kurzen Testfahrt allerdings nicht zu Gesicht bekommen und auch nicht ausprobieren können. Das werden wir ganz bestimmt, bei einem ausführlichen Test nachholen.

Fazit

Der VW ID.3 ist in fast allen Belangen ein gelungenes Elektroauto. Leistung, Reichweite und Motorisierung können mit der Konkurrenz mithalten und fallen in diesem Preisbereich positiv auf. Auch das Design und der Innenraum können mit zeitgemäßer Optik, reichlich Platz und geschmackvollem Minimalismus überzeugen.

Die smarten Features, wie Fahrassistenzsysteme, Touchscreen-Anzeige und Infotainmentsystem lassen kaum Wünsche offen. Der Sprachassistent ist praktisch, sofern er einem versteht und weiterhelfen kann.

Negativ aufgefallen ist das Kartenmaterial und die damit zusammenhängende Eingabe von Zielpunkten. Das ist für meinen Geschmack äußerst unpraktisch und müsste im Jahr 2020 nicht mehr so sein - vor allem wenn man weiß, dass man Zielpunkte in anderen Fahrzeugen oder auf anderen Plattformen wesentlich einfacher eingeben kann.

Ebenso wirft die Rechenleistung des Onboard-Computers einige Fragen auf: Beim Bedienen des Infotainmentsystem ist es mehrmals zu längeren Ladezeiten gekommen und bis die Navigationskarten angezeigt wurden, dauerte es auch immer einen kleinen Augenblick. Wie zukunftsfähig die Rechenleistung ist, sei dahingestellt. Jedoch im Hinblick auf den Gebrauchtmarkt, könnten hier leichte Sorgen aufkommen.

Unterm Strich macht der ID.3 Lust auf mehr. Er zeigt, dass der Volkswagen-Konzern in Sachen Zukunft und Elektromobilität nicht gänzlich falsch abgebogen ist. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen aus den kleinen Macken des ID.3 lernen und es bei den kommenden E-Autos des Konzerns besser machen.  

Preise, Modelle und technische Daten

ID.3 Pro Performance

  • Akku: 58 kWh
  • Reichweite: bis zu 420 Kilometer (WLTP)
  • Ladeleistung: bis 100 kW
  • Leergewicht mit Fahrer: 1805 Kilogramm
  • Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
  • Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 7,3 Sekunden
  • Drehmoment: 310 Nm
  • maximale Leistung: 150 kW (204 PS)
  • Antriebsart: Hinterradantrieb
  • Energie­verbrauch nach NEFZ auf 100 km, kombiniert: 14,5 – 15,4 kWh
  • Preis: ab 34.090 Euro
     

ID.3 Pro S

  • Akku: 77 kWh
  • Reichweite: bis zu 550 Kilometer (WLTP)
  • Ladeleistung: bis 100 kW
  • Leergewicht mit Fahrer: 1934 Kilogramm
  • Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
  • Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 7,9 Sekunden
  • Drehmoment, Hinterachse: 310 Nm
  • maximale Leistung: 150 kW (204 PS)
  • Antriebsart: Hinterradantrieb
  • Energie­verbrauch nach NEFZ auf 100 km, kombiniert: 13,5 – 14,1 kWh
  • Preis: ab 39.190 Euro

 

Ein Basismodell für unter 30.000 Euro soll demnächst zu haben sein.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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