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iFixit: "Smartphones müssten mindestens 25 Jahre halten"

Matthias Huisken ist Geschäftsführer bei iFixit in Europa, einer Initiative, die Menschen zeigen möchte, wie man fast alles reparieren kann. Die futurezone hat mit Huisken darüber gesprochen, wie Smartphones zur Rettung des Weltklimas beitragen können.

Derzeit gibt es 22.000 Unterzeichner der Petition zum "Recht auf Reparieren von Smartphones", die ifixit unterstützt. Was ist das Ziel der Petition?
Matthias Huisken: Unser Hauptziel ist die Verlängerung der Produktlebensdauer als Teil einer Strategie zur Eindämmung des Klimawandels. Dabei ist die Herstellung von Produkten ein wichtiger Faktor.
 
Warum ist ein Recht auf Reparatur bei Smartphones so wichtig für den Klimaschutz?
32 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind dem industriellen Sektor, also der Produktion von Gütern zuzuschreiben. Damit ist dies der Wirtschaftssektor mit dem größten Anteil an den durch Menschen entstandenen Emissionen. Es liegt auf der Hand, dass sich der gesamte Materialdurchsatz in Versorgungssystemen verringert, wenn Verbraucher deutlich länger an ihrem Besitz festhalten und die Entscheidung für den Ersatz eines Produkts hinauszögern.

Wie lange genau sollen Smartphones funktionieren und repariert werden können?
Aus Umwelt- und Klimaschutzperspektive sollten Smartphones nur dann ersetzt werden, wenn ein neues Produkt im Gebrauch soviel energie- und ressourceneffizienter ist, dass es die Emissionen aus der Produktionsphase ausgleicht. Je nach Gerät läge dieser optimale Zeitraum verblüffenderweise zwischen 25 und 232 Jahren.

Matthias Huisken von iFixit

Das klingt aber nicht sehr realistisch als Ziel, oder?
Ja, derartige Nutzungsdauern sind in der Praxis unrealistisch. Aber wir würden bereits die Hälfte der Produktionsemissionen im Zusammenhang mit Smartphones einsparen, wenn wir die Lebensdauer eines durchschnittlichen Smartphones von 2 auf 4 Jahre verdoppeln könnten. Dies würde voraussetzen, dass Ersatzteile und relevante Informationen mindestens 5 Jahre lang verfügbar sein müssten. Allein durch eine Verlängerung der Lebensdauer aller Smartphones in der EU um ein Jahr ließen sich bis zum Jahr 2030 bereits 2,1 Mt CO2 pro Jahr einsparen, was im Effekt der Stilllegung von über einer Million Autos entspräche.

Welche Smartphone-Hersteller agieren hier Ihrem Wissen nach bereits sorgfältig, welche sind die großen Sünder?
Die meisten der großen Smartphone-Hersteller entwickeln Geräte nicht auf ihre Reparierbarkeit hin und zeichnen sich durch restriktive Reparaturrichtlinien aus, die die Bereitstellung von Ersatzteilen auf autorisierte Werkstätten beschränken. Das reparaturfreundlichste Smartphone wird von Fairphone hergestellt. Die am häufigsten ausfallenden Komponenten, der Akku und das Display, werden bei der Produktgestaltung vorrangig behandelt und können im Fairphone 2 gänzlich ohne Werkzeug oder im Fairphone 3 mit einem normalen Philips-Schraubendreher ersetzt werden. Bei Apple ist hingegen die verhältnismäßig lange Software-Unterstützung von 4 bis 5 Jahren bemerkenswert.

Apple blockiert aber die Entwicklung zum Recht auf Reparatur, kann man das wirklich als Vorbild bezeichnen?
Ja, Apple hat eine der restriktivsten Reparaturrichtlinien. Es gibt viele Reparaturen, die Apple nicht einmal in seinen autorisierten Werkstätten erlaubt. In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei Mobiltelefonen, die in die Toilette gefallen sind, sagt Apple, dass Reparaturen oder Datenabfragen nicht möglich sind. Unabhängige Werkstätten konnten jedoch Daten durch den Austausch von Chips oder anderen Komponenten auf der Leiterplatte wiederherstellen. Wenn diese Werkstätten die Möglichkeit solcher Reparaturen im offiziellen Beitrag in ihrem Apple Support-Forum erwähnen, werden ihre Nachrichten von Apple gelöscht. Daher sollte man es nicht den Herstellern alleine überlassen, zu entscheiden, ob und wann Reparaturen zulässig oder sinnvoll sind.

Wie sehen das die Smartphone-Kunden?
Viele Verbraucher sind von der kurzen Lebensdauer der existierenden Produkte frustriert und europäische Unternehmen, die im Bereich der Werterhaltung wie Reparatur, Aufarbeitung und Wiederverwendung tätig sind, sehen sich bei ihrer Arbeit mit unnötigen Hindernissen konfrontiert.

Die EU-Kommission hat ein Recht auf Reparatur in ihrem Aktionsplan verankert. Ist das aus eurer Sicht ein gutes Zeichen, dass sich etwas bewegt?
Ja, allerdings greifen die geplanten Maßnahmen möglicherweise zu kurz. Denn Reparatur sollte für alle Menschen verfügbar sein und somit Mainstream werden. Das bedeutet, dass die Reparatur eines Produkts nicht mehr kosten sollte als der Kauf eines neuen Produkts. Und: Rechtliche Barrieren sollten Einzelpersonen, unabhängige Werkstätten oder gemeinschaftliche Reparaturgruppen nicht daran hindern, defekte Produkte zu reparieren. Wir wollen ein universelles Recht auf Reparatur: Alle Bürger sollen während der gesamten Lebensdauer eines Produkts Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturhandbüchern haben.

Wie sieht es mit der Software-Obsoleszenz aus, wie lange sollen Software-Updates zur Verfügung stehen?
Wir sehen Software als ein Ersatzteil wie jedes andere, ohne diese Komponente wäre ein ansonsten funktionierendes Gerät nutzlos. Um die Lebensdauer von Mobilgeräten, die auf Software angewiesen sind, zu verlängern, sollten die Hersteller verpflichtet werden, ihr Produkt mindestens 5 Jahre lang mit Software-Updates zu unterstützen, die mit der Produktfunktionalität kompatibel als auch reversibel sind. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass Kunden ein Update zurücknehmen können, wenn es für sie unerwünschte Auswirkungen hat - wie z.B. die Drosselung der Leistung ("Batterygate") oder sogar die Unbrauchbarkeit ihres Geräts ("Fehler 53“).

Wie sollte es dann mit der Garantie aussehen?
Eine simple Verlängerung der Gewährleistung oder von Garantien wird nicht unbedingt zu einer längeren Lebensdauer führen. Wenn Produkte einfach ersetzt werden, anstatt sie zu reparieren, kann dies sogar eine kürzere Lebensdauer zur Folge haben. Eine interessante Idee ist aber die sogenannte Lebensdauergarantie: Der Hersteller soll dabei die Funktionsfähigkeit des Produkts für die erwartete Lebensdauer des Produkts garantieren, die bereits auf der Produktverpackung angegeben werden muss. Dieses Konzept könnte durch eine obligatorische Herstellergarantie und eine gleichzeitige, verpflichtende Angabe der erwarteten Lebensdauer umgesetzt werden. Durch die Wahl der kommunizierten Lebensdauer könnte der Hersteller die Länge der Garantie effektiv wählen und sie als Wettbewerbsmerkmal nutzen. Darüber hinaus müssten keine aufwendigen Methoden zur Bestimmung der Lebensdauer individueller Produkte eingeführt werden.

Wäre das wirklich durchsetzbar?
Aus der Sicht eines Herstellers oder Händlers ist es oft einfacher, ein Produkt, das während der Garantiezeit ausfällt, durch ein neues zu ersetzen, als es zu reparieren. Dies gilt insbesondere für relativ günstige Produkte und Produkte mit schnellen Produktzyklen. Um sicherzustellen, dass sich die Garantien/Gewährleistungen positiv auf die Umwelt auswirken, ist es von entscheidender Bedeutung, als erste Abhilfemaßnahme die Reparatur und nicht den Ersatz zu begünstigen. Dies ist in den geltenden Vorschriften bisher nicht vorgesehen. Im besten Fall bieten die derzeitigen Regelungen dem Verbraucher noch die Wahl der Abhilfemaßnahme, aber wenn eine große Zahl von Verbrauchern den Ersatz des Produkts der Reparatur vorzieht, geht das positive Potential von erweiterten Garantien/Gewährleistungsansprüchen auf die Umwelt verloren.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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