AKG N90Q LE im Test
AKG N90Q LE im Test
© Michael Stelzhammer

Test

Luxus-Kopfhörer AKG N90Q: Kabelsalat um 1500 Euro

Die richtigen Kopfhörer für die jeweilige Hörsituation (zuhause, unterwegs, Stereoanlage, Computer, Smartphone) zu finden, zählt zu den schwierigsten Herausforderungen für audiophile Menschen. Ich persönlich bevorzuge einen ausgewogenen, knackigen Klang ohne überbordende Bässe und verwende als mobilen Kompromiss für Mac, iPhone und iPad meistens die P5 von Bowers & Wilkins (400 Euro UVP). Die AKG N90Q um 1500 Euro spielen preislich wie technisch in einer ganz anderen Liga. Dementsprechend hoch waren auch die Erwartungen.

Fein-Kalibrierung

Vermarktet wird der Kopfhörer, den die futurezone in der extravaganten Gold-Edition testen durfte, mit dem Musik-Produzenten Quincy Jones, der an der Entwicklung beteiligt gewesen sein soll. Technisches Herzstück ist die automatische Kalibration des Kopfhörers (TruNote) nach der individuellen Ohren- und Kopfform des jeweiligen Trägers. Darüber hinaus verfügt der Kopfhörer über Geräuschunterdrückung, einen integrierten DAC-Wandler und drei wählbare Sound-Einstellungen. Mittels Drehrad am linken Ohrstück kann der Klang zusätzlich in Richtung mehr Höhen/mehr Tiefen adaptiert werden.

Die verbauten Technologien fallen entsprechend ins Gewicht. Stolze 460 Gramm bringt der Kopfhörer auf die Waage. Das dürfte auch dem fix verbauten Akku geschuldet sein, ohne den der AKG N90Q nicht funktioniert. Damit der Kopfhörer auch benutzt werden kann, wenn er nicht aufgeladen ist, legt AKG einen externen Akku bei, der über Mikro-USB-Kabel am rechten Ohrstück angeschlossen werden kann. Diese Lösung ist allerdings nicht ohne Nachteil: Neben der Kabelverbindung zur Musikquelle hat man dann noch ein zweites Kabel plus Akku am Kopfhörer hängen.

AKG N90Q LE im Test
Zumindest am Computer kann man den Kabelsalat umgehen und gleichzeitig guten Klang genießen. Das mitgelieferte Micro-USB-Kabel fungiert nämlich nicht nur als Ladekabel, sondern schleust die Musikfiles direkt über den integrierten DAC-Wandler, was die Soundqualität im Vergleich zum normalen Kopfhörer-Anschluss im Test entscheidend verbesserte. Auch die Autokalibrierung hinterließ einen deutlich hörbaren Effekt. Dazu muss ein kleiner Knopf an der rechten Ohrmuschel ein paar Sekunden gedrückt werden. Test-Töne, die über verbaute Mikrofone gemessen werden, stimmen den Kopfhörer auf den jeweiligen Hörer ab. Der Klang wird dadurch noch genauer, präsenter und greifbarer als in der Werkseinstellung.

Hervorragender Klang

Um gleich beim Klang zu bleiben: Das ist die größte Stärke des N90Q. Der Klang ist in der Standardeinstellung in allen Frequenzregionen voll und ausgewogen. Wer auf fette Bassklänge steht, wie sie bei der überwiegenden Mehrzahl von billigen Kopfhörern zu finden sind, ist beim N90Q an der falschen Adresse. Mich hat die kraftvolle, aber nicht ausufernde Tiefenwiedergabe nicht gestört, da ich Musik gerne leicht höhenlastig höre. Leute, die gelegentlich auf mehr Oomph stehen, sollten beim Probehören im Geschäft zumindest darauf achten.

Die Wiedergabe der Musik ist – ganz egal, ob es sich um Pop oder Klassik handelt –präzise und direkt. Instrumente, Stimmen, räumliche Klangeffekte – alles ist genau zuordenbar und sorgt für ein intimes, gleichzeitig aber auch sattes Klangerlebnis. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Quelle – sowohl was die Datei bzw. den Datenträger betrifft, als auch das Abspielgerät – hochwertig sein muss. Spotify-Streaming in hoher Auflösung ist ok, solange die Musik per USB-Kabel direkt über die Kopfhörer und den hochwertigen DAC-Wandler wiedergegeben wird.

AKG N90Q LE im Test
In der Kombination N90Q und iPhone-Kopfhörerbuchse entlarvt der hochwertige Kopfhörer die musikalischen Schwächen des Apple-Geräts allerdings gnadenlos. Hochwertige Mittelklasse-Kopfhörer wie die Bowers & Wilkins machen da einfach mehr Spaß. Die Bass- und Höheneffekte, die durch das linke Drehrad adaptiert werden können, sind nur marginal, können den flachen Klang bei Geräten wie dem iPhone folglich auch nicht retten.

Sound-Effekte

Anders sieht es da schon mit den drei verfügbaren Soundeffekten aus, die mittels Drücken auf den kleinen Knopf an der rechten Ohrmuschel aktiviert werden können. AKG selbst beschreibt die drei Raumklang-Effekte als „Standard“, „2.1 Studio“ und „5.1 Surround Sound“. Wem der Standard-Klang zu direkt und zu trocken vorkommt, kann sich über die 2.1-Einstellung etwas mehr Raum verschaffen. Der Effekt ist recht subtil und kann überhaupt erst so richtig nach einigen Tagen Hören eingeordnet werden.

Sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe verstärken sich die jeweiligen Eigenschaften. Alles klingt weniger nüchtern, weniger präzise, und wirkt folglich eher wie bei einem Live-Auftritt in einer Konzerthalle. Wer den Kopfhörer etwa auch zum Filmeschauen verwendet, kann ebenfalls von dieser Einstellung profitieren.

Der Surround-Klang ist meiner Meinung nach nicht zu gebrauchen und passt auch nicht zum hehren Qualitätsanspruch eines Highend-Kopfhörers, der präzise Musikwiedergabe zu seinem obersten Gebot erklärt. Die offensichtliche Raumerweiterung sorgt für einen diffusen Klang, der gerade auch beim Hören großer Orchesterwerke von den Raffinessen der Aufnahme ablenkt. Im Vergleich zu den anderen Einstellungen kommt einem die Musik vor, wie wenn sie durch einen Vorhang abgespielt wird.

Schlechte Bedienung

Wo AKG leider geschlampt hat und was die Freude an den hochwertigen Kopfhörern empfindlich trübt, ist die Bedienung. So gibt es bis auf einen nicht unterscheidbaren kurzen Soundeffekt nach Drücken des kleinen Knopfes keinen Hinweis, in welchem Klangmodus man sich befindet. Hier wäre ein Schalter mit drei Positionen weitaus hilfreicher gewesen. Da sich die Standard-Einstellung und die 2.1-Einstellung nicht sehr stark unterscheiden, klickt man gerade anfangs zig Mal auf den kleinen Knopf und fragt sich dauernd, in welchem Modus man sich gerade befindet.

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Ähnlich verhält es sich mit der Akkudauer, den AKG mit 12 Stunden angibt. Droht dem Kopfhörer der Saft auszugehen, leuchtet der winzige Knopf rot – was man naturgemäß nicht mitbekommt, wenn man diesen aufhat. Das rote Leuchten wird auch angezeigt, wenn man den Kopfhörer lädt. Im Test erlosch das Licht aber auch nach einer ganzen Nacht Aufladen nicht, man weiß folglich nicht, wann der Kopfhörer ganz aufgeladen ist. Auch beim Adaptieren der Hoch- und Tieffrequenz über das Drehrad links ertappt man sich oft dabei herumzudrehen, einfach weil man nicht weiß, welche Einstellung vom Kopfhörer gespeichert wurde.

Es mag sein, dass diese Anfangsschwierigkeiten nach einiger Zeit nicht mehr ins Gewicht fallen – bei einem so hochwertigen Modell wünsche ich mir aber, dass solchen Details mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Nichts geht mehr

Wie bereits beschrieben, geht ohne Akku gar nichts. Das führt im Ernstfall dazu, dass die Kopfhörer überhaupt nicht verwendet werden können. Nach gut einem Tag Benutzung ging im Test plötzlich gar nichts mehr. Das ominöse rote Licht leuchtete und leuchtete und leuchtete. Der Kopfhörer ließ sich weder einschalten noch aufladen. Auch der Betrieb über den externen Akku brachte keine Änderung. Da der N90Q die folgenden 48 Stunden gar nicht mehr reagierte, gehe ich davon aus, dass sich das interne System schlichtweg aufgehängt hat.

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Aufgrund eines fehlenden Reset-Knopfes blieb mir nichts anderes übrig, als zwei Tage lang zu warten, bis sich der Kopfhörer restlos entleert hatte. Danach war das Aufladen und auch die Benutzung wieder uneingeschränkt möglich. Es wäre aufgrund dieser einmaligen Erfahrung wohl vermessen davon auszugehen, dass so ein Fehler auf der Tagesordnung steht.

Laut Harman/AKG soll es sich beim Testgerät über ein Preproduction-Sample handeln, bei dem derartige Ausfälle nicht ausgeschlossen werden können. Bis zur Auslieferung im Markt sollen die letzten Bugs behoben werden und solche Crashes nicht mehr vorkommen, versicherte der Hersteller auf futurezone-Nachfrage. Der Vorfall soll im Test aber nicht unerwähnt bleiben. Denn dass man im Ernstfall mit seinem 1500-Euro-Modell vor der Stereoanlage sitzt und darauf wartet, bis dieses sich manuell entlädt, war doch ein recht groteskes Erlebnis.

Verarbeitung und Design

Was die Verarbeitung betrifft, fällt das Urteil ebenfalls zwiespältig aus. Die doppelt beschichteten Ohrpolster und das verwendete Leder sind absolut hochwertig. Generell macht der schwere Kopfhörer auch einen sehr stabilen Eindruck. Das goldüberzogene Aluminium trägt allerdings nicht unbedingt dazu bei, dass die Kopfhörer als edel wahrgenommen werden - im Gegenteil. Für farbsensiblere Menschen hat AKG auch ein durchgängig schwarzes Modell im Portfolio.

Auch die scharfen Kanten bei der Aufhängung des Bügels sowie die geriffelten Plastikdrehräder an den Ohrstücken, die sich bei der Bedienung als Fremdkörper anfühlen und schmutzanfällig sind, können nicht restlos überzeugen. Beim Tragkomfort gilt wie immer bei Kopfhörern: im Geschäft ausprobieren! Für meine Begriffe hatte der Kopfhörer auch bei der weitest möglichen Bügelvariante recht starke Druckpunkte. Zusammen mit dem recht großen Gewicht kann das bei langem Gebrauch ermüden.

AKG N90Q LE im Test
Uneingeschränktes Lob kann man AKG für das mitgelieferte Zubehör aussprechen. Neben Ledertasche und -Hülle für den externen Akku sind zwei iPhone-Kabel (eines für die Musiksteuerung, eines mit integriertem Mikrofon), ein Android-Kabel sowie hochwertige 1,2m- und 3m-Kabel inkludiert. Die mitgelieferte Box, die auch zum Aufladen der Kopfhörer verwendet werden kann, ist mit einem gefühlten Kilogramm Gewicht für die Mitnahme – etwa bei Reisen – völlig unbrauchbar.

Fazit

Von den 50.000-Euro-Kopfhörer der Firma Sennheiser sind die AKG N90Q preislich zwar ein gutes Stück weit entfernt, eine Investition von 1500 Euro tätigt man aber auch nicht alle Tage. AKG/Harman will alles richtig machen, inkludiert neben innovativen Technologien wie TruNote auch spielerische Elemente wie die verschiedenen Raumklang-Optionen und Drehräder für Höhen/Bässe sowie die Lautstärke. Diese machen bei der Bedienung aber nicht unbedingt viel Spaß. Mit den mitgelieferten Kabeln will man Smartphone-Nutzer ansprechen, obwohl der Kopfhörer für die mobile Nutzung eigentlich zu schwer und mit dem Zusatzakku auch unpraktisch ist.

Das Design ist Geschmackssache – ob Highend-Käufer von dem Mischmasch von hochwertigen mit billig wirkenden Materialien (Leder vs. Plastik) sowie dem auffallenden Goldüberzug verzückt sein werden, sei dahingestellt. Es sind jedenfalls weitaus günstigere Kopfhörer auf dem Markt zu finden, die mit schlichterem, edlerem Design und mindestens ebenso hochwertiger Verarbeitung punkten können. Größter Pluspunkt, und das ist für einen Kopfhörer auch nicht nichts, ist der tolle Sound, der vor allem Audiopuristen überzeugen wird – solange sie die richtige Klangeinstellung finden.

Alle Produkt-Spezifikationen gibt es auf der AKG-Seite.

Disclaimer: Die AKG N90Q LE wurden uns von Media-Saturn zum Testen zur Verfügung gestellt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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