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Oral-B iO im Test: Wenn die Zahnbürste vorwurfsvoll schaut

Meine bisherigen Erfahrungen mit „smarten“ elektrischen Zahnbürsten waren ernüchternd. Die App-Anbindung bot selten Mehrwert, außer einen Timer am Display. Auch die Bürsten selbst waren nicht viel anders als die Elektroschrubber, die man schon vor 10 Jahren kaufen konnte.

Die Alternative wäre eine Ultraschallzahnbürste. Diese sind aber nicht nur nicht smart, sondern oft auch sehr rudimentär bis hin zu benutzerunfreundlich, was die Funktionen angeht. Hoffnung ließ Oral-B aufkommen, als im Jänner die iO angekündigt wurde. Jetzt ist sie endlich verfügbar. Ich durfte die iO Series 9 bereits vor dem Release für 4 Wochen testen – und will sie nicht wieder hergeben.

Premium Bürschtl

Die Serie 9 ist das Spitzenmodell der iO-Reihe. Der UVP liegt bei 400 Euro, bei Händlern wird sie ab 320 Euro angeboten. Bei der Funktionalität unterscheidet sie sich nur im zusätzlichen Modus „Zungenreinigung“ von der Serie 8 (UVP 330 Euro, bei Händlern ab 250 Euro).

Dafür hat die Serie 9 aber ein Reiseetui dabei, das gleichzeitig als Ladestation dient. Allerdings benötigt dieses Ladeetui ein eigenes Stromkabel. Das ist im Lieferumfang enthalten, es wäre jedoch sinnvoller gewesen, das Etui mit einem USB-C-Stecker auszustatten. Dann müsste man auf Reisen nicht ein zusätzliches Netzteil mitnehmen.

Die Serie 7 ist das günstigste Modell (300 Euro, bei Händlern ab 215 Euro). Sie hat nur 5 Reinigungs-Modi.

Allen 3 Zahnbürsten ist gleich, dass sie mit nur einem Bürstkopf ausgeliefert werden. Da Oral-B 2 verschiedene Arten anbietet, mit den klingenden Namen „sanfte Reinigung“ und „ultimative Reinigung“, wäre es angebracht gewesen, von jedem einen dazuzugeben. Selbst das günstigste Modell hat einen UVP von 300 Euro, da ist man als Kunde zurecht verärgert, wenn man nochmal 25 Euro (UVP für die 2-Stück-Packung) zahlen muss, nur um probieren zu können, welcher Bürstenkopf einem mehr zusagt.

Wie aus einem Guss

Das Design der Oral-B iO orientiert sich grob an der Oral-B Genius. Im direkten Vergleich sieht die Genius aber wie ein fehlgeschlagenes Experiment aus. Denn bei der iO ist alles wie aus einem Guss.

Die Form des Bürstenkopfes passt perfekt zur Kontur der Bürste. Das LED-Licht sieht nicht mehr aus wie von einem Spielzeug-Polizeiauto, sondern fügt sich ins Design. Die Tasten sind nicht herausstehend und umrandet, sondern im Gehäuse eingelassen. Das Display befindet sich zwischen den 2 Tasten. Dadurch sind die leuchtenden Elemente gut aufgeteilt und gleichzeitig konzentriert, während die Genius teilweise wie ein Christbaum aufgeleuchtet hat.

Deshalb: Erst Zähneputzen, dann duschen.

Das Zahnpasta-Massaker

Der Nachteil des stromlinienförmigen Designs: ein Zahnpasta-Strom. Je nach persönlicher Tagesverfassung und Putzdauer ist es bei mir mehrmals vorgekommen, dass die Zahnpasta der Zahnbürste entlangrinnt, über die Hand bis zum Ellbogen.

Ich habe 3 verschiedene Zahnpasten verwendet und verschiedene Putzmodi, mal mit Mund streng geschlossen, mal entspannt offen: In allen Kombinationen konnte ein Zahnpasta-Massaker passieren, bei dem sie sich nicht nur dekorativ um den Mund, sondern eben bis zum Ellbogen verteilt. In den ersten 2 Wochen musste ich auch öfters als sonst den Badezimmerspiegel putzen, bis ich mich an die neue Bürste gewöhnt hatte.

Durch das bündige Design ist es immerhin sehr einfach, die iO nach Gebrauch abzuwaschen bzw. abzuwischen. Das sollte man auch machen, damit die Ladestation nicht schmutzig wird. Ich habe es zumindest bis zum Ende von Woche 3 geschafft, bevor ich zum ersten Mal die Bürste nicht gründlich abgewischt habe und dann die Station reinigen musste. Die Ladestation ist flach mit nur einer kleinen Wölbung, um die Bürste magnetisch einrasten zu lassen, und dadurch ebenfalls einfach zu reinigen.

Trotz des eleganten und bündigen Designs gibt es dennoch einen Platz, an dem sich Zahnpastareste unbemerkt ablagern können: unter dem Bürstenkopf. Tauscht man den Bürstenkopf aus, sollte man die Zahnbürste von diesen Resten befreien. Tipp: Mit dem alten Bürstenkopf, den man sowieso wegschmeißen würde, und warmen Wasser rubbeln.

Freundlichere App

Wie die Oral-B Genius, hat auch die iO eine eigene App. Diese wurde generalüberholt und sieht freundlicher aus. Überraschenderweise ist sie wenig aufdringlich und versucht nicht einem ständig Oral-B-Produkte zu verkaufen. Lediglich beim Auswählen einer Pflegeanleitung werden empfohlene Produkte angezeigt – ohne Link zu einem Shop.

Beim ersten Einrichten in der App wird die Leuchtfarbe ausgewählt – damit man bei mehreren iOs im Haushalt seine Bürste erkennt. App und Zahnbürste unterstützen leider kein Multiuser-System. Man kann die Zahnbürste nicht mit 2 Smartphones verbinden und so die Zahnbürste – natürlich mit einem eigenen Bürstenkopf für jede Person – teilen.

In der App findet man Statistiken zu Putzzeit, welche Routinen man verwendet hat, Andruckkontrolle, abgedeckte Bereiche usw. Außerdem gibt es „Medaillen“ für Putzleistungen. Ich bin zwar trotz meines Alters immer noch begeisterter Videospieler, aber diese Achievements fürs Zähneputzen sind etwas lieblos umgesetzt und stellen keinen Anreiz zum Erringen weiterer Medaillen dar.

Sinnvoller ist da die Erinnerung, den Bürstenkopf nach 90 Tagen zu ersetzen. Auf Wunsch kann noch eine Funktion aktiviert werden, die regelmäßig nachfragt, ob man Zahnfleischbluten hatte. Außerdem können noch die Modi, die über die Bürste gestartet werden, neu sortiert werden. Gibt es welche, die man gar nicht verwendet, kann man sie auch aus der Auswahl der Bürste entfernen.

Pflegeanleitungen

Eine weitere nützliche Funktion der App sind die „Zahnpflegeanleitungen“. Derzeit sind 5 Stück in der App: Frischer Atem, Plaque-Bekämpfer, Aufhellen, Zahnfleischgesundheit und Kieferorthopädische Pflege.

Dahinter verbergen sich nicht gutgemeinte Tutorials, sondern Putzprogramme. Je nach gewähltem Programm stehen nur bestimmte Putzmodi zur Verfügung. Außerdem wird man nach dem normalen Zähneputzen etwa aufgefordert die Zahnreinigung zu machen. Danach wird bei manchen Programmen gefragt, welche Farbe die Zähne oder das Zahnfleisch heute haben, um so Fortschritte zu protokollieren.

Gänzlich geführt sind diese Programme aber leider nicht. Beim Programm „Aufhellen“ etwa stehen die Modi „tägliche Reinigung“ und „Whiten“ zur Verfügung. Die App bzw. Zahnbürste sagen aber nicht, wann ich welches verwenden soll. Hier habe ich mich während des 2-wöchigen Programms alleine gelassen gefühlt. Und nach den 2 Wochen habe ich zwar eine Medaille erhalten, kann aber nicht in einer Statistik nachsehen, ob meine Zähne tatsächlich heller geworden sind – obwohl ich jeden Tag brav die entsprechende Angabe am Ende des Putzprogramms gemacht habe.

Auch ohne App nutzbar

Man kann die Zahnbürste natürlich auch ohne App verwenden. Hier läuft einfach der übliche 2-Minuten-Timer mit. Auch die Warnung, wenn man mit zuviel Druck putzt, ist ohne App sichtbar. Der Ring leuchtet dann gefährlich Rot auf.

Die iO hat auch ein Feature, das ich bei vielen älteren Modellen vermisst habe: Sie zeigt nicht nur zu viel Druck an, sondern auch zu wenig. Ist das Ringlicht der Bürste während des Putzens Grün, ist man im optimalen Druckbereich.

Dem grünen Licht blind zu vertrauen, ist nicht für alle Situationen sinnvoll. Der im Lieferumfang enthaltene Bürstenkopf hat relativ harte Borsten. Wenn man Zahnfleischprobleme hat, kann dadurch der Druck im grünen Bereich trotzdem viel zu hoch sein – auch wenn man einen schonenden Reinigungsmodus der Zahnbürste nutzt.

Die Zahnbürste schaut zu

Wie schon bei der Genius-Serie erkennt die iO, wo man gerade putzt. Dies geschieht durch Bewegungssensoren und Algorithmen. Es ist, als würde sie einem zuschauen. Am Smartphone-Display wird das in der App grafisch dargestellt. Ober- und Unterkiefer sind in jeweils 3 Sektoren Zähne (links, Mitte, rechts) und 3 Richtungen (vorne, oben, hinten) unterteilt.

Die Zahnbürste erkennt überraschend genau, in welchem Sektor man gerade ist und von welcher Seite man dort die Zähne putzt. Durch Verblassen der Richtungsanzeige und dem immer weißer werden der virtuellen Zähne wird angezeigt, wie brav man putzt.

Dies ist für mich sehr praktisch. Dadurch habe ich gemerkt, dass ich mit meiner bisherigen, App-losen Putztechnik manche Bereiche innerhalb der 2 Minuten zu wenig geputzt habe. Mit der App ist aber meine Putzzeit in die Höhe gegangen. Üblicherweise brauche ich 2:30 bis zu 3 Minuten, damit ich alle Sektoren strahlend kriege. Die App verführt mich dazu, die 100 Prozent Putzabdeckung zu erzielen.

Bei Putzzeiten länger als 2 Minuten scheiden sich die Geister. Manche sagen, dass es Zahnschmelz und Zahnfleisch kaputt macht, andere Experten meinen, es hängt von der jeweiligen Situation ab. Ich halte mich hier an Zweiteres. Da mir die App anzeigt, wo ich noch genauer putzen muss und wo es schon reicht, fühle ich mich relativ sicher. Vielleicht schaffe ich noch mehr Übung ja zukünftig die 100-Prozent-Abdeckung in unter 2:30 Minuten zu erreichen.

2 Tasten, ein Display und Emojis

Die Zahnbürste ist leichter, als sie aussieht. Sie liegt außerdem gut in der Hand. Wenn man meckern will, dann vielleicht, dass sie relativ glatt ist. Hier kann man aber den Daumen auf eine der 2 gummierten Tasten auflegen. Man muss die Zahnbürste übrigens nicht im Todesgriff halten. Der neue Magnetmotor überträgt die „Mikrovibrationen“, wie es Oral-B nennt, mit voller Leistung, egal ob man das Griffstück fest oder locker hält.

Zur Verwendung der Zahnbürste reichen die 2 bereits genannten Tasten. Die obere startet und stoppt den gewählten Modus, mit der unteren wird durch die Modi geschaltet. Dazwischen wird die entsprechende Information am Display angezeigt.

Das Display begrüßt einen auch der Tageszeit entsprechend und zeigt Emojis. Mein Lieblings-Emoji ist die Mischung aus vorwurfsvoll und ungläubig, die man bekommt, wenn man zu kurz Zähne putzt: Hier hat sich jemand viel Mühe gegeben, das perfekte passiv-aggressive WTF-Emoji für ein Zahnbürsten-Display zu erstellen. Es gibt auch eine abgeschwächte Version, die zwischen einer und unter 2 Minuten Putzzeit zu sehen ist und am ehesten einem „naja…“ entspricht. Für braves Putzen gibt es natürlich positive Emojis, mit Zuzwinkern und Sternchen-Augen.

Das Putzerlebnis

Die iO ist leiser als herkömmliche elektrische Zahnbürsten, aber intensiver. Die übermittelten Vibrationen sind deutlich spürbar und können, je nach Position der Bürste am Kiefer, ein leichtes „Dröhnen“ verursachen. Wer Vibrationen am, im und um den Kopf nicht mag oder nicht verträgt, wird mit der iO nicht glücklich werden.

Die verschiedenen Modi unterscheiden sich gefühlt am meisten durch die Stärke ihrer Vibrationen. Oft scheinen es nur Nuancen zu sein, wie etwa zwischen „Daily Clean“ und „Sensitive“. Benötigt man einen sanfteren Modus, sollte man „Sensitive“ überspringen und gleich „Super Sensitive“ wählen. Der Zungenreinigungsmodus ist mit der iO für mich angenehmer, als bei anderen elektrischen Zahnbürsten.

Auch das normale Putzen der Zähne ist für mich mit der iO angenehm. Man sollte aber noch mehr als bei anderen Zahnbürsten aufpassen, dass Zahnfleisch nicht mitzuputzen. Die Kombination aus dem harten Bürstenkopf und den Vibrationen kann sonst zu Schmerzen führen.

Sauberes Zahngefühl

Nach dem Putzen fühlen sich die Zähne sehr glatt und sauber an – besser, als mit jeder elektrischen Zahnbürste, die ich bisher hatte. Dieses Gefühl ist auch nach 4 Wochen noch immer so: Es ist also nicht nur eine Mischung aus „frischer Bürstenkopf putzt besser“ und einem eingebildeten „teure Zahnbürste muss gut putzen“.

Trotzdem ist die iO keine Wunderzahnbürste. Zahnseide kann sie nicht ersetzen. Das behauptet Oral-B aber auch nicht. In der App kann man deshalb zB. auswählen, ob man nach dem Putzen Zahnseide verwendet hat. Bei einigen Pflegeprogrammen wird Zahnseide aktiv empfohlen. Zahnstein kann die iO ebenfalls nicht wegmachen. Wie bei anderen Zahnbürsten ist das nach wie vor ein Fall für die regelmäßige, professionelle Zahnreinigung beim Zahnarzt.

Akkulaufzeit

Bei der Akkuanzeige ist die iO nicht besonders smart. Wenn man sie nur ein paar Sekunden in Betrieb hatte, zeigt sie nur noch 90 Prozent Akkuladung an – genau wie nach knapp 3 Minuten Zähneputzen und 30 Sekunden Zungenreinigung. Korrekter ist letztere Angabe. Wenn man die Bürste dazwischen nicht auflädt, verbraucht einmal Putzen und Zungereinigen 10 Prozent Akkuladung.

Geht man also auf Reisen, kommt man maximal 5 Tage ohne Ladestation aus. Das ist um Einiges weniger als die 2 Wochen Akkuladung, die andere elektrische Zahnbürsten versprechen. Wer länger auf Reisen geht, sollte also die Ladestation bzw. das Ladeetui (samt dem proprietären Netzzeil) mitnehmen.

Fazit

Die Oral-B iO ist die beste elektrische Zahnbürste die ich bisher hatte. Die App hilft mir dabei, alle Zähne mit der gleichen Aufmerksamkeit zu putzen und hat mich dazu gebracht, dass ich jetzt täglich meine Zunge reinige.

Die Reinigungsleistung ist großartig. Und man muss dafür nicht, wie bei einigen Ultraschallbürsten, auf smarte Funktionen, eine intuitive Handhabung oder die eigene Zahnpasta verzichten, weil eine spezielle „Ultraschallzahnpasta“ nötig ist.

Hauptkritikpunkte sind der sehr hohe Preis für die iO (mit nur einem Bürstenkopf im Lieferumfang), dass das Ladeetui keinen USB-C-Stecker hat und dass man sich leichter anpatzt, weil das Design der Zahnbürste ein Rinnen der Zahnpasta Richtung Hand begünstigt.

Wer sich nicht davon abschrecken lässt, wird sehr glücklich mit der iO werden. Da die Unterschiede zwischen UVP und Handelspreisen derzeit recht hoch sind, sollte man jedenfalls ein Preisvergleichsportal bemühen. Außerdem sollte man beim Kauf gleich die weicheren Bürstenköpfe mitbestellen, damit man vergleichen kann, welche Härte mehr zusagt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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