Aufregung um Samsungs „gefälschte“ Mond-Bilder
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Seit der S20-Serie bewirbt Samsung seine Spitzenmodelle mit dem „Space Zoom“ oder auch „Super Zoom“. Als Demonstration wie toll dieser 100-fache digitale Zoom ist, wird gerne der Mond gezeigt. Wo bei anderen Handys nur ein verschwommener Fleck sichtbar ist, sind bei Samsung-Smartphones Details erkennbar, wie Hügel und Krater in der Mondoberfläche.
Jeder, der die Funktion schon mal genutzt hat oder sich mit Fotografie ein bisschen auskennt, weiß, dass das nur mit sehr starker Softwarehilfe möglich ist. Das sieht man sogar beim Fotografieren: Drückt man auf den Auslöser in der Kamera-App, ist erst das richtige Foto zu sehen, dann taucht ein bis 2 Sekunden später das überarbeitete Bild auf. Dasselbe bemerkt man übrigens auch beim Nacht-Modus.
Auf Reddit will jetzt aber ein User den Beweis für das gefunden haben, was eh schon alle wissen. Er bezeichnet die Mond-Bilder als Fake und gibt auch ein Beispiel an, mit dem er das beweist.
Er hat ein hochauflösendes Foto des Mondes heruntergeladen und auf 170 x 170 Pixel verkleinert. Zusätzlich hat er es unscharf gemacht. Dann hat er mit etwa 60-fach-Digitalzoom das Bild auf dem PC-Bildschirm abfotografiert. Und siehe da: Das überarbeitete Mond-Bild mit dem Smartphone schaut viel besser aus, als das verkleinerte, unscharfe Bild. Für ihn und viele andere Reddit-User*innen ist das der Beweis, dass Samsung mithilfe von KI schummelt.
Er führt weiter aus, dass es eben nicht bloß ein überarbeitetes Bild ist, sondern, dass die KI mit Mond-Bildern trainiert wurde. Dadurch sollen Details eingerechnet werden, die die Kamera technisch gesehen gar nicht sehen konnte. Das läuft in etwa so ab: Man macht ein Bild von dem Mond. Die KI erkennt bestimmte Kontrast- und Helligkeitsunterschiede und gleicht diese mit anderen Mond-Bildern ab, mit denen sie trainiert wurde. Dann nimmt sie sich die Features dieser Fotos her, die am besten passen und macht daraus ein Foto, das die User*in dann zu sehen bekommt.
links: © Gregor Gruber
rechts: © Gregor Gruber
2x Mond über Wien, am selben Tag zur selben Zeit (S23 Ultra). Links hat sich die Bilderkennung etwas schwerer getan, wegen dem Stromkabel vor dem Mond. Rechts seht man, was die KI aus dem Mond rausholen kann, wenn freie Sicht herrscht.
Damit hat er auch Recht – nur macht Samsung kein Geheimnis darum. Seit Jahren bewirbt Samsung seine Handys mit KI-Funktionen bei der Fotografie und spricht etwa von „Atemberaubenden Schnappschüssen mit der KI in der Galaxy S21-Serie“. Für die Bilder vom Mond gibt es auf der koreanischen Website auch einen eigenen Bereich für das S21, bei dem erklärt wird: „Ein helles und klares Bild des Mondes wird als Resultat aus der Super Resolution Technology und der KI-Engine zusammengestellt, die die Details auf Basis von Deep Learning verbessert.“
Dort wird auch im Detail darauf eingegangen, dass die KI mit zahlreichen Mond-Bildern trainiert wurde. Samsung erklärt auch, wie man diese Funktion deaktivieren kann, um das tatsächliche Foto-Resultat zu bekommen. Dazu tippt man in der Kamera-App links oben auf das Zahnrad und deaktiviert in den Einstellungen die „Szenenoptimierung“.
Trotzdem wird Samsung in Reddit vorgeworfen, hier die Kund*innen zu täuschen. Schließlich würde auch die aktuelle Fernsehwerbung nicht konkret erklären, dass es sich hierbei um ein „KI-generiertes“ Bild, anstatt eines Fotos handelt.
Hier muss man dem Reddit-User Recht geben. Wenn man nur die Werbung kennt und sich nicht auf Samsungs Website informiert, könnte der Eindruck entstehen, dass der Mond ein „echtes“ Foto ist. Schließlich kann man nicht von allen User*innen erwarten, die sich Handys kaufen die mehr als 1.000 Euro kosten, sich mit deren Technik auszukennen, bzw. mit den physikalischen und elektronischen Limitationen von Handy-Kameras.
Andererseits nutzen fast alle Smartphones im mittleren und höherpreisigen Segment seit Jahren Bilderkennung und Machine Learning (marketing-technisch meist KI genannt). Die meisten Hersteller nutzen das beim Porträtmodus und beim Nacht-Modus am stärksten. Prinzipiell ist aber jedes Foto, auch bei idealen Bedingungen, stark von der Software nachbearbeitet. So sehen die Bilder, trotz der kleinen Kameralinsen in Smartphones, ansehnlich aus. Samsung hat halt zusätzlich den Mond „eintrainiert“.
Schlussendlich kommen diese KI-Funktionen, bzw. die Nachbearbeitungen, den User*innen zu Gute, weil die Fotos dadurch besser aussehen. Und, im Falle von Samsung, lassen sich die Funktionen auch deaktivieren oder in einer eigenen App „Raw“ aufnehmen, also ohne die übliche Nachbearbeitung. Ehrlicher wäre es aber, wenn Samsung bei der Bewerbung seiner Mond-Fotos zukünftig einen Disclaimer einfügt, der darauf hinweist, dass diese Fotos mithilfe einer KI generiert werden, die mit Mond-Bildern trainiert wurde.
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