Sad woman holding smart phone complaining at home
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Science

"Wenn wir sie nicht ernst nehmen, bleibt Cyber-Gewalt verborgen"

Smartphones, Smart Watches, Smart-Home-Geräte, soziale Netzwerke und andere neuere technische Errungenschaften sollen das Leben komfortabel und leicht machen. Sie können aber auch missbraucht werden, was unter Umständen dazu führt, dass Frauen bedroht, kontrolliert und manipuliert werden. Forscher*innen der FH Campus Wien und des Zentrums für Sozialforschung & Wissenschaftsdidaktik haben jetzt eine neue Studie darüber vorgelegt, wie Cyber-Gewalt in Beziehungen und Ex-Beziehungen entsteht und welche Folgen sie hat.

Die dunkle Seite von Smartphones

"Technik bietet uns viele Vorteile und vernetzt uns. Das können wir positiv nutzen, aber was ist, wenn ein Gerät plötzlich zur Tatwaffe wird?", skizziert Projektleiterin Magdalena Habringer vom Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit der FH Campus Wien die Grundfrage der Studie. Gerade im näheren Umfeld von Frauen sei die Gefahr vorhanden, dass das Wissen über Nutzungsgewohnheiten und Login-Daten missbraucht werde.

Die Art und Weise, wie dies geschieht, kann sehr vielfältig sein und wird oft nicht genau erkannt. "Viele betroffene Frauen kommen oft mit einer diffusen Wahrnehmung zu uns", berichtet Nina Wallner, Sozialarbeiterin im Gewaltschutzzentrum Burgenland, bei der Präsentation der Ergebnisse der Studie, die Anfang 2020 begonnen hat. Das Gefühl, dass etwas nicht stimme, dass der Partner oder Ex-Partner etwa Dinge wisse, die er nicht wissen sollte, müsse laut Wallner erst genommen werden. "Wenn wir das nicht ernst nehmen würden, bleibt Cyber-Gewalt verborgen."

Soziales Umfeld miteinbezogen

Die am meisten verbreitete Form von Cyber-Gewalt seien Nachrichten, in denen Frauen direkt oder indirekt bedroht, beschimpft oder erniedrigt werden. Permanente Anrufe, etwa um Aufenthaltsorte zu erfahren, seien ebenfalls ein gängiges Mittel. Das Abrufen persönlicher Nachrichten durch das Wissen von Passwörtern komme ebenfalls vor. Viel technisches Wissen benötigen Täter*innen gar nicht. "Die Technik, die wir im Alltag nutzen, kann missbraucht werden", sagt Wallner.

Täter*innen wählen oft auch die Strategie, das soziale Umfeld der betroffenen Frauen in ihren Missbrauch miteinzubeziehen, etwa durch Manipulation und Täter*in-Opfer-Umkehr. Soziale Medien stehen hier im Fokus. Habringer schildert ein Beispiel: "Ein Gefährder hat bei einem Escort-Service ein Profil im Namen der Frau erstellt. Diese hat dann sehr viele anzügliche Nachrichten und Dick Pics bekommen. Sie wusste nicht, woher das kommt." Indem sie Frauen öffentlich beschämen, gewinnen Täter*innen auch oft Mittäter*innen, die sich mit ihnen solidarisch zeigen.

Nina Wallner (vorne) und Magdalena Habringer bei der Präsentation der Studie (K)ein Raum: Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-)Beziehungen

Nina Wallner (vorne) und Magdalena Habringer bei der Präsentation der Studie (K)ein Raum: Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-)Beziehungen

Kein sicherer Raum vorhanden

Ein Studienergebnis ist, dass Cyber-Gewalt gesellschaftlich immer noch sehr stark verharmlost wird. "Das kann sehr gefährlich sein und Wunden hinterlassen, die nicht sichtbar sind", sagt Habringer. Die Auswirkungen seien massiv. Bei Frauen werden Ängste ausgelöst, die jahrelang bestehen können. Schamgefühle, und ein sozialer Rückzug seien oft die Folge, auch Suizidversuche.

Ein Gefühl der Ohnmacht trete auf, weil Frauen das Gefühl haben, keinen sicheren Raum vorzufinden, wo man vor Gefährdern sicher ist. Das Gefühl werde verstärkt, wenn Frauen um Hilfe suchen, aber nicht unterstützt werden. "Manche Frauen haben etwa versucht, eine Anzeige zu erstatten und sind dabei nicht ernst genommen worden", sagt Habringer.

Unterstützung durch IT-Techniker*innen

Mit mehr Sensibilisierung für das Thema könne man dem vorbeugen, sagt Wallner: "Es braucht laufende Schulungsmaßnahmen, sowohl im psychosozialen Bereich als auch bei Polizei und Justiz." Eine Herausforderung ist auch die sich ständig weiterentwickelnde Technik. "Es ist wichtig, dass Kooperationen entstehen, mit IT-Techniker*innen und IT-Forensiker*innen, die Unterstützung bei der Beweissicherung liefern." Ein multiinstitutionelles Vorgehen sei wichtig, um dem Thema Cyber-Gewalt zu begegnen.

An wen Betroffene sich wenden können

Auf die Frage, an wen sich betroffene Frauen wenden können, wenn sie den Verdacht haben, von Cyber-Gewalt betroffen zu sein, meint Wallner: "Betroffene können sich an die Gewaltschutzzentren wenden. Wir bieten Information und Unterstützung bei Gewalt im sozialen Nahraum an und psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren, sollten die Betroffenen eine Anzeige erstatten wollen.“ Aber auch Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser und Hotlines, etwa die Frauen-Helpline gegen Gewalt, beraten anonym und kostenfrei.

Die Studie "(K)ein Raum: Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-) Beziehungen“ wurde finanziert von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS des Bundesministeriums für Finanzen.

 

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Campus Wien entstanden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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