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Science

Technologie soll uns nicht versklaven

Der US-Ingenieur Leonard Kleinrock, Erfinder des Internet-Vorläufers, ist enttäuscht von den negativen Auswirkungen des Internets. Das Internet sei zwar eine sehr demokratische Erfindung, aber in Online-Netzwerken werde „so viel herausgeschrien, dass gemäßigte Stimmen untergehen und extreme Sichtweisen verstärkt werden“, so Kleinrock. Auch der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, warnte zuletzt vor Desinformation und Hass im Netz. „Geschäftsmodelle, die die Weiterverbreitung von Falschinformationen fördern, sollen unterbunden werden“, so seine Empfehlung.

Informatik als Grundlage

An der Technischen Universität (TU) Wien hat man sich dieser Kritik angenommen und arbeitet an einer Gegenstrategie: Im „Wiener Manifest für digitalen Humanismus“ haben Forscher rund um die TU Wien Forderungen und Thesen aufgestellt, um das komplexe Zusammenspiel von Mensch und Technik zum Positiven zu beeinflussen. Die Kernaussage dabei lautet: Technologie soll uns nicht versklaven, sondern sie soll uns dabei helfen, besser miteinander zusammenzuleben.

„Wir sind mit der Situation konfrontiert, dass die Informatik die Grundlage der modernen Gesellschaft bildet. Viele elementare Prozesse beruhen darauf“, sagt Julia Neidhardt der futurezone. Sie ist Forscherin an der TU Wien und Organisatorin der Arbeitsgruppe rund um das „Wiener Manifest“. Dieses ist aus einem Workshop heraus entstanden, an dem 100 Personen aus verschiedenen universitären Disziplinen teilgenommen hatten.

Technologie nach unseren Bedürfnissen

„Universitäten sind unabhängig, sie sind nicht von Profitinteressen getrieben. Universitäten sind auch die Orte, an denen neues Wissen erzeugt wird und kritisches Denken gefördert wird. Daher müssen wir uns unserer Verantwortung bewusst sein“, so Neidhardt. „Das Manifest stößt auf große, internationale Resonanz und wir haben bereits mehr als 600 unterstützende Unterschriften von Einzelpersonen und Unternehmen gesammelt“, sagt Neidhardt. Mittlerweile gibt es das Papier auch auf Italienisch, Spanisch, Griechisch und Farsi.

Eine der Forderungen lautet: „Wir müssen Technologien nach menschlichen Werten und Bedürfnissen formen, anstatt nur zuzulassen, dass Technologien Menschen formen.“ Dazu benötigt es ein „breites, gesamtgesellschaftliches Verständnis dafür, dass Technologien immer auch Werte transportieren“, sagt Florian Cech, Forscher an der TU Wien. „Derzeit wird Technologie oft immer noch als 'wertfrei' oder 'objektiv' gesehen, was sie natürlich nicht ist.“

Öffentlich Druck aufbauen für Änderungen

Für Julia Neidhardt ist ein weiteres großes Problem, dass Technologien von privaten, gewinnorientierten Firma entwickelt werden und diese sich daher vorrangig nach deren Interessen richten, anstatt dem Gemeinwohl zu dienen. „Es gibt aber auch bereits Beispiele, wo man geschafft hat, durch öffentlichen Druck Firmen dazu zu bewegen, ihren Ansatz zu ändern“, sagt Neidhardt. So habe Twitter vor kurzem angekündigt, zur Gänze auf politische Werbung zu verzichten. Facebook hingegen erlaubt es Politikern auf der Plattform sogar zu lügen. „Es ist wichtig weiterhin Bewusstsein zu schaffen, damit sich etwas ändert.“

Doch lassen sich Technologien nun von Anfang an so gestalten, dass sie dem Menschen dienen? „Ich glaube nicht, dass man das von Anfang an vorhersehen kann“, sagt Neidhardt. „Man braucht sich nur die Anfänge des Internets ansehen und was daraus geworden ist“, sagt die Forscherin. Cech stimmt zu. „An der Entwicklung und Gestaltung neuer Technologien sind Millionen von Menschen beteiligt. Wir müssen von einem linearen, punktuellen Bild der Technologie-Entwicklung abkommen“, sagt Cech. „Deshalb ist der Diskurs, den wir mit unserem Manifest anstoßen wollen, so wichtig.“

Stadt Wien fördert Projekte

Auch die Stadt Wien unterstützt Forschung zum digitalen Humanismus. Die Stadt hat Ideen und Projektvorhaben unterstützt, die neue Bausteine zur Entwicklung von menschengerechten Technologien liefern können. Der Startschuss für die ersten Projekte ist bereits gefallen. Wien war immer schon eine Stadt der Moderne, hier wurden Entwürfe zur Veränderung der Welt verhandelt“, sagt Daniel Löcker, Wissenschaftsreferent der Stadt Wien. Auch die TU Wien setzt ihre Bestrebungen, das Thema in den Mittelpunkt zu rücken, fort. Nächstes Jahr soll ein weiterer Workshop stattfinden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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