Wie man ein Feuer in einem Raum löscht, ohne ihn zu betreten
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Hohe Flammen und dichte, schwarze Rauchwolken drängen sich in einem unbewohnten Nebenraum im Dachstuhl immer weiter vor. Der Brandherd ist für die Feuerwehr kaum erreichbar. Um das Feuer zu löschen, müssen die Einsatzkräfte das Dach öffnen. Dabei wird das Feuer durch die Sauerstoffzufuhr aber noch weiter geschürt – der Einsatz wird erheblich erschwert.
Ein neuartiges Löschverfahren, das vom Maschinenbauunternehmen Synex Tech gemeinsam mit dem Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) entwickelt wurde, sorgt für ein effizientes und sicheres Vorrücken der Feuerwehr, auch unter schwierigen Bedingungen. Mit dem Bohrlöschgerät Drill-X kann sie sich durch Wände und Dächer bohren.
Das Bohrlöschgerät wird direkt an die Feuerwehrschläuche gekoppelt. Angetrieben wird es durch eine integrierte neuartige Wasserturbine. Diese nutzt die Energie des Löschwassers, um mit dem Bohrkopf die Gebäudehülle zu durchdringen.
Brandfall-Statistiken
Laut dem Bundesministerium für Inneres entstehen die meisten Brandfälle (54 Prozent) im Privatbereich. Die größten Brandschäden entstehen in der Industrie (34 Prozent).
8.130 Brandfälle gab es 2020 in Österreich insgesamt, wie eine Zählung der Brandschadenstatistik der Brandverhütungsstelle Oberösterreich ergab. Die haben einen Schaden von über 316 Millionen Euro verursacht.
Der Brandraum selbst muss im Rahmen der Löschaktion nicht betreten werden. Auch die Sauerstoffzufuhr und die Gefahr einer Rauchgasdurchzündung kann mit dieser Methode enorm verringert werden. Letztere meint ein plötzliches Abbrennen von Pyrolysegas. Das ist ein heißes Gasgemisch, welches sich durch unvollständige Verbrennung im Brandraum sammelt.
Gefährdung geringer
„Die Zielsetzung von diesem Gerät ist ein Einsatz in Bereichen, die schwer zugänglich sind“, erzählt Günther Schwabegger, Geschäftsführer des IBS, der futurezone. Da es Schwabegger zufolge für dieses Verfahren noch keine Normvorgabe für Zulassungsversuche gibt, habe das IBS die Löschwirksamkeit des Geräts in Versuchsszenarien in einer realen Größenordnung untersucht – zur Erforschung der Strömungseigenschaften von Drill-X baute Synex Tech einen eigenen Prüfstand.
Unter anderem haben die Untersuchungen gezeigt, dass Drill-X um 70 Prozent weniger Wasser verbraucht als konventionelle Löschverfahren. „Der andere Vorteil ist, dass der Brand gedämmt werden kann, bevor die Einsatzkräfte in den Brandraum vorrücken“, so Schwabegger.
Damit sei auch die Personengefährdung deutlich geringer. Bei einem konventionellen Vorrücken zu einem Brandraum sehe sich das Feuerwehrpersonal während oder nach der Vollbrandphase hingegen immer mit mehreren Gefahren bis hin zu einer Rauchgasdurchzündung konfrontiert.
2023 auf dem Markt
Laut Lukas Traxl, Projektleiter bei Synex Tech und Erfinder von Drill-X, sei für die Bedienung des neuen Löschgeräts eine Person ausreichend. Eine weitere Person sei für das Bedienen des Hubrettungsfahrzeugs erforderlich, das mit einer Drehleiter ausgerüstet ist, um in den Dachbereich vordringen zu können.
Nach einem ersten Brandversuch findeTraxl zufolge aktuell ein weiterer Testlauf in Oberösterreich statt. 5 ausgewählte Feuerwehren wurden mit dem System ausgestattet. Sie sollen es in 230 Gemeinden in Österreich testen. „Das ist der letzte Schritt hin zur Markteinführung“, so Traxl.
Ab Mitte 2023 soll Drill-X schließlich verfügbar sein. Geplant ist, das Gerät auch außerhalb Österreichs auszurollen – Anfragen gebe es laut Traxl bereits aus der ganzen Welt.
ACR Innovationspreis
Die Innovation wurde am vergangenen Mittwoch vom Forschungsnetzwerk Austrian Cooperative Research (ACR) zusammen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft mit dem ACR Innovationspreis gekürt.
Ausgezeichnet wurden auch weitere Projekte, die in Zusammenarbeit von Unternehmen mit diversen ACR-Instituten entwickelt wurden. Eines davon ist das Forschungsprojekt PVRe2 vom Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI). Im Fokus steht unter anderem, wie Solarmodule effizienter recycelt, die Anlagen aber auch umweltfreundlicher produziert werden können.
Ein weiteres Siegerprojekt stammt vom ACR-Institut AEE – Institut für Nachhaltige Technologien und dem Ingenieurbüro ste.p ZT-GmbH. Entwickelt wurde „Methodiqua“, ein Planungs- und Bewertungsinstrument für die Konstruktion von Abdeckungen für Großwasserwärmespeicher.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.
Neue Lösung weist Feuerwehr auf lauernde Gefahren hinter verschlossenen Türen hin
Feuer erstickt bei Sauerstoffmangel. Kommt allerdings frischer Sauerstoff etwa durch eine geöffnete Tür hinzu, kann es auch plötzlich wieder aufleben und in einem Brandraum zu einer Rauchgasexplosion („Backdraft“) führen. Dieses Phänomen kann tödlich sein und stellt die Einsatzkräfte vor enorme Herausforderungen.
Normalerweise suchen sie nach visuellen Anzeichen für einen möglichen Backdraft, etwa Rauch, der durch kleine Öffnungen dringt oder das Fehlen von Flammen. Bei diesen Anzeichen müssen die Einsatzkräfte den Raum vor dem Betreten erst abkühlen.
Lösung für Vorhersage
Nun haben Forscher*innen des National Institute of Standards and Technology (NIST) in den USA eine auf maschinellem Lernen basierte Lösung für die Vorhersage von Backdrafts entwickelt. Sie nutzten Daten von Hunderten Rauchgasexplosionen als Modell-Grundlage.
„Wenn man vor Ort Messungen vornimmt und die Wahrscheinlichkeit eines Backdrafts zuverlässig kennt, kann man eine Tür öffnen, ohne ein so großes Risiko einzugehen. Oder man kann zuversichtlicher sein, dass man das Abteil abkühlen muss, bevor man es betritt, entweder durch Entlüften oder Abspritzen des Raums durch kleine Öffnungen“, sagt NIST-Ingenieur Ryan Falkenstein-Smith.
Lernalgorithmus
Er und seine Kolleg*innen führten mehrere Experimente durch: „Wir wollten all die verschiedenen Komponenten erfassen, die die günstigen Bedingungen für einen Backdraft schaffen.“ Das Team analysierte im Anschluss die Messungen.
Um mehr aus den Daten herauszuholen, verwendeten die Forscher*innen auch einen maschinellen Lernalgorithmus, um aus ihrem Informationsschatz ein Prognosemodell zu erstellen. In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschafter*innen die Technologie in kleinen, tragbaren Geräten für den praktischen Einsatz der Feuerwehr implementieren.
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