Fusionsreaktor JET stellt zum Abschied einen Energie-Weltrekord auf
Der Joint European Torus (JET) nahe dem englischen Oxford gilt als einer der größten und leistungsfähigsten Fusionsforschungsreaktoren der Welt. Der Reaktor wurde im Jahr 1983 zum ersten Mal in Betrieb genommen. Im Dezember vergangenen Jahres lieferte er seinen 105.929. und damit letzten Plasmapuls ab.
2 Monate davor, am 3. Oktober 2023, konnte das Team rund um JET einen neuen Energierekord mit dem Reaktor aufstellen, wie am Donnerstag offiziell bekannt gegeben wurde.
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Was bringen Fusionskraftwerke?
CO2-freie Energie
Kernfusion gilt als Hoffnung, in einigen Jahrzehnten grüne, CO2-freie Energie herzustellen. Anders als bei der Kernspaltung werden hier Atomkerne miteinander verschmolzen, wodurch Energie freigesetzt wird.
Super-GAU ausgeschlossen
Im Gegensatz zur Kernspaltung gilt Kernfusion als sicher. Eine ausufernde Kettenreaktion ist bei der Fusion nicht möglich.
Brennstoff nur wenig radioaktiv
Als Brennstoff werden die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium verwendet. Tritium ist nur wenig radioaktiv und hat eine Halbwertszeit von etwa 12 Jahren. Seine radioaktive Strahlung ist zu energieschwach, um menschliche Haut durchdringen zu können. Schädlich kann es werden, wenn Tritium durch Einatmen aufgenommen wird.
Verfügbarkeit des Brennstoffs
Deuterium ist reichlich verfügbar auf der Erde, Tritium ist aber selten. Das Problem soll gelöst werden, indem neue Fusionsreaktoren, wie etwa auch ITER, eigene "Brüter" haben. Darin wird Tritium für die Nutzung als Brennstoff hergestellt.
Einfachere Endlagerung
Somit vereinfacht sich das Problem der Endlagerung der radioaktiven Stoffe, die bei der Kernfusion anfallen. Die Idee ist, Fusionsreaktoren künftig nach ihrem Lebensende einige Jahrzehnte stehenzulassen und ihre Materialien dann wieder zu recyceln.
Zu spät, um Klimakrise zu stoppen
Um die aktuelle Klimakrise zu lösen, ist Fusionsenergie allerdings nicht geeignet. Tatsächliche Fusionskraftwerke würden zu spät ans Netz gehen, um bei der Erreichung der jetzigen Klimaziele zu helfen. Frühestens ab der 2. Hälfte des Jahrhunderts könnten Fusionsreaktoren aber den Kampf gegen die Klimakrise unterstützen.
Leistung von 3 Windrädern
In JETs letztem Experiment mit einem Deuterium-Tritium-Brennstoff erreichte der Reaktor eine konstante Fusion über 5,2 Sekunden. 69 Megajoule an Energie wurden in der kurzen Zeit erzeugt, wobei lediglich 0,2 Milligramm Brennstoff verbraucht wurden. Die produzierte Fusionsleistung des Reaktors in dieser kurzen Zeit betrug im Schnitt etwa 13 Megawatt und entspricht damit knapp 3 Windrädern. Der bisherige Rekord, der ebenfalls von JET im Jahr 2022 aufgestellt wurde, lag bei 59 Megajoule (die futurezone hat berichtet).
Betrachtet man die Energiemenge, mag der Rekord ernüchternd erscheinen. Mit einem Megajoule kann man etwa 3 Liter Wasser zum Kochen bringen. Das Ergebnis ist laut dem europäischen Forschungskonsortium Eurofusion allerdings wegweisend. "Wir haben nicht nur einen neuen Rekord aufgestellt, sondern auch Dinge erreicht, die wir noch nie zuvor geschafft haben und unser Verständnis der Fusionsphysik vertieft", sagt Programm-Manager Ambrogio Fasoli.
Wegweisend für ITER
Mit den Ergebnissen habe man zudem Selbstvertrauen für den Betrieb zukünftiger Fusionsreaktoren wie ITER gesammelt, der momentan in Südfrankreich gebaut wird. In dem deutlich größeren Reaktor soll es in Zukunft möglich sein, ein Fusionsplasma für 50 Minuten aufrechtzuerhalten. Wann das allerdings der Fall sein wird, ist nicht sicher. Geplant war, dass ITER ab 2035 seine volle Leistungsfähigkeit erreicht. Dieser Zeitplan dürfte allerdings nicht einzuhalten sein.
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Bei den Fusionsreaktoren wie JET und ITER handelt es sich um sogenannte Tokamaks, bei dem ein heißes, Doughnut-förmiges Plasma mit starken Magnetfeldern in der Schwebe gehalten wird. Diese Plasmawolke wird so stark aufgeheizt, dass die darin enthaltenen Wasserstoffatome bei einer Temperatur von mehr als 100 Millionen Grad Celsius miteinander verschmelzen, wodurch Energie freigesetzt wird. Diese Art von Energieerzeugung kennen wir auch von unserer Sonne, weshalb Fusionsreaktoren oft auch künstliche Sonnen genannt werden.
Im Idealfall wird bei dem Prozess mehr Energie produziert, als für das Aufheizen des Plasmas verwendet wurde. Das ist mit den jetzigen Forschungsreaktoren allerdings nicht möglich. Erst bei ITER soll eine insgesamt positive Energieausbeute erreicht werden.
Möglich macht das auch der Brennstoff. Bei ITER soll, wie bei JET, ein Gemisch der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium verwendet werden. Wenn diese Atome miteinander verschmelzen, wird Helium und eine große Menge an Energie erzeugt - die Basis für künftige Fusionskraftwerke.
Auch Österreicher vor Ort
Der österreichische Physiker Georg Harrer führte im Oktober ebenfalls Experimente am JET-Reaktor durch, als der Energie-Rekord aufgestellt wurde. "Es ist natürlich cool, bei so einem Rekord live dabei zu sein", sagt Harrer zur futurezone. Harrers Forschung zur Stabilisation des Fusionsplasmas gilt mittlerweile als Standard, der auch in künftigen Fusionsreaktoren eingesetzt werden soll. Ein ausführliches Interview mit Harrer führte die futurezone bereits Ende 2022:
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"Die jetzigen Experimente mit dem JET-Reaktor haben gezeigt, dass unser Szenario auch mit einem Deuterium-Tritium-Gemisch funktioniert", so Harrer. Bislang konnte er seine Theorie nur mit Deuterium-Brennstoff testen, da Tritium ein sehr selten vorkommender Rohstoff ist, der besondere Anforderungen der Anlage mit sich bringt.
Dabei fiel das Experiment beinahe ins Wasser. Beim altersschwachen JET-Reaktor fiel nämlich am Tag des Tests eine Kühlpumpe aus. "Dank des unermüdlichen Einsatzes der lokalen Techniker*innen konnte die Kühlpumpe aber über das Wochenende repariert werden", ist Harrer erleichtert.
Ende einer Ära
Eine zweite Chance für das Experiment von Harrer mit JET hätte es wohl nicht gegeben. Der Reaktor wurde am 21. Dezember 2023 zum letzten Mal in Betrieb genommen. Beim letzten Experiment wurde das Wort "JET" und ein Herz in die Reaktorwand eingraviert.
Nun wird JET Schritt für Schritt abgebaut und wiederverwertet. Dabei will man mehr darüber herausfinden, wie sich das radioaktive Tritium in den Reaktorwänden verteilt hat und wie es entfernt und vielleicht wiederverwendet werden kann. Tritium selbst hat eine Halbwertszeit von etwa 12 Jahren. Seine Strahlung kann aber Bauteile jahrzehntelang radioaktiv machen.
Die Erkenntnisse aus dem Abbau werden auch künftige Regulierungen betreffen, wie radioaktives Material aus Kernfusionen gehandhabt werden soll. Die Arbeiten sollen bis 2040 abgeschlossen sein.
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