3 Methoden, wie manipulierte Wolken die Erderwärmung senken
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Klima-Physiker Blaž Gasparini beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit den Auswirkungen von Sonneneinstrahlung und Wolken auf das Klima. Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei Cirrus-Wolken.
futurezone: Wolken spielen beim Wetter eine wichtige Rolle. Aber was haben Wolken mit dem Klima auf der Erde zu tun?
Gasparini: Wolken können einerseits für Abkühlung, aber auch für die Erwärmung der Erde sorgen. Tiefe Wolken wirken wie riesige Spiegel und kühlen daher das Klima ab. Hohe Cirrus-Wolken sind anders - sie sind ziemlich transparent für die Sonnenstrahlung, können aber die Wärme des Planeten in der Nähe der Oberfläche einfangen, ähnlich wie Treibhausgase.
Begriffserklärung
Geoengineering: Beim Geongengineering oder Klimaengineering wird versucht, durch Eingriffe in die chemischen Kreisläufe der Erde das Klima zu verändern und so die Klimaerwärmung abzuschwächen. Das geschieht etwa durch die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung oder durch die Reduktion von CO2 in der Atmosphäre.
Cirrus-Wolken: Cirrus-Wolken oder Federwolken erscheinen als feine Bänder oder Fäden in einer Höhe von etwa 8 bis 12 Kilometern. Sie bestehen aus feinen Eiskristallen.
Stratosphäre: Die Stratosphäre ist die zweite Schicht der Erdatmosphäre. Sie beginnt in einer ungefähren Höhe von 15 Kilometern und endet in rund 50 Kilometern Höhe.
Cirrus-Wolken tragen also zur Erderwärmung bei?
Im Durchschnitt ist es so, dass sie das Klima leicht erwärmen, indem sie einen Teil der Langwellenstrahlung blockieren, die von der Erde ausgeht. Zirren sind aus Eiskristallen aufgebaut, die sich bei tiefen Temperaturen bilden. Jene, die aus vielen kleinen Eiskristallen bestehen, sind besonders wirksam bei der Erwärmung der Erde.
Wenn wir hypothetisch alle Zirren aus der Atmosphäre entfernen würden, würde sich die Erde abkühlen. Aus diesem Grund wurde vor etwa 10 Jahren die Idee vorgeschlagen, Zirren künstlich zu verändern oder zu entfernen. Das wird als Zirrenausdünnung oder Cirrus Cloud Thinning bezeichnet.
Und wie funktioniert diese Zirrenausdünnung?
Die Idee dahinter ist, dass man kleinen Partikel - etwa Saharastaub - hoch in der Atmosphäre ausbringt, wo sich normalerweise Zirren bilden. Solche Partikel können oft die Eigenschaften natürlicher Zirren so verändern, dass sie wenige große statt viele kleine Eiskristalle bilden. Die Wolke wird sozusagen ausgedünnt und hat deshalb eine geringere klimaerwärmende Wirkung. Aber von allen Geoengineering-Methoden, die sich mit Sonneneinstrahlung oder Erdstrahlung beschäftigen, ist Zirrenausdünnung wohl diejenige mit den meisten Unsicherheiten.
Wie schätzt du die Methode als Cirrus-Experte ein?
Ich bin am Ende wahrscheinlich eher auf der Seite, dass es nicht funktioniert. Auch wenn das Potenzial zur Klimakühlung da ist: Es ist extrem schwierig zu ermitteln, wie viele Partikel ausgebracht werden müssen, damit man einen abkühlenden Effekt hat. Wenn man nämlich zu viel ausbringt, bildet man wieder mehr Zirren, was auch wieder nicht gut ist.
Gibt es noch andere Methoden, um mit Wolken das Klima zu ändern?
Ja, eine andere Methode wäre etwa das Marine Cloud Brightening oder Aufhellung von Meereswolken. Das machen wir unabsichtlich schon heute. Durch die Abgase von Schiffen - zum größten Teil Schwefel oder andere Aerosole - bilden sich über den Meeren Wolkenstreifen, die viel mehr Sonnenlicht reflektieren als normale Wolken.
Ist das bei den Kondensstreifen von Flugzeugen auch so?
Es geht in die Richtung, aber bei den tiefen Wolken des Marine Cloud Brightenings hat man ganz sicher einen abkühlenden Effekt. Bei den höheren Kondensationsstreifen ist es wieder ein bisschen heikel, weil sie manchmal den Planeten erwärmen. Im Schnitt wäre es besser, weniger Kondensationsstreifen zu haben. Im Moment arbeiten viele Leute daran, dass sich weniger Kondensationsstreifen bilden. Zum Beispiel kann man ein bisschen tiefer oder höher fliegen, um Luftschichten auszunutzen, in denen sich die Streifen nicht so gut bilden können. Auch der Treibstoff beeinflusst den Effekt - je schmutziger, desto mehr Kondensationsstreifen entstehen.
Es wird darüber nachgedacht, Schwefel in die Stratosphäre auszubringen, um die Sonnenstrahlen direkt zu reflektieren.
Partikel, die sich in der Atmosphäre schnell aus Schwefel bilden, reflektieren Sonnenstrahlen. Das führt zu einem Rückgang der Temperaturen auf der Erde. Was man dadurch aber auch bekommt, ist mehr indirektes Licht auf der Erde. Für Photovoltaikanlagen ist das vielleicht nicht ideal, aber deren Effizienz nimmt auch bei steigenden Temperaturen ab. Und natürlich würden uns die Astronom*innen hassen.
Und wie wirkt sich der Schwefel überhaupt auf die Umwelt aus?
Bei der Stratospheric Aerosol Injection würde man viel weniger Schwefel in die Stratosphäre injizieren, als wir bereits jetzt als Gesellschaft ausstoßen. Das wäre wahrscheinlich nicht das Hauptproblem. Durch den Wind verteilt sich der Schwefel allerdings bis hin zur Antarktis, wo wir bisher nur geringe Schwefelmengen messen konnten. Dort könnte es ungeahnte Auswirkungen haben.
Ein geplantes Experiment über Schweden wurde nach Kritik abgeblasen. Nützen solche lokalen Experimente überhaupt etwas?
Es ist im Labor sehr schwierig, stratosphärische Bedingungen herzustellen. Mit dem Experiment wollte man die Chemie in der Atmosphäre besser untersuchen. Da erhält man auch bereits mit wenig Schwefel interessante Daten. Aber solche Mengen hätten natürlich keinerlei Auswirkungen auf das Klima.
Wie sieht es mit der Ozonschicht aus?
Das ist ein weiteres Problem, weil sich Schwefel wahrscheinlich negativ auf das Ozon auswirken würde. Würde man aber Kalziumkarbonat, also Kalksteinpulver injizieren, würde sich vielleicht sogar mehr Ozon in der Stratosphäre bilden. Aber hier kommen wieder die Unsicherheiten ins Spiel: Schwefel hatten wir immer schon in der Atmosphäre, wir kennen es schon. Für Kalkstein liegen noch keine Messungen vor.
Müsste man also mehr Forschung betreiben?
Genau. Es gibt viele Dinge, die wir bereits wissen. Aber es gibt auch Dinge, von denen wir wissen, dass wir nichts wissen. Und dann gibt es noch Dinge, von denen wir überhaupt nicht wissen, dass sie überhaupt existieren. Dieser letzte Faktor ist es, wieso man bei Geoengineering so aufpassen muss.
Du kommst von einer Geoengineering-Konferenz in den USA. Wie wird dort mit dem Thema umgegangen?
Diese Konferenzen sind ganz interessant. Dort treffen sich Physiker*innen und Klimaforscher*innen, aber auch Leute aus der Rechtswissenschaft, Ethik oder Ökonomie wie der Österreicher Gernot Wagner. Es ist kein so geschlossenes Feld, wie bei anderen Themen. So entstehen auch Diskussionen wie: “Sollte man Geoengineering staatlich oder privat finanzieren?”, und “Wer würde am Schluss die Kontrolle über das Thermostat übernehmen?”
Wagner ist zum Beispiel der Ansicht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Menschheit Geoengineering einsetzt.
Da bin ich schon skeptischer. Die Leute fürchten sich bereits, wenn man nur über Geoengineering spricht. Man muss dazusagen, dass Geoengineering nicht die Lösung ist, um den Klimawandel aufzuhalten. Es eine Schmerztablette, die die Folgen erträglicher macht, aber auch süchtig machen kann. Aber wenn wir ernsthaft über das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens sprechen wollen, müssen wir auch ernsthaft über Geoengineering sprechen.
Als eine Maßnahme von vielen?
Geoengineering wäre eine temporäre Methode, die uns Zeit verschaffen würde, um unsere Klimaziele zu erreichen. Es wäre schnell einsatzbereit und ist - im Vergleich zu anderen Ansätzen - sehr kostengünstig. Aber man sollte zumindest darüber sprechen und klare Regeln finden. Ich bin für ein Moratorium für Geoengineering. Aber für konkrete Vorgaben, unter welchen Umständen man diese aufheben sollte.
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