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Heftige Kritik an SpaceX nach Beinahe-Crash

Der brenzlige Zwischenfall zwischen Satelliten der ESA und SpaceX heizt die Diskussionen um das von Elon Musk geplante Satelliten-Netzwerk Starlink erneut an. Für Unverständnis sorgt vor allem der Umstand, dass SpaceX offenbar nicht gewillt war, den Kurs seines Satelliten zu ändern, um eine Kollision zu verhindern. „Es ist völlig klar, dass die ESA reagieren musste. Ein derartiges Risiko ist inakzeptabel“, sagt Gernot Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraum Forums ÖFW, im Gespräch mit der futurezone.

Denn wenn es zu Kollisionen komme, seien nicht nur die teuren, leistungsstarken Satelliten kaputt. Vielmehr könne ein Zusammenstoß Tausende bis Millionen Teile hinterlassen, die dann in der Umlaufbahn beider Satelliten herumschwirren und zu gefährlichen Geschossen werden. „Selbst Elektroschrott, der nur zwei Zentimeter lang ist, wie etwa eine Schraube, hat die kinetische Energie einer Kanonenkugel, wenn er auf ein anderes Objekt trifft“, sagt Grömer.

"Bedenkliche Reaktion"

Die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion von SpaceX stuft der Weltraumexperte als „bedenklich“ ein. Er rechnet zudem damit, dass die Beinahe-Kollision zum Anlassfall wird, um international gültige Regeln und Zuständigkeiten im Weltraum noch klarer zu definieren. Angesichts Zehntausender neuer Satelliten, die in den kommenden Jahren ins All geschickt werden sollen, müsse man die Mindestabstände von Umlaufbahnen genau absprechen, aber auch klären, wie man in so einem Fall überhaupt reagiere.

„Im Moment scheitert es ja schon daran: Wen rufe ich eigentlich an? Wer ist der Verantwortliche am anderen Ende?“, sagt Grömer. Er rechnet mit jahrelangen juristischen Streitereien vor internationalen Gerichten, sollte es zu Beschädigungen und Kollisionen kommen. Denn so wenig SpaceX-Gründer Elon Musk sonst um markige Wortspenden verlegen ist, blieb die Weltraumfirma seit dem Starlink-Start stumm. Entsprechende Kontaktversuche seien ignoriert worden, teilte die ESA mit. Im aktuellen Fall reagierte SpaceX letztlich nur per E-Mail.

Ausweichen unmöglich

Kritiker des Satellitennetzwerks, das die Welt mit Internet aus dem All versorgen soll, sehen sich nun in ihren Befürchtungen bestätigt. Schließlich passierte der erste gröbere Zwischenfall bereits jetzt, obwohl erst 60 der geplanten 12.000 Satelliten in den Weltraum geschossen wurden. Aktuell befinden sich gesamt nur etwa 1900 Satelliten in der Erdumlaufbahn.

Wie die exponentiell ansteigende Kollisionsgefahr mit aktiven Satelliten und Weltraumschrott technisch in Schach gehalten werden kann, ist noch unklar. Manuelle Manöver, mit denen Satelliten und sogar die Internationale Raumstation derzeit Objekten ausweichen, sind laut ESA künftig nicht mehr möglich, wenn Tausende Satelliten unterwegs sind.

Die Weltraumorganisation will diese Prozesse künftig automatisieren und entwickelt dafür Systeme mit künstlicher Intelligenz. Auch Experimente mit Vorrichtungen, welche die Umlaufbahnen der Erde von Weltraumschrott befreien könnten, laufen bereits.

Angst vor Terrorismus

Abgesehen von ungeklärten juristischen Fragen, wer etwa bei einer Kollision im All zur Verantwortung gezogen wird, steht eine weitere Befürchtung im Raum. „Bei Zehntausenden Satelliten steigt das Risiko, dass eines dieser Objekte gekapert und für gezielte Attacken eingesetzt wird“, sagt Grömer.

Zuletzt hatten zudem Astronomen Kritik geäußert, dass die riesigen Satellitennetzwerke die Sternenbeobachtung von der Erde aus stören würden.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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